Die Zahlenfrau
Quelle: imago images

Hört endlich auf, so zu tun, als seien berufstätige Frauen exotisch

Frauenfragen sind Fragen, die auf unangenehme Art den Eindruck vermitteln, dass weiblicher Erfolg etwas Exotisches sei. Können wir bitte endlich damit aufhören? Eine Kolumne.

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„Wie schaffen Sie es, Familie und Unternehmensführung unter einen Hut zu bekommen?“, „Wie begegnet man Ihnen als weibliche Führungskraft?“, „Warum ist es so wichtig, dass es in der Fintech-Branche Frauen generell und Frauen in Führungspositionen gibt?“ Diese und ähnliche Fragen werden mir und vielen anderen Branchenvertreterinnen immer wieder gestellt. Und ja, wir beantworten sie zähneknirschend auch immer wieder. Ich nenne sie „Frauenfragen“ und empfinde diese Herangehensweise inzwischen zugegebenermaßen vor allem als nervig.

Frauenfragen sind Fragen, die auf unangenehme Art den Eindruck vermitteln, dass weiblicher Erfolg (am besten noch mit Kindern!) etwas Exotisches sei. Während ich ihre Beantwortung am Anfang meiner Karriere noch als einen Teil der Aufklärungsarbeit und Schritt in die richtige Richtung betrachtete, überwog schon bald der bittere Beigeschmack: Je länger Frauenfragen die Besonderheit weiblicher Erfolgsgeschichten herausstellen, desto länger werden diese eben nicht als normal angesehen.

Frauenfragen an FinTech-Männer

Um auf die Absurdität dieser Perspektive hinzuweisen, drehte ich 2018 einige dieser klassischen Fragen um. Unter dem Titel „Frauenfragen an Fintech-Männer – Denken Sie als männlicher CEO oft: ‚Das schaffe ich nie‘?“ kuratierte ich einige der Antworten meiner männlichen Branchenkollegen und traf damit einen Nerv. „Warum ist es wichtig, dass es Männer in Führungspositionen gibt?“ oder „Was ist die ärgerlichste Frage, die Ihnen als berufstätiger Vater gestellt wurde?„.

Die Fragen, die Frauen mit Selbstverständlichkeit entgegengebracht werden, lösten bei Männern teilweise durchaus Irritation aus. Der eigentliche Punkt ist jedoch ein anderer: Fünf Jahre später werden uns immer noch die immer gleichen Fragen gestellt. „Warum gründen so wenige Frauen?“, „Warum gibt es so wenige Frauen in der Finanzwelt?“

Pünktlich zum internationalen Frauentag kam ich darum nicht umhin, mich zu fragen: Sind erfolgreiche Frauen, besonders in der Finanzbranche, wirklich noch die Ausnahme?

Wann hat Ihnen das letzte Mal eine Frau die Welt erklärt?

Mit diesem Gedanken hat sich auch eine meiner langjährigen Sparringspartnerinnen Christina Richter beschäftigt. Sie ist Geschäftsführerin des Personal Branding Instituts und hat eine klare Meinung: „Es fehlt nicht an erfolgreichen Frauen, sondern an deren Sichtbarkeit.“ Diese unterliege verschiedenen Verzerrungen: Einerseits würden viele Frauen dazu neigen, ihr Licht allzu häufig unter den Scheffel zu stellen.

Andererseits führe dies dazu, dass männliche Experten leichter zu finden seien – und oft eher zusagten, wenn ihre Meinung gefragt werde. Sicherlich befinden sich viele Branchen, und dazu gehört auch der FinTech-Bereich, noch in einer Entwicklung hin zur tatsächlichen Gleichverteilung der Geschlechter.

Fränzi Kühne hat mit Managern und Politikern über Fragen gesprochen, denen sich sonst immer nur Frauen stellen müssen – mit verblüffenden Ergebnissen.
von Varinia Bernau

Doch eine andere Entwicklung muss parallel stattfinden: Die Expertinnen, die bereits zuhauf beweisen, dass Karriere nicht männlich ist, dass Männerdomänen längst aufgebrochen werden, dass die Verbindung von Familie und Beruf keine Frauenaufgabe ist, … müssen an Sichtbarkeit gewinnen. Und den Großteil dieser Sichtbarkeit, da ist sich Christina Richter sicher, liegt in unseren eigenen Händen.

In ihrem Buch „Sichtbare Frauen“, das am Weltfrauentag am Mittwoch im Campus Verlag erscheint, widmet sie sich dem Thema und leitet Schritt für Schritt den Weg zur eigenen Personal Brand an. Diese ist ihres Erachtens nach ein kraftvolles Tool.

Einer der Kernpunkte ist das Ergründen des eigenen Herzensthemas und die Ableitung einer klaren Mission. Wer sich als Expertin eindeutig positioniert, wird früher oder später für genau diese Themen nachgefragt – und kann so Impact für die eigene Karriere sowie für die eigentliche Mission schaffen.

Nachhaltiges Personal Branding

Meine persönlichen Kernthemen sind Gründertum, Start-ups und FinTech. Diese bespiele ich gewissenhaft, statt bei Trendthemen aufzuspringen. Die Wahrscheinlichkeit, nach der eigenen Meinung gefragt und zum Beispiel als Speakerin auf Panels eingeladen zu werden, erhöht sich mit Tiefenwissen statt eines breiten Spektrums.

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von Jannik Deters

Personal Branding-Expertin Christina Richter priorisiert die Identifizierung der eigenen Mission darum höher als alle anderen Branding-Aktivitäten. Denn die meisten Menschen scheitern auf dem Weg zur Sichtbarkeit nicht an mangelnder Expertise, Netzwerk oder Durchhaltevermögen, sondern am fehlenden Fokus.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Personal Brand empfiehlt die Autorin folgende Grundüberlegungen:

  • Markenvision: Wenn Ihr Name der Inbegriff eines Themas wäre – welches Thema wäre das?
  • Markenauftrag: Welches Ziel möchten Sie mit Ihrer Personal Brand erreichen?
  • Markenbotschaft: Welche Schlüsselbotschaft möchten Sie vermitteln?
  • Markenpersönlichkeit: Welche Anteile Ihrer Persönlichkeit möchten Sie in Ihre Marke einweben?

Steht die Personal Brand-DNA, wie Christina Richter die Summe dieser Grundbausteine nennt, einmal, fällt es sehr leichter, diese Nische zu adressieren. Wer beispielsweise LinkedIn als soziales Karrierenetzwerk nutzt, kann nun echten Mehrwert und die eigene Meinung vertreten und mit einem eingegrenzten Zielpublikum in den Austausch treten.

Sichtbare Frauen und die, die es werden wollen

Neben der Praxisanleitung zum Personal Branding hat Christina Richter dem Titel ihres Buches alle Ehre erwiesen und zwanzig „Sichtbare Frauen“ verschiedener Branchen und Karrierelevel interviewt. Sie spricht mit ihnen über ihre eigenen Geschichten, ihre Methoden, Stolpersteine und Mehrwerte von Personal Branding oder das Gefühl, in der Öffentlichkeit zu stehen. Auch ich bin als Gesprächspartnerin im Buch dabei.

Und genau dieser Anteil im Buch ist es auch, der mich zuversichtlich stimmt. Es gibt sie, die Frauen, die schon längst mit wehenden Flaggen da draußen sind. Auch in der Finanzbranche. Man schaue auf das Digital Finance Forum, in dessen Rahmen sich das Bundesfinanzministerium mit Expertinnen und Experten des digitalen Finanzmarkts austauscht. Ich selbst darf Teil davon sein und schätze die Diversität der Runde. Carolin Gabor, Lea Frank, Aiga Senftleben, Delia König und Katharina Gehra sind nur einige der Frauen im DFF und jede von ihnen beweist, dass wir die Weiblichkeit der Finanzbranche nicht mehr hinterfragen, sondern einfach nutzen müssen.

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Erfolgreiche Frauen sind keine Ausnahme und viele sind längst sichtbar. Trotzdem brauchen wir noch viele weitere Frauen, die ihre Geschichten zeigen und ihre Expertise nach außen transportieren. Aber was wir wirklich nicht mehr brauchen, sind Frauenfragen.

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