




Marion Asante muss nicht lange nach dem Wort suchen, nach dem einen Begriff, der beschreibt, was sie empfindet. Was sie fühlt, wenn sie morgens gegen halb fünf, fünf ihr Bett verlässt, frühstückt und in ihr neues Leben aufbricht. Ist sie zufrieden, vielleicht sogar glücklich? Für die Antwort braucht sie keine Sekunde.
„Das hier“, schießt es aus ihr heraus, „ist der Jackpot.“
Asante hatte gehofft, dass dieser Tag noch einmal kommen würde, irgendwo und irgendwie. Aber leicht ist es ihr nicht gefallen, diese Hoffnung zu erhalten, im Gegenteil, es war hart, hammerhart. Wer den Glauben an sich selbst verliert, der findet auch niemanden mehr, der an einen glauben könnte.
Ja, so ein Gedanke hilft zwar, aber auch dessen Kraft verblasst mit der Zeit. Bei Asante wurden aus Monaten ein Jahr, und dann gaben sich die Jahre einfach nur noch grußlos die Klinke in die Hand. Plötzlich waren es fünf, am Ende fast zehn.
Aus diesen Gründen bekommt nicht jeder Arbeitslose auch Geld
Nicht jeder, der seinen Job verliert, hat auch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das entscheidende Schlagwort ist hier die Anwartschaftszeit, also wie lange jemand gearbeitet hat, bevor er Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen möchte/muss. Die Regelanwartschaftszeit hat erfüllt, wer in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
Wer zwar gearbeitet hat, aber nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, hat ebenfalls keinen Anspruch. Wer sich also schwarz etwas nebenher verdient hat, kann das nicht als reguläre Beschäftigung geltend machen.
Die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs beträgt sechs bis 24 Monate. Sie ist abhängig vom Lebensalter und der Dauer der vorherigen Versicherungspflichtverhältnisse (§ 147 Abs. 2 SGB III). Danach gilt der Anspruch auf Arbeitslosengeld als aufgebraucht, bis die vorangegangenen Bedingungen wieder erfüllt sind. Wer also zum Beispiel nach einem Jahr keinen neuen Job hat, kann das Arbeitslosengeld I nicht neu beantragen, sondern bekommt Arbeitslosengeld II.
Das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ist einkommensabhängig (§ 9 Abs. 1 SGB II). Menschen, deren Partner beziehungsweise Partnerin ausreichend verdienen, um die Existenz beider zu sichern, haben keinen Anspruch darauf.
Dann kam der Anruf. Mit dem Jackpot.
Ihr Vermittler vom Jobcenter klang wie immer, es gäbe da ein neues Projekt, sie solle sich bitte vorstellen. Vielleicht hatte der Betreuer der Arbeitsagentur Genaueres erzählt, aber sie hatte schon zu viele solcher Ansagen gehört. Es war 2004, als Asante ihren Job in einer Druckerei verlor, kurz nach einer Operation an ihren Händen.
Zehn Jahre hatte sie dort geackert, immer in der Nachtschicht. Wenn sie in der Früh wieder nach Hause kam, machte sie erst ihre zwei Söhne fertig für die Schule, danach endlich schlief sie ein paar Stunden. Als sie entlassen wurde, war sie 40 – ohne Berufsausbildung und mit einer pflegebedürftigen Mutter im Haus. Es folgten Absagen auf Absagen – und ein paar Minijobs.
Was also sollte bei diesem neuen Projekt schon auf sie warten, außer dem üblichen Mist, den sinnlosen Maßnahmen, die einem vielleicht Beschäftigung geben, aber keine Arbeit? Asante wusste es nicht. Aber sie ging trotzdem.
Schon das Vorstellungsgespräch war anders. Nicht so steif und unangenehm, die zwei Herren auf der anderen Seite waren freundlich und interessiert. Als die Frau kurz danach zu ihrem ersten Arbeitstag erschien, konnte sie das gute Betriebsklima kaum fassen. Und ihr Glück. „Ich dachte nicht, dass es so etwas noch gibt.“ Aus ihrer Kehle kommt ein rauchiges Lachen. Das war im August 2013.
Neues Glück
Die 51-Jährige arbeitet bei GBQ in Völklingen, einer Gesellschaft, in der die Handwerksbetriebe der Saarstahl AG zusammengefasst sind. Um sechs Uhr beginnt ihr Tag in der Buchbinderei. Das Programm der Arbeitsagentur, das sie hierher gebracht hat und über das sie erst nicht so genau Bescheid wissen wollte, heißt „Perspektiven in Betrieben“. Wenn man Marion Asantes Lebensgeschichte hört, klingt dieser Name nicht einmal anmaßend wie das sonst so häufig ist bei Vorzeige-Projekten dieser Art.

Das Problem ist nur: Solche Geschichten sind rar. Die Situation von Langzeitarbeitslosen ist der tiefe, dunkle Schatten der ansonsten immer glänzender werdenden Arbeitsmarktstatistik. Die Zahlen der Erwerbstätigen (fast 43 Millionen) und auch der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (mehr als 30 Millionen) erklimmen immer neue Rekorde, eine Gruppe allerdings profitiert von diesem Boom so gut wie gar nicht mehr: Diejenigen, die seit mehr als einem Jahr erfolglos einen Job suchen, sind abgekoppelt von der Dynamik – so, als ob sie barfuß aus dem Kiesbett auf einen rollenden Zug aufspringen sollten. Mehr als eine Million Menschen stecken in dieser Situation – ohne Aussicht auf Besserung.