Gourmet-Biere Gerstensaft mit Noten von Pflaumen und Honig

Auf feine Schokoladen und kultige Kaffeevarianten folgt das Gourmet-Bier. Der Gerstensaft soll gleichberechtigt zum Wein seinen Platz an der Feinschmecker-Tafel beanspruchen. Doch der Weg zur neuen Bierkultur ist weit.

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Neue Gerstensaft-Kultur: Das Bier für Feinschmecker kommt aus edlen Flaschen und wird edel verkostet. Quelle: handelsblatt.com

Das trübe, goldgelbe Bier ist jahrelang in alten Rieslingfässern gereift. Jetzt schmeckt es nach Zitrone und Melisse, wird zu Kabeljau auf Fenchel- und Krabbensalat in bauchige Gläser gefüllt. „Der Kabeljau braucht das Bier“, ruft Meisterkoch Hans-Stefan Steinheuer: „Und da merken Sie: Das Bier lebt!“

Der Zwei-Sterne-Koch aus Bad Neuenahr hat den Fisch nicht selbst gegart. Er ist nur Gastgeber für die Internationale Brau-Manufacturen GmbH (Braufactum) von Bier-Marktführer Radeberger. Den Feinschmeckern in Deutschland soll eine neue Bierkultur eröffnet werden - handwerklich hergestellte Biere mit einer schier grenzenlosen Aromenvielfalt.

Dem Biermarkt geht es nicht gut, Alkohol steht in der Kritik. Auch die zu Oetker gehörende Radeberger-Gruppe leidet unter dem sinkendem Bierabsatz in Deutschland, beklagt heftige Preiskämpfe. Da bieten teure Biere für den besonderen Geschmack vielleicht neue Chancen. „Es täte schon gut, das Image des deutschen Bieres etwas zu lüpfen“, meint Radeberger-Chef Albert Christmann in Bad Neuenahr.

Fünf Köchinnen aus Restaurants zwischen Sylt und dem Allgäu stehen bei Steinheuer am Herd. Sie sollen zeigen, ob das Bier ein Recht auf Gleichberechtigung mit dem Wein an der feinen Tafel beanspruchen kann. Zum Auftakt gibt es rotes belgisches Himbeerbier - 16 Euro pro 0,75 Liter - zum Aperitif. Es folgen Biere im edlen Design zu Makrele, Kabeljau, Schweinebauch, Lammkeule oder Eis mit Trockenpflaumen.

„Am Anfang war die Skepsis bei den Köchinnen schon groß“, sagt Steinheuer. „Das hat sich aber schnell gelegt.“ Die Biere aus den USA, aus Belgien, Italien oder Deutschland bieten auch eine große aromatische Vielfalt. Eines ist mit Orangenschalen und Koriander gebraut. Das Aroma erinnert die Tester an Banane. Ein anderes duftet nach Honig, Ingwer und Milchschokolade.

"Nieder mit dem Reinheitsgebot"

Mal beherrscht bitterer Hopfen den Geschmack, mal karamellisiertes Malz. Zum Eis gibt es ein Bier aus dem Weinland Italien ohne Kohlensäure. Es riecht nach Pflaumen und schmeckt nach Honig und kandierten Früchten. 14,8 Prozent Alkohol, 30 Euro pro Flasche.

Das Bier-Finale zum Käse-Törtchen ist fast schwarz. Ins Aroma von stark geröstetem Malz mischt sich ein Whisky-Ton. „Das Bier wurde zwölf Monate in alten Whisky-Fässern gelagert“, sagt Marc Rauschmann.

Der Braufachmann entwickelte in der Innovationsabteilung von Radeberger das neue Konzept und ist jetzt Geschäftsführer von Braufactum. In Europa und Übersee sammelt er besondere Genussbiere und ergänzt sie mit eigenen Kreationen. „Sensationell groß ist die Auswahl an kleinen Brauereien mit Spezialbieren in den USA“, sagt Rauschmann. Dort kann man viel lernen - die meisten Rätsel geben ihm die Künste eines Braumeisters aus Italien auf.

Neun der Biere sind in Deutschland gebraut. Die Rezepte sind oft alt, die Technik aber modern, ohne viel Kleinbrauerei-Romantik. „Man sucht sich eine Brauerei mit freien Kapazitäten, bringt Rezepte und Zutaten mit und braut sein Bier“, sagt Rauschmann. Besonders wichtig seien sorgfältige Lagerung und die Kühlung beim Transport.

Nicht alle neuen Biere entsprechen dem deutschen Reinheitsgebot, das außer Wasser nur Gerstenmalz, Hopfen und Hefe zulässt. Rauschmann hofft, dass man die Vorschrift weiter entwickeln kann: „Wir könnten das Reinheitsgebot auf die Zutaten ausweiten - keine Zusatzstoffe, keine künstlichen Atomen.“ Für das belgische Aperitif-Bier braucht man ein Pfund frische Himbeeren pro Liter. „Nieder mit dem Reinheitsgebot!“ ruft da Madeleine Jakits, die als Chefredakteurin der Gourmet-Zeitschrift „Feinschmecker“ Partnerin bei der Suche nach der neuen Bierkultur ist.

Die Kampagne setzt ganz oben in der Gourmetskala an. Kommunikationsberater und Kochbuch-Verleger Ralf Frenzel aus Wiesbaden: „Man muss mit Bier das machen, was bereits mit Kaffee und Schokolade gelungen ist: es auch als Gourmet-Lebensmittel etablieren.“ In der Branche, so berichtet er, werde das Projekt mit größtem Interesse verfolgt, andere Großbrauereien könnten bald folgen. Das würde auch Braufactum begrüßen - ein allgemeiner Imagewandel könnte allen dienen.

„Wir wollen vor allem da sein, wo es gutes Essen gibt“, sagt Rauschmann. Die Köchinnen-Brigade trat schon in Hamburg, München oder Berlin auf. Man besucht Spitzenköche und Wein-Sommeliers. Ein neuer Typ des Allround-Mundschenks soll nicht nur Wein empfehlen, Mineralwässer und Säfte, sondern auch das besondere Bier. Köche werden angeregt, Gerichte zu Spezialbieren zu entwickeln. Für junge Nachwuchsköche gibt es einen Wettbewerb; der Gewinner bekommt eine Starthilfe für ein eigenes Gasthaus.

Sogar der Verband von Deutschlands Spitzenwinzern hat sich auf eine Kooperation mit Braufactum eingelassen. „Wir wollen eine schöne Koexistenz auf hohem Niveau“, hieß es bei den beiden ungewöhnlichen Partnern. Zwischen edlen Rieslingen der Prädikatsweingüter gab es selbst im 3-Sterne-Restaurant von Niels Henkel in Bergisch Gladbach schon einmal einen Gang mit Bier.

Das Bier mit Schwarzbrot-Geschmack bedarf der Erklärung

Der Weg bis zum Aufbau einer neuen Bierkultur scheint dennoch weit. „Wenn es keine neue Masche ist und man richtig dahinter steht, dann kann es klappen“, sagt Christoph Pinzel vom Deutschen Hopfenmuseum in der Hallertau in Oberbayern. „Man muss die Wertigkeit raufziehen.“ Aber: „Mit einem, der seit 50 Jahren sein Helles trinkt, braucht man nicht zu diskutieren.“

„Das sind tolle neue Sachen“, sagt Spitzenkoch Steinheuer, „aber man muss sie erklären.“ So wird beim Essen viel über Bitterstoffe oder starke Zitrusaromen diskutiert. Zu pikant eingelegter Lammkeule mit Kichererbse und knusprigem Auberginenröllchen passt wunderbar ein deutsches Märzenbier, das nach Orangenzesten duftet und etwas nach Schwarzbrot schmeckt. Doch beim Kalbsbäckchen in Portwein sehnt sich so mancher Gast nach einem schweren Rotwein.

Sternekoch Jörg Sackmann aus Baiersbronn hätte einige Gerichte stärker orientalisch gewürzt, „damit es gegen das Bier ankommt“. Er würde aromareiches Bier allenfalls als Aperitif und nach dem Essen servieren. „Im Restaurant stelle ich es mir schwierig vor.“

Steinheuer dagegen bietet in einem neuen Menü jetzt warmen spanischen Rosmarin-Käse zu Bier an. Er hat auf seiner Weinkarte acht Gourmet-Biere. Allerdings stehen sie erst auf Seite 82, nach mehr als 1500 Weinen. Doch der kreative Koch ist Optimist und fordert Mut. „Wir Deutschen müssen uns auch von unseren traditionellen Dingen lösen können.“ Und er freut sich nach dem langen Biermenü über einen Nebeneffekt: „Hier trinken Sie nicht 13 Prozent und mehr Alkohol, sondern im Schnitt zwischen acht und neun. Und Sie alle sehen noch sehr frisch aus“. Und preiswerter als der Wein zum Menu sei es auch.

So manche Weinprobe endet damit, dass die Tester nach einem erfrischenden Pils greifen. In Bad Neuenahr ist es umgekehrt: Nach dem Biermenü war ein spritziger Riesling gefragt.

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