Die Separatisten in Katalonien haben ihre absolute Mehrheit im Parlament verteidigt. Nach Auszählung fast aller Stimmen können die Parteien 70 der insgesamt 135 Abgeordneten stellen – bei einer sehr hohen Wahlbeteiligung von fast 82 Prozent. Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont feierte das Ergebnis in Brüssel, wo er sich aktuell aufhält, um einer Verhaftung in Spanien zu entgehen. Als Gewinner der Wahl fühlte sich auch Inés Arrimadas von der liberalen Partei Ciudadanos, weil er die meisten Sitze auf sich vereinigen konnte (37).
Für den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ist das Wahlergebnis in jedem Fall ein herber Rückschlag. Zudem gehen Experten davon aus, dass die Regierungsbildung in Katalonien kompliziert wird. „Dass sich die drei für eine Unabhängigkeit eintretenden Parteien einigen, gilt als schwierig“, schreiben die Volkswirte der BayernLB in einem Statement. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Ralph Solveen von der Commerzbank.
Für die Unternehmer Kataloniens bedeutet das Wahlergebnis, dass die Zeit der Ungewissheit andauert. Wegen der unklaren Zukunftsaussichten Kataloniens scheuen viele Unternehmen aktuell Investitionen. Solveen betont zwar, dass „das Thema Unabhängigkeit Kataloniens erst einmal nicht mehr akut“ sei, weist aber auch darauf hin, dass sich eine Belastung der spanischen Anleihen daraus ergeben könne, „wenn die anhaltende politische Unsicherheit die katalanische Wirtschaft weiter schwächen und damit auch das Wachstum Spaniens bremsen würde“.
Nach Berechnungen der Research-Abteilung der spanischen Großbank BBVA hat der Hängezustand die Region bereits mindestens 20 Prozent des Wachstums gekostet.
„Investitionen im Volumen von 70 bis 100 Millionen Euro liegen derzeit auf Eis“, sagte Albert Peters, Vorsitzender des Kreises deutschsprachiger Führungskräfte in Spanien, der WirtschaftsWoche bereits vor der Wahl. Er schätzt, dass die Unruhe die nächsten zehn bis 15 Jahre anhalten wird.
Kataloniens Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland
Etwa 1300 deutsche Firmen sind in Spanien aktiv, davon sind etwa 40 Prozent in Katalonien ansässig. Sie kommen besonders aus den großen Industriebranchen Chemie, Pharma und Auto. Zu den Unternehmen zählen unter anderem Allianz, BASF, Bayer, Bosch, Haribo, Siemens, Lidl und Volkswagen. Mehr als 400 katalanische Betriebe sind in Deutschland vertreten, vom Sekterzeuger Freixenet bis zum Tourismuskonzern Grupo Hotusa.
Deutschland ist neben dem benachbarten Frankreich der wichtigste Handelspartner Kataloniens. 18,3 Prozent der katalanischen Importe stammten 2015 aus Deutschland. Sie summierten sich auf fast 14 Milliarden Euro. Aus keinem anderen Land bezieht die Region mehr Waren. Gefragt sind vor allem Fahrzeuge mit einem Anteil von 34,6 Prozent an den deutschen Lieferungen nach Katalonien, gefolgt von Maschinen und Anlagen mit rund zehn Prozent.
Umgekehrt gehen rund zwölf Prozent der katalanischen Exporte nach Deutschland, was einem Warenwert von mehr als 7,5 Milliarden Euro entspricht. Nur Frankreich nimmt noch mehr Waren ab. Die Region liefert vor allem Fahrzeuge (39 Prozent), Geräte und Elektromaterial (6,5) sowie Kunststoffprodukte (6,3) nach Deutschland. Rund 2700 katalanische Unternehmen exportieren regelmäßig in die Bundesrepublik.
Deutsche Unternehmen haben Milliarden in Katalonien investiert. Allein 2013 waren es fast 900 Millionen Euro, die vor allem auf den Pharmasektor entfielen. 2014 kamen gut 200 Millionen Euro hinzu. 2015 waren es mehr als eine halbe Milliarden Euro, wovon fast ein Drittel auf den Lebensmitteleinzelhandel und mehr als 16 Prozent auf die Chemieindustrie entfielen.
Katalonien mit seinen 7,5 Millionen Einwohnern erwirtschaftet rund 200 Milliarden Euro. Das entspricht etwas einem Fünftel des spanischen Bruttoinlandsprodukts. Das Wachstum fiel 2015 und 2016 mit etwa 3,4 Prozent etwas stärker aus als in Spanien insgesamt. Allein Barcelona zählt mehr als 1200 Startup-Unternehmen.
Auch aufgrund dieser Aussicht haben bereits 3000 katalanische Unternehmen ihren Firmensitz verlegt – viele nach Madrid und Valencia. Darunter Energieversorger, Großbanken, Mittelständler. Selbst wenn die Unternehmen nur zehn Mitarbeiter zusammen mit dem Sitz verlagerten und die operativen Einheiten in Katalonien verweilen, sei das ein Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen für die Region, rechnet Peters vor.
„Dauert die Verfassungskrise an, könnte dies die katalanische Wirtschaft zunehmend belasten und sich letztendlich auch auf die spanische Wirtschaft und die öffentlichen Finanzen auswirken“, warnt die kanadische Ratingagentur DBRS in einem Briefing zu den Wahlen. DBRS gehört neben Moody's, S&P und Fitch zu den vier großen Ratingagenturen der Welt. DBRS rechnete zwar im Vorfeld der Wahlen nicht mit einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung – unabhängig vom Wahlausgang. Im Falle eines Wahlsieges der Separatisten wäre es aber möglich, so die Ratingagentur, dass eine politische Krise auf Landesebene ausgelöst und vorgezogene Neuwahlen in Madrid erzwungen werden.