Die Nachricht klingt zunächst positiv: Die Deutschen sparen wieder mehr. Der monatlich erhobene Comdirect Spar- und Anlageindex ist im Juli wieder gestiegen, nachdem er zuvor die Monate in Folge gefallen war. Pro Kopf legten die Deutschen im Juli 113 Euro auf die Seite, im Juni waren es noch 104 Euro. Der Anstieg zeigt, dass es trotz der lächerlich niedrigen Zinsen ein Bedürfnis nach Rücklagen gibt.
Das Problem: Die Deutschen sparen, ohne viel Wert auf die Rendite oder die finanzielle Versorgung im Alter zu legen. Vielmehr scheint kurzfristige Verfügbarkeit wichtiger: Mehr als die Hälfte hortet die Ersparnisse auf einem Girokonto (55 Prozent) oder einem Sparbuch (53 Prozent), wo sie keine nennenswerten Zinsen einbringen, dafür aber jederzeit abrufbar sind. Danach sind Tagesgeld, Bausparvertrag und Bargeld am beliebtesten. Erst auf Platz sechs und sieben folgen die langfristig orientierten Sparvarianten für Altersvorsorge (29 Prozent) und mittels einer Lebensversicherung (28) Prozent.
Die niedrigen Zinsen sorgen dafür, dass das Thema Rente derzeit Gesellschaft und Politik umtreibt: Die verabschiedete Lebensleistungs- und Mütterrente werden als Geschenk auf Kosten der jüngeren Generation kritisiert und ein späteres Renteneintrittsalter sowie eine Anhebung des Rentenniveaus diskutiert. Die großen Parteien machen sich die Sorgen der Bevölkerung zu eigen und die Rente damit zum Wahlkampfthema für die nächste Bundestagswahl. Wie aber gehen die Deutschen mit ihrer eigenen Vorsorgeplanung um?
Sparen für die Rente steht nicht gerade hoch im Kurs. Schlimmer noch, das Thema Altersvorsorge wird bei Sparer sogar zunehmend unbeliebt. Die jährliche Aegon Ruhestandsstudie, deren Ergebnisse für 2016 der WirtschaftsWoche vorliegen, untersucht nicht nur, wie gut Sparer auf ihre Rente vorbereitet sind, sondern auch, wie motiviert die Bevölkerung ist, für die Rente vorzusorgen und wen sie dabei vor allem in der Verantwortung sieht.
So ist laut Aegon der Anteil derjenigen, die gewohnheitsmäßig für den Ruhestand sparen, von 45 Prozent im Jahr 2012 bis 2016 auf nur noch 37 Prozent gesunken. Damit fallen deutsche Sparer sogar unter den weltweiten Durchschnittsanteil der regelmäßigen Vorsorgesparer von 38 Prozent. Nur 36 Prozent der deutschen Sparer sind nach eigener Einschätzung ausreichend auf den Ruhestand vorbereitet. Auch dieser Anteil lag 2012 mit 43 Prozent noch deutlich höher. Im „Aegon Retirement Readiness Index“, der die Vorbereitung auf den Ruhestand auf einer Skala von null bis zehn verortet, erreicht Deutschland mit einem Wert von 6,1 Zählern den vierten Rang hinter Indien (7,3), Brasilien (6,7) und den USA (6,7). Der Wert von 6,1 (gleichauf mit Großbritannien) ist nach Anstiegen in 2012 und 2013 damit unverändert geblieben.
Das Ergebnis erstaunt vor allem angesichts der guten konjunkturellen Lage in Deutschland, die eigentlich Spielräume zum Sparen eröffnen sollte. Wo also liegen die Ursachen für das wenig beliebte Vorsorgesparen?
Im Vergleich zum Rest der Welt fällt auf, dass die deutschen Sparer für ihre Rente mehr als anderswo auf den Staat bauen. Im Durchschnitt erwarten die Deutschen, dass das staatliche Rentensystem später 52 Prozent des Ruhestandseinkommens ausmachen wird. 17 Prozent soll die Betriebliche Altersversorgung beisteuern, die restlichen 31 Prozent müssten dann über eigene Ersparnisse und Vorsorge bestritten werden. Im weltweiten Durchschnitt erwarten die Sparer nur 46 Prozent der Ruhestandsbezüge aus dem staatlichen Rentensystem, aber 24 Prozent vom alten Arbeitgeber. Dementsprechend müssten im globalen Durchschnitt 30 Prozent aus der privaten Vorsorge kommen.