Abwärme Münchner Startup macht aus Fabriken riesige Stromquelle

Das Startup Orcan Energy verwandelt die Fabriken in Kraftwerke - zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis.

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Die Verschwendung von wertvollen Ressourcen begegnet uns beinahe überall. Manchmal ist sie auffällig, manchmal ist sie das nicht - wie im Fall der Abwärme bei Industrieprozessen. So gehen rund 40 Prozent der Wärmeenergie bei der Herstellung von Baustoffen in Zementwerken verloren. 30 Prozent sind es in der Eisen- und Stahlindustrie. Nur in Ausnahmefällen lässt sich die Abwärme zum Heizen und zur Warmwasserbereitung nutzen.

Was also tun mit der Hitze? Sie in Strom umzuwandeln, war bisher meist unwirtschaftlich - aber das ändert sich gerade. Denn das Startup Orcan Energy, eine Ausgründung aus der Technischen Universität München, meint eine Lösung gefunden zu haben.

Orcan hat ein Gerät mit dem Namen ePack entwickelt, das aus Abfallwärme von Industrieprozessen Strom produziert, und das zu einem sensationell niedrigen Preis. Derzeit liegt er bei sechs Cent pro Kilowattstunde. Das ist etwa so viel wie Kohle- oder Atomstrom kostet.  „Wir haben noch Luft nach unten“, verspricht Orcan-Geschäftsführer Andreas Sichert.

Allein in Deutschland lässt sich ein Abwärmepotenzial von rund 100 Milliarden Kilowattstunden nutzen, hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg vor drei Jahren ermittelt. Diese Menge entspricht etwa 20 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland! Da es bei jeder Energieumwandlung aber Verluste gibt, kann nur ein Teil davon tatsächlich genutzt werden - dennoch ist das Potenzial der Technologie gigantisch.

Fabriken werden zu KraftwerkenDas ePack hat eine Leistung von 20 Kilowatt, sodass auch kleine Abwärmequellen mit einem Temperaturniveau von 100 Grad Celsius und mehr genutzt werden können. Die übliche Methode, Wasser in Dampf umzuwandeln, der dann einen Turbogenerator zur Stromerzeugung  antreibt, versagt bei derart niedrigen Temperaturen. Nötig wären weit mehr als 500 Grad Celsius. Dabei wird die Wärme, die zum Beispiel eine Pressmaschine oder ein Motor produziert, mit einem Rohr abgeführt.

Mit dem sogenannten Organic Rankine Cycle (ORC) lassen sich auch niedrigere Temperaturen nutzen, etwa die Energie, die in der Erde steckt. Statt Wasser wird in diesem Prozess eine organische Flüssigkeit eingesetzt, die bereits bei einer Temperatur von weit weniger als 100 Grad verdampft. Dieser Dampf treibt einen Turbogenerator an. Es gibt bereits zahlreiche ORC-Kraftwerke. Doch die lassen sich nur halbwegs wirtschaftlich betreiben, wenn sie eine Leistung von mehr als einigen 100 Kilowatt haben, sie sind also nur für große Abwärmeströme geeignet.

Und: ORC-Kraftwerke gibt es bisher nicht von der Stange. Für jede Anwendung werden sie neu designed. Anders das ePack. Das Kleinkraftwerk, das einem etwas zu groß geratenen Heizkessel ähnelt, wie er in Einfamilien-Häusern steht, wird in Serie hergestellt. Daher ergeben sich moderate Herstellungskosten. Wie teuer ein Gerät ist, will Sichert  „einer breiten Öffentlichkeit“ allerdings nicht verraten.

Bisher sind rund ein Dutzend Geräte in Betrieb, eins davon in einem Biogaskraftwerk. Dort wandelt er die Abwärme der Motoren, die den Generator antreiben, in Strom um. Da stets Wärme genutzt wird, die sonst an die Umwelt abgegeben wird, ist diese Art der Stromerzeugung CO2-frei. Zudem wird niemals Überschussstrom erzeugt, wie es bei Wind- und Solargeneratoren häufig vorkommt. Denn wenn Wärme produziert wird, braucht die Fabrik, die sie nutzt, auch Strom.

Orcan Energy wurde 2011 gegründet. Die Anfangsfinanzierung sicherten die Investoren Kleiner Perkins Caufield &Byers und Wellington Partners. Jetzt stieg noch der Düsseldorfer Stromriese E.On ein, um die Vision von Orcan Energy schneller Wirklichkeit werden zu lassen:  „Die ePacks sollen künftig in der dezentralen Energieerzeugung, in der Industrie und im Verkehr zu finden sein und ihren Beitrag zur nachhaltigen Stromversorgung leisten“, heißt es aus Düsseldorf.

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