Geschäft mit Russland Wie deutsche Unternehmen unter Putin leiden

Russlands Präsident Wladimir Putin Quelle: dpa

Der russische Markt war für deutsche Konzerne einst die große Verheißung. Nun ziehen sich immer mehr Unternehmen zurück. Wer bleibt, setzt auf Hoffnung. Doch Putins Wirtschaftspolitik macht ihnen das Leben schwer.

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Alexander Dick hat es eilig. Der stämmige Mann läuft in seinem Büro auf und ab, trinkt seinen Kaffee im Stehen und geht zügig weiter ins Lager. Er sucht ein Spezialwerkzeug, das am Vortag aus Tübingen eingetroffen ist. Die Schublade, in der er sucht, ist leer. Es ist noch am selben Tag an den Kunden verschickt worden. Dick schaut kurz verwundert, nickt dann zufrieden. Die Nachfrage nach den Werkzeugen des Tübinger Mittelständlers ist so groß, dass er sie im Moment nicht bedienen kann.   

Der 41-jährige Alexander Dick ist Geschäftsführer beim deutschen Maschinenbauer Paul Horn. Seit einigen Monaten leitet er den neuen Standort in Russland. Vorher hatte die Firma nur einen Großhändler im Land. Nun ist Dick am eigenen Standort dafür verantwortlich, dass die Werkzeuge möglichst schnell zum Kunden kommen. Bei Dick geht es jeden Tag um Scheibenfräsen, Drehprozesse und Schnellwechsel-Reibsysteme. Immer häufiger aber auch um die amerikanischen Sanktionen – und damit um viel Geld.

Für die Expansion hätte sich der Mittelständler keine schwierigere Zeit aussuchen können. Seit der Annexion der Krim 2014 steckt die russische Wirtschaft in der Krise. Es ist nicht der erste Wirtschaftsabschwung seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, aber der hartnäckigste. Und obwohl im vergangenen Jahr die russische Wirtschaft das erste Mal wieder gewachsen ist, droht durch die jüngste Sanktionsrunde aus Washington ein weiterer Rückschlag. Wegen der mutmaßlich russischen Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahl hat die US-Regierung Anfang des Jahres Strafmaßnahmen gegen Regierungsvertreter des Kremls und russische Oligarchen verhängt, die auch deutsche Firmen Milliarden kosten könnten. Daran hat auch die historische Pressekonferenz vor wenigen Tagen in Helsinki zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Vladimir Putin bislang nichts geändert, auf der Trump der Weltöffentlichkeit glauben machte, dass Russland möglicherweise zu Unrecht der Einflussnahme auf den US-Wahlkampf 2016 beschuldigt werde.

Während deutsche Unternehmen zwischen 2009 und 2013 noch einen Umsatz von 452 Milliarden Euro in Russland verdienten, sind die Umsätze seit der Krise massiv eingebrochen. 1000 der damals 6000 deutschen Unternehmen haben das Land inzwischen verlassen. Gerade hat auch Ceconomy 57 Media Märkte wegen dauerhafter Verluste verkauft, beteiligt sich im Gegenzug aber mit 15 Prozent an dem russischen Elektronikhändler M.Video. Man wolle „dauerhaft im großen und schnell wachsenden russischen Markt aktiv“ bleiben, sagt Ceconomy-Chef Pieter Haas.

Der jüngste Rückzug steht beispielhaft für die Hin- und Hergerissenheit der deutschen Unternehmen in Russland. Für viele Firmen gehört das Land immer noch zu einem der wichtigsten Wachstumsmärkte. Allein Siemens setzte 2016 in Russland zwei Milliarden Euro um. Aber mit einem unberechenbaren Präsidenten in den USA und einem russischen Präsidenten, deren Politik die Konfrontation ist, wird das Geschäft zu einer riskanten Wette. 

Eine Ahnung, was dieser neu aufflammende Kalte Krieg für deutsche Firmen bedeutet, bekommt man bei einem Besuch in einem der akkurat gestrichenen, weißen Altbauten in einer kleinen Straße im Süden Moskaus. Dort sitzt Alexej Knelz in einem Besprechungsraum und streicht sich über sein rot kariertes Hemd. „Wichtige Reformen wie die Förderung des Mittelstandes wurden zwar auf den Weg gebracht, echte Ergebnisse lassen aber auf sich warten“, sagt er. Knelz arbeitet für die deutsche Auslandshandelskammer in Moskau. Zu ihm kommen Firmen, wenn sie eine neue Investition planen. Und wenn sie nicht mehr weiterwissen. Dieses Jahr wuchs die russische Wirtschaft zwar zum ersten Mal seit der Krim-Annexion. Stolze 1,5 Prozent verkündete das russische Statistikamt. Auf Geheiß Putins hat es aber im selben Jahr die Berechnung geändert, die Zahlen sind geschönt.

Real könnte es knapp ein Prozent gewesen sein. Viel zu wenig für ein so reiches Schwellenland wie Russland. Das Land müsste sich modernisieren, seine Wirtschaft stärker privatisieren und seine Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen verringern. Dann könnten es fünf Prozent sein oder sogar zehn Prozent, wie viele Jahre im Nachbarland China. „Aber wichtige Wirtschaftsreformen bleiben aus“, sagt Knelz. Reform ist in Russland ein Schimpfwort, seit Jelzin in den 1990er Jahren die russische Wirtschaft an die Wand gefahren hat. Wladimir Putin hat den Russen ihren Stolz zurückgegeben. Aber nüchtern betrachtet ist seine Wirtschaftspolitik eine Katastrophe. 

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