Berlin intern

Voller Beutel beim Zapfenstreich

Henning Krumrey Ehem. Redakteur

Ex-Präsident Walter Scheel fordert von Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger Christian Wulff Verzicht auf die Pension. Dabei weiß der Altmeister: Kasse macht sinnlich.

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Christian Wulff zu Gast bei Freunden
Christian Wulff zu Gast bei FreundenGeschenkte Urlaube, vergünstigte Flüge, Hotelübernachtungen, die von Freunden bezahlt wurden. Die Liste der Vorteilsnahmen von Christian Wulff wurde immer länger. Und mit jeder neuen Enthüllung erhärtete sich der Verdacht, der Bundespräsident nutze seine Position für persönliche Belange. Wulffs Gönner im Überblick. Quelle: dapd
Edith und Egon Geerkens2003 und 2004 waren die Wulffs jeweils einmal zu Gast bei Edith und Egon Geerkens auf deren Anwesen in Spanien. Egon Geerkens gilt als väterlicher Freund von Christian Wulff. Der gelernte Elektriker aus Osnabrück handelte erfolgreich mit teuren Oldtimern, bevor er ins Schmuckgeschäft einstieg und einen erfolgreichen Juwelierladen aufbaute. Sein Vermögen stammt allerdings maßgeblich aus Immobilien-Geschäften. Seine Frau Edith arbeitete vor der Hochzeit als Angestellte in seinem Schmuckgeschäft. Von ihr soll Wulff den Hauskredit über eine halbe Million Euro erhalten haben. Quelle: dpa
David GroenewoldIm Herbst 2007 verbrachte das Ehepaar Wulff einige Tage im Fünf-Sterne-Hotel „Stadt Hamburg“ in Westerland auf Sylt, zusammen mit dem Filmproduzenten David Groenewold, der den Wulffs die Tür in die Welt der Filmgalas und Partys öffnete. Groenewold bezahlte die Rechnung für den Hotelaufenthalt. Wulff weist den Vorwurf der Vorteilsnahme zurück. Über seinen Anwalt lässt er verbreiten, Groenewold habe zwar gebucht und zunächst bezahlt, Wulff habe seinem Freund die Kosten aber umgehend erstattet.
Wolf-Dieter Baumgartl2008 verbrachten Christian Wulff und seine Frau Bettina einige Tage in den Privaträumen von Wolf-Dieter Baumgartl und seiner Frau Ingrid in Italien. Der studierte Jurist war jahrelang Spitzenmanager bei deutschen Versicherungen und ist heute Aufsichtsratschef der Talanx-Gruppe. Er gilt als Genießer. Auf seinem Anwesen bei Livorno frönt er italienischen Weinen und französischen Zigaretten. In seiner Freizeit fährt er gerne Harley-Davidson. Quelle: dapd
David GroenewoldDer Filmproduzent taucht noch häufiger als Gönner von Christian Wulff auf. Bei einem weiteren Urlaub auf Sylt soll die die Hotel-Rechnung ähnlich wie 2007 bezahlt worden sein. Pikant ist auch ein Fall aus dem September 2008. Während ihres Besuchs auf dem Münchner Oktoberfest nächtigte Familie Wulff im Fünf-Sterne-Hotel "Bayerischer Hof". Wulff bezahlte zwar die Rechnung, das Upgrade für die Hotel-Suite im Wert von 400 Euro übernahm aber ebenfalls Groenewold. Wulff will von dem Upgrade nichts gewusst haben. Quelle: dapd
Angela Solaro und Volker MeyerIn den Jahren 2008 und 2009 besuchten die Wulffs das befreundete Ehepaar Angela Solaro und Volker Meyer auf der Nordseeinsel Norderney. Das Ehepaar besitzt dort ein bekanntes Geschäft für Süßwarenspezialitäten und Spirituosen und betreibt mehrere Strandläden. Quelle: dpa
Edith und Egon GeerkensSilvester 2009/2010 verbrachten die Wulffs wieder bei Edith und Egon Geerkens. Diesmal flogen sie in die USA, wo das Ehepaar ebenfalls ein Haus besitzt. Quelle: dpa

Ehrensold, da kennt Walter Scheel sich aus. Schließlich ist er der längst kassierende BuPrä a. D. 1974 gewählt, fehlte für eine zweite Amtszeit die Mehrheit. Seitdem hat der Liberale in 33 Jahren – nach heutigem Tarif hochgerechnet – über 6,5 Millionen Euro Pension kassiert. Plus Sekretärin, Referent, Fahrer und Büro, versteht sich. Dass er Christian Wulff die Apanage nicht gönnt, ist verwunderlich. Schließlich schien er selbst in der Vergangenheit mit den 199 000 Euro pro Jahr nicht auszukommen. So reichten die eigenen Mittel für die Hochzeit mit seiner dritten Frau Barbara 1988 offenbar nicht. Scheel ging Freunde und Bekannte um Unterstützung an.

So bettelte er beim Generalbevollmächtigten des MoëtHennessy-Schampuskonzerns, Henri François-Poncet, dem Sohn des früheren französischen Botschafters in Bonn, er möge die Party flüssig machen. François-Poncet verstand das anfangs nicht ganz richtig und bot 100 Flaschen Moët & Chandon an. Doch Scheel beharrte nicht nur auf dem noch nobleren Dom Perignon, sondern verlangte auch Bares (20.000 Mark), um das Drumherum zu finanzieren. Das zwölfgängige Hochzeitsmenü (unter anderem Hummer-Ragout und Safranrisotto mit Blattgold) spendierten zwölf Sterneköche, den Wein steuerte ein befreundeter Konzertagent bei (kein Filmmanager!).

Der graue Wulff

Elegant sparte das Ehepaar Scheel auch 2009 beim Umzug aus Berlin in den Breisgau. Was nicht mehr gebraucht wurde, vermachten die Cleverles der FDP als Grundstock für das „Walter-Scheel-Zentrum“ – zwei Hinterzimmer im Thomas-Dehler-Haus. Ablehnen konnte die Partei die raffinierte Gabe ihres Ehrenvorsitzenden nicht. Gleich am Eingang hängen historische Fotos – Scheel mit der Queen, Scheel mit dem Fotomodell Nadja Auermann. Schließlich war der Ex-Präsident dem Glamour genauso wenig abgeneigt wie Wulff, beehrte beispielsweise die Verleihung des „Kneipen-Oscar“ mit seiner Anwesenheit. Dann schweift der Blick über das Geweih eines kapitalen 14-Enders, und man weiß nicht genau, ob der Ex-Präsident diesen Bock geschossen hat oder ob es sich um eine Hommage handelt an Burkhard Hirsch, einen anderen Urliberalen.

Geringe Ausbeute

Schreibtisch, Bücherschrank und etliche Regale im Stil der Siebzigerjahre brachte das Umzugsunternehmen aus der aufzulösenden Scheel-Wohnung – und natürlich die umfangreiche Bibliothek. Leider keine wertvollen Folianten und historischen Dokumente, sondern vor allem ein ungeordnetes Sammelsurium aus dem durchschnittlichen Wohnzimmerschrank – bloß en masse. Sicher, auch die in Leder gebundenen Sitzungsprotokolle des Bundestages sind dabei, vor allem aber meterweise Kunstbände und Werke, die über die Hobbys des Besitzers erzählen: vom „Golfführer ’87“ über den „ADAC Straßen- und Städteatlas 2005/2006“ und „Alles über Wein“ bis zu „Dr. Oetkers Vollwertkost“. Die „Kleine Geographie des deutschen Witzes“ steht direkt neben dem „Programm der Liberalen“.

Auf dem Schreibtisch liegt ein ramponiertes Fotoalbum vom Katerfrühstück nach dem „Presse- und Funkball 1977“ in Berlin. Aufschrift: „Besiegeln wir’s mit Kindl-Pils“. Hinter dem Schreibtisch schließlich ganz besondere Kleinodien: ein öliger Scheel auf Leinwand und seine alte Golftasche; daran festgeknotet: ein Beutel mit den ausrangierten Golfschuhen. Die Räume des Walter-Scheel-Zentrums kann man übrigens mieten, für Veranstaltungen. Das Geld geht – nein, nicht ins Breisgau. Das bekommt eine Immobiliengesellschaft, an der die FDP beteiligt ist.

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