A wie Aerodynamik Immer schön mit dem Strom

Schon Leonardo da Vinci wollte wissen, warum Vögel fliegen und Blätter segeln. Heute beschäftigt die Aerodynamik die Auto- und Flugzeugindustrie: Sie beschreibt, wie sich Körper gegen den Widerstand der Luft verhalten.

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Luft trifft auf Körper: Flugzeuge passen sich den Gesetzen der Aerodynamik an. Quelle: dpa

Vor 500 Jahren träumte das Universalgenie Leonardo da Vinci vom Fliegen. Den Begriff Aerodynamik kennt er noch nicht, doch er erfindet den ersten Aerometer zur Dichtemessung und ein Barometer zur Bestimmung des Luftdrucks. Er versteht: Fliegen hat etwas mit Luftwiderstand zu tun. Er untersucht den Segelflug der Vögel, das Fallen der Blätter und vermisst die aerodynamischen Eigenschaften der Luft. Doch Leonardo da Vinci ist seiner Zeit weit voraus. Erst Jahrhunderte später wird seine Vision vom Fliegen Wirklichkeit.

Im Wort Aerodynamik stecken die altgriechischen Worte für "Luft" und "Kraft". Autos, Bahnen, Flugzeuge oder Windräder: Wer etwas bauen möchte, das sich in der Luft bewegt, muss sich mit dem Verhalten von Körpern in gasförmigen Umgebungen auseinandersetzen – der so genannten Strömungslehre. Verwandt mit der Aerodynamik ist die Hydrodynamik – das Verhalten von Körpern im Wasser, etwa von Schiffen.

Jeder Körper stößt auf den Strömungswiderstand der Luft. Der Kraft des Luftstroms, die auf den Körper wirkt, ergibt sich aus der Form des Körpers und dem Geschwindigkeitsunterschied zwischen Körper und Luft. Gerade bei "schnellen Körpern" macht es deshalb Sinn, den Luftwiderstand durch eine möglichst optimale Formgebung zu minimieren. Die Luft- und Automobilindustrie beschäftigt sich deshalb eingehend mit den Gesetzen der Aerodynamik und der Aerostatik, dem Auftrieb von Körpern in der Luft.

Wenn die Luft auf einen Körper trifft, weicht sie aus. In der Physik wird das durch Pfeile, die sogenannten Stromlinien, dargestellt. Trifft die Luft auf einen Körper, passt sie sich beim Ausweichen der festen Form an. Allerdings kann sie sich nicht rechtwinklig um einen Körper bewegen. Deshalb kommt es hinter abrupt endenden Körpern, wie flachen Platten oder Quadern, zu Verwirbelungen. Im Flugverkehr kann das für nachfolgende Maschinen gefährlich werden. Deshalb sind Flugzeuge und Autos nicht rechteckig, sondern tropfen- oder stromlinienförmig gebaut: Sie passen sich den Gesetzen der Aerodynamik an und gleichen die Luft stetig und ohne große Sprünge aus. So sinkt auch der Luftwiderstand, es wird weniger Antriebsenergie benötigt.

Schon früh versuchten Wissenschaftler, Windkanäle zu konstruieren, um das Verhalten von Körpern in der Luft zu messen: 1905 errichtete Gustave Eiffel auf dem Eiffelturm in Paris eine Messeinrichtung, um Strömungswiderstände zu untersuchen. Er ließ Luft in eine Messkabine strömen und dahinter wieder entweichen. Im Gegensatz zu dieser offenen Form, sind heutige Windkanäle meist geschlossene Systeme. Die Luft wird am Ende des Kanals in einem Kollektor eingefangen und wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Das erlaubt es, äußere Faktoren wie die Temperatur konstant zu halten oder zu verändern.

Die Industrie nutzt die Windkanäle, um die aerodynamischen Eigenschaften von Autos und Flugzeugen zu untersuchen: Wie hoch ist der Luftwiderstand auf den das Auto beim Fahren trifft? Wie weit kann ein Flugzeug noch in der Luft gleiten, wenn die Triebwerke ausfallen? Überwiegend findet die aerodynamische Ausrichtung heute digital statt: Am Computer wird dann simuliert, wie sich ein Testkörper in der Luft verhält. Bei komplexeren Anwendungen werden die digitalen Ergebnisse anschließend im Windkanal überprüft.

Auch für Windräder ist eine optimal-aerodynamische Bauweise entscheidend: Denn das Windrad soll der bewegten Luft ja möglichst viel Energie entziehen. Das Leistungsvermögen bewegter Luft wird aus der Luftmasse berechnet, die in einer bestimmte Zeit eine bestimmte Fläche – also die Flügel des Windrads –durchströmt. Dabei kommt es darauf an, dass die Windkraftanlage die Geschwindigkeit des Luftstroms richtig nutzt: Wird der Luftstrom zu wenig gebremst, strömt ein Teil des Windes ungenutzt hindurch. Wird der Strom aber zu sehr gebremst, weicht die Luft seitlich aus. Es ist also nicht möglich, die gesamte Energie des Windes umzuwandeln. Ein ideales Windrad mit höchstem Wirkungsgrad würde eine Ausbeute von sechzig Prozent erreichen.

In der Realität liegt die "Wind-Ernte" jedoch meist darunter, denn der optimale Anstellwinkel der Flügel zum Windrad lässt sich stets nur für eine bestimmte Windgeschwindigkeit genau bestimmen. Weitere Faktoren, die den praktischen Wirkungsgrad verringern, kommen hinzu. Eine Windkraftanlage mit einem bestmöglichen Wirkungsgrad zu konstruieren, ist also eine knifflige Angelegenheit. Leonardo da Vinci hätte sicherlich seine Freude daran.

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