Elektronische Patientenakte „Bisher haben wir bei Patientendaten nur die Risiken, aber kaum einen Vorteil”

Datenschutz und Datenschatz: Die Digitalisierung der Gesundheitsbranche birgt Chancen für die Forschung und Risiken für den Datenschutz. Quelle: imago images

Die Deutschen sind skeptischer als andere, wenn es um die Nutzung ihrer Gesundheitsdaten geht. Gesundheitspolitiker und Arzt Janosch Dahmen über persönliche Vorteile der Digitalisierung und Chancen für die Forschung. 

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WirtschaftsWoche: Herr Dahmen, Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat seine Digitalisierungsstrategie vorgestellt. Die Nutzung von Gesundheitsdaten sollen künftig eine bessere Versorgung ermöglichen,  Datenschutz gewährleisten und zugleich den gesundheitlichen Datenschatz für die Forschung nutzbar machen. Viele Menschen fürchten um die Sicherheit ihrer persönlichen, oft intimen Angaben. Wie reagieren Sie auf solche Vorbehalte?
Janosch Dahmen: Wir wollen erstmals ein Recht von Patienten schaffen, das sicherstellt, dass alle zu einem Patienten erhobenen Daten einfach digital selbst eingesehen werden können. Diese Daten müssen dann im Sinne der Patienten systematisch und verlässlich in der Versorgung genutzt werden. Sehr viele Gesundheitsdaten werden ja heute schon digital erfasst. Sie liegen aber dezentral etwa bei unterschiedlichen Ärzten, in Kliniken oder der Apotheke, ohne dass der Patient selber Zugriff darauf hat. Jetzt schaffen wir die Voraussetzungen, dass Menschen diese Daten zentral einsehen können und selbst entscheiden, wer wann und wie darauf Zugriff bekommt. Bisher haben wir bei der Datenerhebung alle Risiken, aber kaum einen Vorteil.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Regelmäßig bekommen Menschen mehrere Medikamente von verschiedenen Ärzten, die untereinander nicht verträglich sind. Die Patienten denken, alles richtig zu machen, es kommt aber immer wieder zu gefährlichen Wechselwirkungen. Oder jemand kommt beispielsweise nach einem Unfall in eine Notaufnahme. Dann weiß dort bisher niemand, dass er vielleicht blutverdünnende Mittel nimmt oder eine seltene Allergie hat, die eine sofortige Operation oder Narkose besonders gefährlich machen.

Zur Person

Trotzdem: Wie soll eine falsche oder missbräuchliche Nutzung der Daten verhindert werden?
Wir brauchen zweierlei: die technischen Voraussetzungen und passende Gesetze. Es muss immer klar sichtbar sein, wann jemand auf welche Daten zugegriffen hat. Wir brauchen auch Gesetze, die harte Strafen bei unzulässigen Zugriffen vorsehen. Dänemark und Estland haben gute Erfahrungen und sind in beiden Bereichen weit voraus. Wenn dort jemand, der Zugriff auf Daten hat, diese aber missbraucht, dann ist das erkennbar. Dann ist nicht nur die berufliche Zulassung in Gefahr, dann sind auch harte Strafen bis hin zu Gefängnis vorgesehen.

Lebensversicherungen oder private Krankenversicherungen haben ein Interesse, möglichst Genaues zum Gesundheitszustand von potenziellen Versicherten zu erfahren. Sollen diese die Daten abfragen können?
Wir müssen klare Regeln schaffen, zu welchem Zweck und wann Daten verwendet werden dürfen. Geklärt werden muss auch explizit, wer keinen Zugriff auf Daten hat oder was mit ihnen nicht angestellt werden darf. Es muss immer darum gehen, ob die Patienten selbst Vorteile haben oder aber ob dies im besonderen Interesse des Gemeinwohl liegt – und nicht ob einzelne Akteure davon beispielsweise finanzielle Vorteile hätten. Eine Nutzung der Daten zur Risikoselektion durch Krankenkassen oder Arbeitgeber beispielsweise muss untersagt werden.

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Wie steht es um die Nutzung der Gesundheitsdaten in der Medizin- oder Pharmaforschung?
Die Versorgung kann sicherer und besser werden, wenn diese Daten unter bestimmten Voraussetzungen der dem Gemeinwohl dienlichen Wissenschaft zugänglich gemacht werden. Sie müssten pseudonymisiert sein, dürfen also nicht mit dem Namen oder andere identifizierbare Daten einer Person verbunden sein. Die Forschung an Krebstherapien ist beispielsweise im Interesse der gesamten Bevölkerung. Sie kann auch wiederum konkret jenen helfen, deren Daten verschlüsselt in die Forschung geflossen sind, etwa durch Hinweise auf neue Entwicklungen in Diagnostik und Therapie.

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