
Ungeklärte Skandale, keine Dividende und eine Schlammschlacht im Aufsichtsrat: Wütende Aktionäre haben Deutsche-Bank -Chefkontrolleur Paul Achleitner auf der Hauptversammlung von Deutschlands größtem Geldhaus am Donnerstag attackiert. "Nach einer Dekade des Missmanagements ist die Deutsche Bank heute ein Sanierungsfall", sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment, einem der größten Anteilseigner des Instituts. Achleitner verteidigte den Kurs der Bank und sich selbst. Er strebt eine weitere Amtszeit an der Spitze des Aufsichtsrats an. "Deshalb stehe ich heute hier und würde mich auch wieder hier hinstellen, wenn dieses Jahr eine Wiederwahl anstünde."
Die 5400 Aktionäre in der Frankfurter Festhalle reagierten auf Achleitners Ankündigung mit eisernem Schweigen, während es für den neuen Vorstandsvorsitzenden John Cryan und den scheidenden Co-Chef Jürgen Fitschen langen Applaus gab. Achleitners Vertrag läuft im kommenden Jahr aus. Mehrere Großaktionäre fordern dann einen Wechsel an der Spitze des Kontrollgremiums. Sie werfen dem Österreicher, der sein Amt 2012 mit großen Vorschusslorbeeren angetreten hatte, unter anderem vor, Ex-Vorstandschef Anshu Jain zu spät abgelöst zu haben.
Achleitner wies die Kritik zurück. Es sei richtig gewesen, zunächst die neue Strategie und die nötigen Strukturen festzulegen und dann die richtigen Personen dafür zu suchen. "Eine Strategie ist keine Lego-Bauanleitung für das Management", sagte der 59-Jährigen. "Eine Strategie ist vielmehr ein Kompass, der zeigt, wo wir hinwollen." Grund für den "ungewöhnlich radikalen Umbau" sei auch das Verhältnis zu den Aufsehern gewesen. Die Finanzaufsicht BaFin hatte vor allem dem im Sommer 2015 abgetreten Jain hart kritisiert. Kürzlich betonte sie, die Deutsche Bank sei nun auf dem "völlig richten Weg."





Bei vielen Investoren ist der Frust wegen eines Verlustes von knapp sieben Milliarden Euro 2015 und des vor sich hin siechenden Aktienkurses groß. "Die Reputation hat gelitten, das Vertrauen am Kapitalmarkt ist erschüttert, der Aktienkurs ist ein Desaster", sagte Fondsmanager Speich. "Die Deutsche Bank steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte." Cryan müsse nun die Scherben zusammenkehren, die ihm seine Vorgänger hinterlassen hätten. Kritik äußerte Speich auch am Ausscheiden von Aufsichtsrat Georg Thoma. Der renommierte Jurist war Ende April auf Druck seiner Kollegen zurückgetreten, weil diese ihm öffentlich Übereifer bei der Aufarbeitung von Skandalen vorgeworfen hatten. "Dass solche Dinge auf dem offenen Marktplatz ausgetragen werden, zeigt, wie tief wir in diesem ehrenwerten Haus mittlerweile gesunken sind", kritisierte Klaus Nieding, der Vize-Präsident der Aktionärsvereinigung DSW.
Achleitner tut die Affäre Thoma nach eigenem Bekunden "besonders leid", da beide eine langjährige Freundschaft verbindet. Der Rückzug war aus Sicht des Österreichers aber unvermeidbar. Bei dem Streit sei es "weniger um den Inhalt, als vielmehr um die Form der Prüfhandlugen gegangen. Das Vertrauensverhältnis war derart belastet, dass der Rücktritt von Herrn Thoma schließlich im Interesse des Unternehmens war."
Cryan hat nach der Übernahme des Chefsessels im Sommer 2015 fast den gesamten Vorstand des Geldhauses ausgetauscht. "Wir begrüßen den Neuanfang ausdrücklich", sagte Fondsmanager Andreas Thomae von der Dekabank. Die größten Rechtsstreitigkeiten - etwa Geldwäsche-Vorwürfe in Russland und umstrittene Hypothekengeschäfte in den USA - will das neue Vorstandsteam möglichst noch in diesem Jahr mit Vergleichen aus der Welt zu schaffen. "Bei aller Vorsicht sehe ich uns - was unsere Rechtsstreitigkeiten angeht - allmählich auf der Zielgeraden", sagte Cryan, der seine Rede auf der Hauptversammlung anders als sein Vorgänger Jain auf Deutsch hielt. Wegen der Aufarbeitung der Vergangenheit rechnet er allerdings auch 2016 "noch einmal mit weiteren Belastungen".
Cryan, der nach der Finanzkrise als Finanzchef bereits die Schweizer Großbank UBS umbaute, genießt bei Investoren einen guten Ruf als Sanierer. Einige haben allerdings Zweifel daran, ob der Brite auch noch der Richtige ist, wenn die Bank in einigen Jahren das Gröbste hinter sich hat. "Wenn irgendwann wieder Licht am Ende des Tunnels erkennbar wird, erwarten wir von ihnen auch eigene strategische Impulse zur Weiterentwicklung der Bank", forderte Fondsmanager Speich.
Cryan betonte, er sehe sich nicht ausschließlich als Aufräumer. "Wir, dieses Team hier vorne, werden mit Rückendeckung des Aufsichtsrats die Deutsche Bank wieder auf die Wachstumsstraße bringen." Beim Umbau der Bilanz habe das Geldhaus bereits einen Großteil des Weges hinter sich. "Wir sind besser als unser Ruf. Viel besser sogar!" Der bisherige Co-Chef Fitschen, der nach der Hauptversammlung ausscheidet, will dem Geldhaus weiter verbunden bleiben wird. Der 67-Jährige soll Unternehmenskunden in Europa und Asien beraten und dafür sein über Jahrzehnte aufgebautes Kundennetzwerk nutzen.