Städteranking 2019 Wie ausgerechnet Fürth zum großen Gewinner wurde

Vor zehn Jahren ging mit Quelle der größte Arbeitgeber Fürths pleite – es drohte das Schicksal vieler kriselnder Ruhrgebietsstädte. Doch nun steht die Stadt auf Platz 3 des Dynamikrankings im WiWo-Städteranking. Quelle: imago images

Im diesjährigen Städteranking zählt Fürth zu den großen Gewinnern. In der fränkischen Stadt hätte damit nach der Insolvenz von Quelle vor zehn Jahren kaum jemand gerechnet. Was andere Städte von Fürth lernen können.

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Vor zehn Jahren hätte Maike Müller-Klier wohl nicht so zufrieden und gleichzeitig zuversichtlich über den Zustand des Standorts Fürth gesprochen. Immerhin sei die Ausgangslage der Stadt damals „nicht gerade optimal“ gewesen. Doch Fürth habe sich „überraschend gut entwickelt“, sagt die Leiterin der Industrie- und Handelskammer-Geschäftsstelle vor Ort. Schon damals, als im Juni 2009 mit dem Versandhaus Quelle das Fürther Unternehmen schlechthin Insolvenz einreichen musste und später abgewickelt wurde, arbeitete Müller-Klier für die IHK und hat diesen Einschnitt miterlebt.

Als Sitz von Quelle traf es Fürth besonders hart: Das Traditionsunternehmen – 1927 von Gustav Schickedanz in Fürth gegründet – war der größte Arbeitgeber der Stadt. In der Region verloren 4000 Menschen durch die Pleite ihren Job. Und das Versandhaus war damals kein Einzelfall. Schon Grundig – 1930 ebenfalls in Fürth gegründet – musste im Jahr 2003 Insolvenz anmelden. Nicht weniger meint Müller-Klier, wenn sie von der „nicht gerade optimalen Ausgangslage“ spricht.

Und trotzdem schafft es Fürth im diesjährigen Städteranking der WirtschaftsWoche auf Spitzenpositionen. Im Dynamikranking, das die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre analysiert, liegt Fürth auf dem dritten Rang – vor 68 anderen deutschen Großstädten. Bei der Beschäftigung von älteren Menschen und Frauen, der Arbeitsplatzversorgung und Patenten steht die Stadt mittlerweile prächtig dar. Und kann als Vorbild für andere Städte im Städteranking herhalten, die den Strukturwandel in ihren Regionen seit Jahrzehnten nicht meistern. Doch alleine hat Fürth das auch nicht geschafft.

Familienunternehmen treiben den Fortschritt

Bei der „Beschäftigungsquote Älterer“ liegt Fürth im Dynamikranking ganz vorne. Im Niveauranking, das die derzeitige Situation untersucht, immerhin auf dem sechsten Platz. Maike Müller-Klier von der IHK würde die hohe Beschäftigungsquote älterer Menschen unter anderem mit „den inhabergeführten Mittelständlern erklären, die einen großen Teil der Unternehmen in der Region Fürths ausmachen.“ Im Gegensatz zu Großkonzernen, „die sich durchaus einmal mit Frühverrentungen verschlanken“, so Müller-Klier, sei es bei Familienunternehmen Teil der unternehmerischen Verantwortung, „Mitarbeiter auch bis ins höhere Alter zu halten.“

Eines dieser Unternehmen ist etwa Leonhard Kurz: 1899 geründet, mehr als 30 Standorte weltweit, insgesamt 5600 Mitarbeiter – 1568 davon am Stammsitz in Fürth. Kurz ist ein Unternehmen der sogenannten Dünnschichttechnologie. Währungen von über 80 Ländern wurden und werden zum Beispiel mit KURZ-Folie gegen Fälschungen gesichert. Außerdem zählt Kurz etwa zu den führenden Lieferanten von Sicherheitstechnologien und Komponenten für Kreditkarten, Zahlkarten, Kundenkarten, Treuekarten oder Prepaid-Karten sowie Personalausweise oder Führerscheine. Das Unternehmen ist Weltmarktführer bei Anlagen für Heißpräge- und Beschichtungstechnologie, wie aus der großen Weltmarktführer-Liste der WirtschaftsWoche hervorgeht.

„Wir haben bei Kurz wenig Fluktuation und entsprechend viele ältere Mitarbeiter“, sagt Walter Kurz, Vorstand des Familienunternehmens. Aktuell seien etwa 21 Prozent der Beschäftigten älter als 55 Jahre. „Es ist uns eine Freude, wie viele 25- oder 40-jährige Jubiläen wir mit Mitarbeitern feiern dürfen. Wir haben viele Teams aus jungen und älteren Mitarbeitern.“ Hier würden neue Ideen und frische Ausbildungen auf langjährige Erfahrung und gewachsenes Know-how treffen, berichtet Kurz.

Die Beschäftigungsrate von Frauen ist in Fürth ebenfalls besonders hoch. Hier liegt die Stadt im Niveauranking auf dem vierten und im Dynamikranking auf dem sechsten Platz. „Ob im Bereich Marketing, Vertrieb, Entwicklung, Personal oder IT - zentrale Fach- und Führungsaufgaben werden bei Kurz von Frauen und Männern gleichermaßen wahrgenommen“, sagt Walter Kurz. Speziell für ein Unternehmen mit großem Produktionsbereich sei der Frauenanteil von circa 32 Prozent als hoch einzuschätzen, so Kurz. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 lag der Frauenanteil in der Kunststoff- und Holzherstellung und -verarbeitung bei 15,5 Prozent. In der Maschinen- und Fahrzeugtechnik sogar nur bei 10,2 Prozent. „Besonders freut es uns, dass wir auch in technischen Berufen vermehrt hochqualifizierte Frauen für uns gewinnen können“, kommentiert Kurz.

Daran dürfte auch das „Fürther Bündnis für Familien“ seinen Anteil haben. Es vereint kommunale Einrichtungen und Unternehmen. Warum es das braucht? „Ein Bündnis für Familien bringt Gewinn für Familien, Unternehmen und Kommune“, heißt es auf der Webseite. Durch Beratungsangebote oder eine Ferienbetreuung soll es gelingen, „Familie und Erwerbsarbeit besser unter einen Hut“ zu bringen. Die Ferienbetreuung mache besonders, „dass Fürther Firmen wie Uvex, Kurz, Tucher Bräu, Siemens, Vertbaudet, Klinikum oder KJHZ die halben Betreuungskosten übernehmen und so ihren Mitarbeitern mit Kindern eine leicht bezahlbare und hochqualifizierte Betreuung ermöglichen“.

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