Ian Scott im Interview "Die halten uns für verrückt - wir kaufen Bankaktien"

Ian Scott, Chefstratege von Nomura, hält Aktien immer noch für günstig - und das nicht nur aus Branchen wie Technologie und Medien. Im Interview erklärt er, warum er ausgerechnet Bankaktien empfiehlt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ian Scott: Aktienchef von Nomura, war vorher bei Lehman Brothers. Quelle: handelsblatt.com

Handelsblatt: Herr Scott, die meisten Anleger rechnen fest damit, dass es am Aktienmarkt weiter aufwärts geht. Ist das nicht gefährlich?

Ian Scott: Ja, im Moment sind mir die Anleger ein wenig zu bullish. Auf Euphorie kann schnell Enttäuschung folgen. Deshalb sind Rückschläge in den nächsten Wochen nicht ausgeschlossen. Danach werden die Aktienmärkte aber weiter zulegen, wenn auch nicht so rasant wie zuletzt.

Handelsblatt: Was spricht für steigende Kurse?

Scott: Die meisten Anleger haben nach wie vor wenig Aktien im Portfolio, der Anteil an Anleihen ist dagegen relativ hoch. Im kommenden Jahr wird sich das verschieben. Und zwar deshalb, weil Aktien nach wie vor unterbewertet sind. Gemessen an den Gewinnen der Unternehmen waren Aktien in den letzten 25 Jahren selten so günstig wie jetzt.

Handelsblatt: Wird der Dax wieder den Rest Europas abhängen?

Scott: Der Dax wird nach unserer Ansicht bis Ende 2011 auf 7 750 Punkte steigen. Der Eurostoxx dürfte aber prozentual noch mehr zulegen. Aus Furcht vor der Schuldenkrise haben die Anleger europäische Aktien etwas zu stark abgestraft. Insbesondere französische Aktien sind überverkauft. Das wird sich im nächsten Jahr korrigieren.

Handelsblatt: Haben Sie keine Sorge, dass die Schuldenkrise auf die Wirtschaft durchschlägt?

Scott: Wir haben in diesem Jahr gesehen, dass das nicht zwangsläufig passiert. Trotz der hohen Verschuldung mancher Staaten haben die europäischen Unternehmen sehr gute Gewinne erzielt; was auch daran liegt, dass die meisten Konzerne weltweit aktiv sind und ihre Gewinne nicht allein innerhalb der Eurozone erwirtschaften.

Handelsblatt: Die Gewinne fallen oft nur deshalb so gut aus, weil in der Krise gespart wurde. Sieht so ein nachhaltiger Aufschwung aus?

Scott: Jetzt muss die Grundlage für das Wachstum der nächsten Jahre gelegt werden. Das geht nur durch Investitionen. Sollten die Unternehmen ihr Geld aus irgendwelchen Gründen weiter zusammenhalten, hätten wir in der Tat ein Problem - mit entsprechenden Folgen für den Aktienmarkt. Ich glaube aber nicht, dass das passiert.

Handelsblatt: Was wird denn Ihrer Ansicht nach passieren?

Scott: Die Unternehmen generieren weltweit 1,4 Billionen Dollar an freiem Cash Flow jährlich. Wir rechnen damit, dass sie die Hälfte davon an die Aktionäre zurückgeben werden. Von den übrigen 700 Milliarden werden sie einen großen Teil in den eigenen Betrieb oder für Zukäufe investieren.

Handelsblatt: Bei ihren Kollegen stehen Aktien mit hoher Dividende ganz oben auf der Liste. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Scott: Wir kaufen Aktien nicht, nur weil sie eine hohe Dividendenrendite versprechen. Unsere Studien zeigen, dass Dividenden oder Aktienrückkäufe vom Markt immer weniger honoriert werden. Der positive Effekt für den Kurs dürfte nicht mehr so groß sein wie in den letzten zwei Jahren. Wichtiger ist für uns, dass ein Unternehmen wächst und dass es eine Perspektive bietet.

Handelsblatt: Welche Aktien empfehlen Sie?

Scott: Attraktiv sind Branchen wie zum Beispiel Technologie und Medien, die von Unternehmensausgaben profitieren. Daneben konzentrieren wir uns bei der Aktienauswahl auch auf Firmen, die durch Reinvestition ins eigene Unternehmen rentabel wachsen können. Und wir halten eine Übergewichtung in Banken und Versicherern.

Handelsblatt: Bankaktien? Was sagen denn ihre Kunden, wenn Sie ihnen dazu raten?

Scott: Die halten uns erst einmal für verrückt. Aber das ist für mich ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass noch nicht sehr viele Investoren das Potenzial erkannt haben. Die Notenbanken versorgen Banken mit günstigem Geld. Mit dem Aufschwung der Konjunktur verringern sich zugleich die Kreditrisiken. Davon sollten Banken in den USA und Japan profitieren.

Handelsblatt: Vor zwei Jahren haben Sie schon einmal zum Kauf von Bankaktien geraten, damals noch als Stratege von Lehman Brothers. Wenige Monate später war Lehman pleite und die Börsen stürzten ab. Beschäftigt Sie das heute noch?

Scott: Ich bin schon sehr lange in diesem Job. In all den Jahren habe ich immer großen Wert darauf gelegt, dass das, was ich mache, transparent und für jeden überprüfbar ist. Deshalb stehe ich auch zu den Fehlern. Das Jahr 2008 war eine sehr schwere Zeit, nicht nur für uns. Daraus haben wir gelernt.

Handelsblatt: Wir danken Ihnen für dieses Interview.

VITA

Aktienchef Ian Scott ist Chefstratege und Managing Director beim japanischen Finanzkonzern Nomura. Er gibt die Richtung für die weltweite Aktienstrategie vor. Scott kam 2008 zu der Bank, als sie die Überreste von Lehman Brothers in Europa übernahm.

Ökonom Für Lehman Brothers war Scott zuvor seit 1995 tätig; zunächst als Stratege für Europa, seit 2002 als Global Equity Strategist. Seinen Abschluss als Master in Ökonomie hat er an der University of Warwick erlangt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%