Cebit Was Firmen von Facebook lernen können

Die E-Mail schluckt in Firmen viel Zeit. Daher beginnen Unternehmen, über neue Formen der Kommunikation nachzudenken. Ein Kommentar.

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Joachim Hofer ist Handelsblatt-Korrespondent in München. Quelle: handelsblatt.com

Kaum zu glauben, aber es ist erst ein paar Jahre her, da schoben Büroboten noch Berge von Post durch die Flure. Eifrige Sekretärinnen sortierten anschließend die Briefe. Heute übernehmen diese Aufgaben die Mitarbeiter selbst: Sie kämpfen sich Tag für Tag durch Hunderte E-Mails, lesen auf ihrem Blackberry schon vor Arbeitsbeginn die Nachrichten.

Längst stoßen viele Menschen angesichts der Mail-Flut an Grenzen. Die ersten Firmen ziehen deshalb die Notbremse. Der IT-Dienstleister Atos Origin hat angekündigt, in drei Jahren auf E-Mails verzichten zu wollen. Atos ist kein Einzelfall. Immer mehr Manager sind überzeugt, dass ihre Firma von einem frühzeitigen Umstieg auf neue Formen der Kommunikation profitiert. Die Vorreiter sind schneller und innovativer, die Kosten werden sinken – und die Mitarbeiter werden zufriedener sein.

Auf der weltgrößten IT-Messe, der Cebit in Hannover, zeigt die Branche in diesen Tagen, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten werden. Interne soziale Netze werden bei E-Mail-Verweigerern wie Atos Origin bald zum Arbeitsalltag gehören wie die Tasse Kaffee am Morgen. Was heute schon auf Facebook oder Xing üblich ist, zieht damit auch in die Unternehmen ein: Diskussionen werden transparent auf einer Art virtueller Pinnwand geführt, Mitarbeiter und deren Projekte werden für alle sichtbar bewertet, es ist auf den ersten Blick zu erkennen, wer gerade an Bord ist.

Es hat seinen Grund, dass die E-Mail so viel Zeit schluckt. Wenn mehrere Leute miteinander zu tun haben, dann überschneiden sich E-Mails, und es herrscht oft ein heilloses Durcheinander. Experten sprechen vom Pingpong-Effekt. Das lässt sich mit internen sozialen Netzen vermeiden. Wie bei Facebook können sich dort alle Mitglieder eines Projekts, einer Arbeitsgruppe oder eines ganzen Unternehmens austauschen.

Damit nicht genug. Wenn Dokumente zentral gespeichert werden – wie es mit dem sogenannten Cloud-Computing künftig üblich sein wird –, dann können die Mitarbeiter von jedem Ort aus und mit jedem Gerät übers Internet darauf zugreifen. Es spielt damit keine Rolle mehr, ob die Leute von zu Hause aus arbeiten, ob sie im Büro sitzen oder am Flughafen. So wird das Arbeitsleben wesentlich flexibler.

Der technische Fortschritt, wie er auf der Cebit an vielen Ständen zu sehen ist, macht die Zusammenarbeit in vielerlei Hinsicht einfacher. Jedes neue Smartphone, jedes Notebook und auch ein moderner Tablet-PC hat eine eingebaute Kamera, mit der sich Videokonferenzen veranstalten lassen. Was früher wichtigen Besprechungen vorbehalten war, kann heute jeder Angestellte selbst vom Schreibtisch aus mit einem Knopfdruck auf die Beine stellen. Der klassische Telefonapparat wird überflüssig.

Der IT-Konzern IBM ist einer der Vorreiter auf diesem Gebiet. Die Amerikaner verkaufen Software und Rechner für diese Zukunftslösungen und wollen ihren Kunden beweisen, dass es sich lohnt zu investieren. Das Traditionsunternehmen entwickelt deshalb die Software für den internen Gebrauch inzwischen in mehr als 100 sogenannten Communities. Dort kommen die Mitarbeiter ähnlich wie in sozialen Netzen zusammen. Die Firma hat dabei viele Methoden aus dem Internet übernommen. So werden nicht nur die Programme öffentlich sichtbar benotet. Auch die Entwickler selbst müssen sich dem Urteil der Kollegen stellen.

Das Ergebnis lässt sich sehen: Die Softwareprojekte werden inzwischen um 30 Prozent schneller abgeschlossen, die Kosten sind um ein Drittel gesunken, und die Qualität ist deutlich gestiegen.

Die E-Mail wird auf absehbare Zeit sicher nicht komplett verschwinden. Schließlich landet auch heute noch ab und an ein Brief aus Papier im Postkorb, und es kriecht ein paar Mal am Tag ein Fax aus dem Gerät. Vor allem, wenn es darum geht, Geschäftspartner außerhalb der eigenen Firma zu erreichen, hat die E-Mail auf absehbare Zeit ihre Vorzüge. Wer Rechtssicherheit braucht, der kommt um die gerade erst eingeführte, speziell geschützte De-Mail nicht herum.

Klar ist auch: Die Umstellung braucht Zeit. Es ist nicht damit getan, einfach neue Software zu installieren und die alten PCs durch moderne Tablet-Rechner zu ersetzen. Klare Regeln sind nötig, wie die Menschen mit den neuen Werkzeugen umgehen sollen. Die Mitarbeiter müssen intensiv geschult werden, weil sich die Abläufe ändern.

Aufhalten lässt sich die Entwicklung gleichwohl nicht. Das liegt vor allem an den jungen Leuten, die jetzt in die Unternehmen kommen. Die Uni-Absolventen von heute sind mit sozialen Netzen wie StudiVz und Facebook aufgewachsen. E-Mails sind für sie von gestern. Deshalb ist gut beraten, wer sich möglichst schnell darüber Gedanken macht, wie sich sein Unternehmen verändern muss.

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