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Beim Gedanken daran, eine Rede zu halten, bekommen Sie feuchte Hände? Mit diesen Tipps gelingt der Auftritt. Quelle: imago images

Vergessen Sie alles über Körperhaltung

Verschränkte Arme bedeuten Ablehnung? Quatsch! Statt sich von allen möglichen Körperspracheregeln verunsichern zu lassen, sollten Sie vor Publikum nur eines beachten: Sie selbst zu sein. Das lässt sich lernen.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Theresa May, die in Brexit-Fragen glücklose britische Premierministerin, hat in einem Punkt alles richtig gemacht. Sie hat getanzt. Vermutlich erinnern Sie sich an die etwas hölzern wirkenden Bewegungen während ihrer Afrikareise. Hat sie sich blamiert? Sicher, in den Augen einiger Internet-Spötter hätte sie es sein lassen sollen. Aber irgendjemand erhebt sich immer online. Ich finde, May hat gepunktet.

Wäre sie bei einem Tanzwettbewerb aufgetreten, um allen zu beweisen, was sie drauf hat - wir hätten angesichts ihrer Selbstüberschätzung sicher Fremdscham empfunden. Aber May hat getanzt, um ihren Gastgebern in Afrika die Ehre zu erweisen. Motto: Ich kann es zwar nicht so gut wie ihr, aber ich gebe mir euch zu Liebe Mühe und bin mir dafür nicht zu schade. Ihre verkrampften Tanzbewegungen ließen sie so geradezu unverkrampft unbekümmert wirken.

Dass sie damit letztendlich ungeplant zur Marke geworden ist, zeigte sich nicht nur auf ihrem Parteitag, wo May zu ABBAs Dancing Queen tänzelnd auf die Bühne kam. Das bewies gerade auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, als er zur Erheiterung seines Publikums Mays Tanzbewegungen auf dem Podium fröhlich imitierte.

Das zeigt: May hat an Profil gewonnen - mit einer neuen Facette, die wir nun alle kennen. Sie nimmt sich selbst nicht so ernst. Sympathisch unverstellt. Mit einer für sich genommen unvorteilhaften Körperhaltung beim Tanzen hat sie im Großen und Ganzen enorm gepunktet.

Ich erzähle Ihnen das nicht, weil ich Ihnen raten möchte: Gehen Sie künftig immer ungelenk tanzend aufs Podium, auf die Bühne oder vor die Kameras. Was ich meine: Seien Sie unbekümmert unverstellt. Denn das macht Sie sympathisch. Dadurch hört man Ihnen lieber zu und kauft Ihnen Ihre Botschaft viel eher ab.
Leider lassen sich viele Redner von gut gemeinten Ratschlägen zu Körperhaltung, Sprechtempo und Betonungsweise verunsichern, die sie sich in diversen Ratgeber-Büchern anlesen. Viele dieser Tipps sind sogar schädlich. Denn sie zielen darauf ab, das intuitive Verhalten aufzubohren und durch bewusstes Verhalten zu ersetzen. Ratschläge, die Sie auf der Bühne aber gedanklich binden und einschränken, bringen Sie nur aus dem Konzept.

Mein Lieblingsbeispiel ist der völlig bescheuerte Ratschlag: „Wenn Sie am Rednerpult stehen und sprechen, dann stellen Sie sich vor, Sie halten mit den Pobacken eine Walnuss fest. Dadurch steigt Ihre Körperspannung und Sie nehmen Haltung an.“
Danke! Ein Ratschlag dafür, wie es gelingt zu verspannen - aus Angst, es könnte einem etwas aus der Hose fallen. Horror!

Anderes Beispiel: „Verschränken Sie niemals Ihre Arme vor dem Bauch. Das wirkt verschlossen und abweisend.“
Das kann man so auch nicht sagen. Wenn jemand gerade in einem Gespräch ein für ihn völlig inakzeptables Gehaltsangebot bekommt, das ihn entsetzt, dann wird derjenige vielleicht erschrocken und gekränkt seine Arme verschränken und sagen: „Wie bitte? Nö!“ Dann wirkt es beleidigt und abweisend.
Aber wenn Sie auf der Bühne zwischendurch entspannt Ihre Arme verschränken, langsam von links nach rechts und von rechts nach links wandeln und dabei versonnen eine Anekdote zum Besten geben, dann kommen Sie exakt so rüber: entspannt und versonnen. Wenn Sie in diesem Moment wirklich gerne Ihre Arme verschränken wollen.

Es geht um Authentizität, darum, so zu sein, wie Sie sind. Dann fühlen Sie sich wohl und das merkt man Ihnen an. Okay, dieser Tipp hilft nicht weiter, wenn Sie das Gefühl haben: Wenn ich vor anderen präsentiere, Vorträge halte oder Statements abgebe, dann bin ich nunmal nervös und unsouverän. Nervös und unsouverän bin ich authentisch. Toll! Und jetzt? Dann können Sie daran arbeiten, dass Sie künftig genau dann authentisch sind, wenn Sie entspannt sind. Dazu sollten Sie als erstes erkennen, was Sie nervös macht.
Meiner Erfahrung nach sind Leute dann besonders nervös, wenn sie glauben, dass sie es mit dem Vortragen nicht gut können. Ein guter Freund von mir musste einst vor seiner allerersten Moderation einer Podiumsdiskussion schon Tage vorher verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel nehmen, aus Angst, die Leute würden ihm anmerken, dass er es zum ersten Mal macht und keine Erfahrung hat.

Ich gab ihm damals den Tipp: „Spiel‘ mit offenen Karten. Sag‘ den Leuten direkt zu Anfang, dass es deine Premiere als Moderator ist. Und dass du deshalb besonders gespannt bist auf diesen Abend.“ Der Trick: Dadurch entband er sich von der Fessel, den Leuten den alten Hasen vorzuspielen. Er wurde zum aufrichtigen Gastgeber, dem das Publikum den Erfolg gönnte. Seine Echtheit hatte ihn gerettet. Am Ende der Veranstaltung kamen etliche Zuhörer auf ihn zu und gratulierten ihm zu seiner erfolgreichen Premiere. Zwar brachte er als sich als Anfänger outender Redner weniger Autorität mit auf die Bühne als ein gestandener Routinier. Aber Autorität vorzuspielen, die man noch nicht innehat, hätte ihm womöglich den letzten Nerv geraubt.

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