Fluggesellschaften Auf dem Konsolidierungs-Karussell

Schnappt sich die Deutsche Lufthansa Alitalia oder British Airways die spanische Iberia oder Air-France Alitalia oder Lufthansa Iberia oder Air One Alitalia oder gar Aeroflot Alitalia? Nach einem Jahr des Sondierens und Verhandelns stehen Europas Fluggesellschaften vor einem Jahr der Entscheidungen.

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Air Berlin kaufte im März LTU und im September Condor. Quelle: ap

DÜSSELDORF. Das Konsolidierungs-Karussell hat sich in diesem Jahr in der europäischen Luftfahrt schneller gedreht als ein Propeller. Wirklich passiert oder entschieden ist aber nichts. Alitalia prüft unverbindliche Angebote, und bei Iberia zeichnet sich eine spanische Lösung ab.

Im Jahr 2008 sollen endlich Entscheidungen fallen. Am Horizont tauchen auch schon die ersten Vorboten auf, dass die Ersten im Karussell noch näher aneinanderrücken werden. Der Weltluftfahrtverband IATA hat die Prognose für 2008 gesenkt. Nach 5,6 Mrd. Dollar in diesem werde die Branche im kommenden Jahr nur noch rund fünf Mrd. Dollar Gewinn einfliegen. "2008 werden die Karten in der europäischen Luftfahrt vermutlich neu gelegt", sagt Jürgen Ringbeck, Luftfahrtexperte der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton.

Eine Konsolidierung ist in der internationalen Luftfahrt ökonomisch sinnvoller und notwendiger denn je: Zum einen spielen in der von hohen Fixkosten geprägten Branche Größenvorteile eine entscheidende Rolle. Vor allem das Geschäftsmodell der Linienfluggesellschaften, Interkontinentalflüge nur von den eigenen Drehkreuzen anzubieten, gerät durch aggressive Angreifer und durch die neue Generation sparsamer Langstreckenjets wie den Dreamliner von Boeing unter Druck.

Zum Zweiten haben die Linienfluggesellschaften ein ausreichendes finanzielles Potenzial, um sich aktiv am Konsolidierungsprozess zu beteiligen. Air France -KLM könnte ohne eine Kapitalerhöhung Mittel in Höhe von drei Mrd. Euro lockermachen, Lufthansa über fünf Mrd. Euro. Im Fall der Fälle ließe sich die Finanzkraft noch durch das Heben stiller Reserven in der Flugzeugflotte sowie durch den Verkauf nicht betriebsnotwendiger Sparten wie Catering, Frachtgeschäft oder Terminals weiter erhöhen.

Drittens: Externe Schocks wie Terror, SARS-Seuche oder Ölkrise hängen als eine permanente Drohung über der Branche. Bis der derzeitige Superzyklus endet und die Bedingungen sich wieder verschlechtern, sollte die gröbste Integrationsarbeit geleistet sein, sprich: sollten sich die Synergien auf der Kosten- und der Erlösseite bemerkbar machen.

Viertens: Erste Erfahrungen können die Nummer eins und die Nummer zwei in Europa bereits vorweisen. Air France hatte die Konsolidierung 2002 durch die Fusion mit der niederländischen KLM angestoßen. Ihre Fortsetzung fand die Entwicklung 2005 durch die Übernahme der Swiss durch Lufthansa.

Fünftens: Wenn Lufthansa -Chef Wolfgang Mayrhuber oder Jean-Cyril Spinetta von Air France nicht weiter selbst die aktiven "Konsolidatoren" spielen, wird mit ihnen gespielt werden. Die Finanzinvestoren stehen vor dem Hangar. Mit ihren stillen Reserven in Form von Flugzeugflotten, Kreuz-und-quer-Beteiligungen in der Branche sowie nicht betriebsnotwendigen Töchtern wie Catering sind einige Fluggesellschaften fette Beute.

Die Lufthansa, der die Iberia bisher erklärterweise zu teuer war und die mit der Alitalia ihr Investmentgrade-Rating nicht riskieren wollte, hat ihr Heil bereits in den USA gesucht. Als erste europäische Fluggesellschaft nutzte sie die Möglichkeit des zwischen der EU und den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Open-Skies-Abkommens und beteiligte sich mit 19 Prozent an einer US-Fluggesellschaft.

Jetblue ist mit 20 Millionen Passagieren zwar deutlich kleiner als Lufthansa, aber dennoch ein wichtiger Partner, mit dem die deutsche Airline einen Fuß in der Tür zum amerikanischen Luftverkehrsmarkt hat. Den Anteil deutlich aufzustocken wird Lufthansa im kommenden Jahr aller Voraussicht nach noch aber verwehrt bleiben: Die US-Transportbehörde erlaubt ausländischen Airlines nur Beteiligungen von 25 Prozent.

Aber auch jenseits von Alitalia, Iberia und Jetblue gibt es noch Kandidaten, derer sich Lufthansa 2008 annehmen könnte. BMI etwa, die Nummer zwei in Großbritannien mit Start- und Landerechten am Flughafen London-Heathrow, ist interessant. An BMI hält Lufthansa bereits 30 Prozent minus eine Aktie und hat ein Vorkaufsrecht auf die 20 Prozent der skandinavischen SAS, die zum Verkauf stehen. Und der Mehrheitseigner mit 50 Prozent plus einer Aktie, der Brite Michael Bischop, könnte Beobachtern zufolge wegen des Restrukturierungsbedarfs bei BMI seine Put-Option ziehen und Lufthansa seine Anteile andienen.

Tatsachen geschaffen wie kein Zweiter in Europa hat Air-Berlin-Chef Joachim Hunold. Mit dem Mut eines Visionärs kaufte er im März LTU und im September Condor. Im kommenden Jahr soll bei Air Berlin jedoch Ruhe einkehren: Im November verkündete Hunold, dass im Geschäftsjahr 2008 Gewinn vor Umsatz gehen soll. Wundern würde sich in der Branche aber niemand, wenn sich Air Berlin in Europa en passant noch einen kleinen Wettbewerber wie zuletzt die Schweizer Belair einverleiben würde.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine eingeknickte Fluggesellschaft aus dem Konsolidierungs-Karussell fliegt, ist eher gering. Sowohl die niederländische KLM als auch die Schweizer Swiss hatten 2002 und 2005 - wenn auch erst nach jahrelangem Hin und Her - wieder Anschluss gefunden. Andere kleine Fluggesellschaften wie die österreichische Aua verfolgen mit dem Nationalstolz und -säckel im Heck weiter ihre Nischenstrategien. Der einzige Pleitegeier, der in Europa tatsächlich einmal rausflog, war die belgische Sabena.

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