„Ich muss Qualität spüren“ Wann der Top-Headhunter hellhörig wird

Der Weg in die Chefsessel der Wirtschaft führt über die Notizbücher der Top-Personalberater. Heiner Thorborg hat schon so manchen Dax-Vorstand platziert. Welche Manager sein Interesse wecken und was Karrieren befeuert.

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In der Rubrik „Karriere Tipp“ widmet sich Handelsblatt Online wöchentlich Themen rund um Beruf, Büro und Bewerbung. Quelle: handelsblatt.com

Herr Thorborg, stellen Sie sich vor: Ich bin ein Manager von Mitte 30, will Karriere machen und deshalb in Ihr Notizbuch. Also rufe ich Sie einfach an, oder?

Nein, bitte nicht. Dann würde bei mir nur noch das Telefon klingeln. Ich bekomme solche Anfragen zu häufig. Ich bin Einzelkämpfer und den Großteil meiner Zeit muss ich schon auf meine Aufträge verwenden. Ein Anruf bringt nichts. Schicken Sie mir eine Mail mit ihrem Lebenslauf. Wenn der mich interessiert, gibt es vielleicht ein Treffen.

Womit kann ich Ihr besonderes Interesse wecken?

Mit einer einjährigen Weltumseglung zum Beispiel. Im Ernst: Ich hatte mal so einen Kandidaten, ungemein spannend, aber natürlich eine große Ausnahme. Generell habe ich da keine festen Kategorien. Es könnte ihre bisherige Karriere sein, der universitäre Bereich oder eben ganz andere Dinge. Neugierig werde ich, wenn ich das Gefühl habe, der Kandidat ist kein Mainstream-Typ, sondern ganz speziell. Und dann kommt es natürlich auch darauf an, wie sich die Leute bei mir vorstellen. Ich muss Qualität spüren können. Oft scheitert es aber schon an Selbstverständlichkeiten.

Wieso?

Man glaubt es nicht, aber schon bei den banalsten Sachen wird geschlampt. Ein Harvard-Abschluss bringt ihnen nichts, wenn die Vita dahingeschludert wurde. Bei mir sind solche Leute sofort raus. Schlimm finde ich auch die Anschreiben, die neutral mit „Sehr geehrte Damen und Herren …“ beginnen – so eine Mail wird sofort gelöscht. Ich bekomme Anfragen, die gehen zwar an meine Mail-Adresse, in der Anrede lese ich dann aber den Namen eines anderen Personalberaters. Aber von solchen Patzern mal abgesehen: Im besten Fall haben Sie eine Referenz, eine Person, die mir sagen kann, dass sich ein Treffen mit Ihnen für mich lohnt. Ich will vorab eine Meinung zum Kandidaten hören. Und ich stelle meist nur eine Frage: Ist der Kandidat 1a oder 2b?

Was macht 1a aus: Jung, Top-Universität, MBA oder Doktortitel, Erfahrung im Ausland?

Der Reihe nach: Internationalität finde ich in dieser globalisierten Welt sehr wichtig, sie sollten also Stationen im Ausland in ihrer Vita haben. Eine exzellente akademische Ausbildung ist auch wichtig, es muss aber nicht Harvard sein. Einen MBA brauchen sie auch nicht, eben so wenig einen Doktortitel. Damit allein machen Sie keine Karriere. Ein talentierter Ingenieur aus Darmstadt, Karlsruhe oder Zürich kann vor einer großen Karriere stehen. Jung? Jein. Für mein Geschäft gucke ich mir jede Altersgruppe an – weiblich und männlich. Aber wenn wir über High Potentials sprechen, also über junge Manager, liegt die Grenze bei Ende 30.

Das klingt tröstlich. Der neue Puma-Chef ist 32. In meinem Alter ist der Zug also noch nicht abgefahren.

Aus dieser Personalie einen neuen Jugendwahn abzuleiten, wäre sicher ein Trugschluss. Die Rolle des neuen Puma-Chefs ist so gestaltet, dass man dort einen Manager Anfang 40er gar nicht hinsetzen kann. Jochen Zeitz bleibt bei der gewählten Rechtsform der Chef, er ist Vorsitzender des Verwaltungsrates. Insofern ist Franz Koch nicht CEO, sondern COO. Zeitz hält weiter die Fäden in der Hand und gibt diesem jungen Mann eine Chance.

Was halten Sie von Koch, ist er einer dieser 1a-Kandidaten?

Das kann ich nicht wirklich beurteilen. Für mich wird er interessant, wenn er seinen Job ein paar Jahre gemacht hat. Ganz ehrlich: Wenn er nicht befördert worden wäre, wäre er nicht auf meinem Radarschirm aufgetaucht.

Wer auf Ihrem Radar auftaucht, hat bald einen Top-Job in der Tasche?

Das kann man so nicht sagen. Aber ich habe ein großes Netzwerk, kenne viele Vorstände und Aufsichtsräte und habe so manchen Kandidaten bei Suchaufträgen auch platziert. Generell geht es mir um langfristige Kontakte. Ich fliege regelmäßig in die USA und nach China, um dort Nachwuchsmanager kennenzulernen. Ich habe ein Interesse an Talentscouting und Karriere-Beratung. Wenn mir also einer Kandidaten sagt, dass er sich für diese oder jene Firma interessiert, bin ich ihm gerne behilflich. Ich sage ihm aber auch offen, wenn ich denke, dass das nicht der richtige Weg für ihn ist.

Aber nicht jeder hört auf Sie.

Nein, so etwas können Sie auch nicht erwarten. Mir ist aber schon wichtig, dass meine Ratschläge ankommen und ein Stück weit auch befolgt werden. Wenn das nicht der Fall ist, muss man eben getrennte Wege gehen.

Ein Beispiel?

Ich habe einen Manager zum Vorstellungsgespräch begleitet, es ging um einen Vorstandsposten. Seine Krawatte hing ziemlich tief und der oberste Hemdknopf war offen, ich konnte ihm vorher gerade ein Zeichen geben. Als ich später – im Gespräch lief es für ihn übrigens nicht besonders gut – noch mal darauf zu sprechen kam, hat er Theater gemacht, schließlich sei sein Anzug viel teurer gewesen als der des Klienten. Der Mann war völlig daneben und beratungsresistent.

„Viele Top-Manager haben jede Neigung zur Selbstkritik verloren“

Offenbar zu viel Selbstbewusstsein. Stellen Sie das häufiger bei Managern fest?

Nein. Eigentlich nicht. Aber so ein Verhalten lässt natürlich Schlüsse zu. Der richtige Auftritt, dazu gehört nun mal auch die richtig gebundene Krawatte, ist kriegsentscheidend. Mit Überheblichkeit wird man es nicht weit bringen. Ich kann auch nicht verstehen, dass Menschen nicht nachfragen, wenn sie eine Absage bekommen. Man kann nicht immer Sieger sein, aber wenn man ernsthaft daran interessiert ist, ab und zu mal Sieger zu sein, dann muss man Dinge hinterfragen. Sonst lernt man nichts.

Wie wichtig ist Ihnen Sympathie?

Sehr wichtig. Wie die Person mir zur Begrüßung die Hand gibt, mit mir kommuniziert und sich darstellt, ob sie authentisch ist und ob es Sinn macht, was mir erzählt wird, das spielt mir eine sehr große Rolle. Wer mir nicht sympathisch ist, der interessiert mich nicht.

Wollen Sie von Ihren Kandidaten wissen, warum sie Karriere machen wollen?

Nein. Ich würde eher hinterfragen, wenn sie das nicht wollen. Doch diese Leute treffe ich selten. Vor allem interessiert mich, welche Motivation dahinter steckt. Das will ich auf jeden Fall wissen.

Und wenn Wohlstand und der Wunsch nach Macht der Antrieb sind?

Das ist doch legitim.

Ist das passende familiäre Umfeld wichtig für die Karriere?

Wie meinen Sie das?

Der Soziologe Hartmann sagt, dass man zum Manager geboren wird. Eigentlich hätten nur Kinder aus dem Bürgertum eine realistische Chance.

Ich halte das für dummes Zeug. Es gibt genügend Beispiele von Top-Managern, die aus eher kleinen Verhältnissen kommen. Gerade in Deutschland ist das System sehr durchlässig. Viel mehr als in Frankreich oder England. In Deutschland ist Herkunft gewiss keine Schande und verbaut ihnen nicht den Karrierepfad.

Sie sind seit vielen Jahren als Personalberater im Geschäft. Wie haben sich in den Jahren die Anforderungen an Manager verändert?

An den Persönlichkeitsmerkmalen hat sich nichts geändert. Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit, Integrität gelten immer. Das heißt allerdings nicht, dass diese Tugenden immer gelebt werden. Die Globalisierung hat aber dazu geführt, dass die Ansprüche hinsichtlich Internationalität und Ausbildung gewachsen sind.

Welche Ansprüche genau?

Ganz einfach. In Deutschland, einem Land, das so stark vom Export abhängig ist, da brauchen sie eine Manager-Generation, die international überzeugend unterwegs ist. Fließendes Englisch ist deshalb ein Muss. Das ist die einzige echte Weltsprache. Wenn Sie Mandarin können, ist das nett und beeindruckend und sicher unverzichtbar wenn sie in China leben wollen. Auch Spanisch ist wunderbar, aber Grundvoraussetzung ist Englisch. Es gibt viele Beispiele von Top-Managern, die haben ihre Probleme mit Englisch. Und wenn die anfangen zu sprechen, ist das nicht so prickelnd.

Wie sieht es mit der Kommunikation eines Managers im Zeitalter von Social Media aus?

Die Kommunikationsfähigkeit ist in der Tat bei den börsennotierten Unternehmen eine Anforderung, die es so ausgeprägt früher nicht gegeben hat. Alles was sie sagen, jede unbedachte Äußerung, jede dumme Bemerkung wird im Internet verewigt. Da ist jeder Manager klug beraten, Medientraining zu machen und sich auf alles, was er öffentlich macht, gut vorzubereiten. Da brauchen Sie Berater, die ihnen helfen, sie müssen aber auch selbstkritisch sein. Viele Top-Manager haben jede Neigung zur Selbstkritik verloren, sind abgehoben und nicht mehr zugänglich. Auch Nachwuchsmanager sollten sehr vorsichtig sein, was sie bei Facebook oder Twitter hinterlassen.

„Selbstüberschätzung ist der größte Karrierefeind“

Hat die Wirtschaftskrise das Klima verändert?

Ich glaube, es ist härter und anspruchsvoller geworden. Als ich damals als Personalberater bei Egon Zehnder anfing, war die Mittelmäßigkeit des Top-Managements deutlich höher. Das lag daran, dass die Kontrollorgane nicht so kritisch waren wie heute. Leute, die damals entsorgt wurden, fanden schnell und leicht eine neue Aufgabe. Damals hat man gesagt: Einmal Vorstand, immer Vorstand. Das gibt es nicht mehr. Man ist viel ungeduldiger geworden. Viele Vorstände erhalten eine Chance, aber nicht zu lange. Wenn sich dann nichts bewegt, haben sie ein Problem. Auf der anderen Seite haben wir heute eine Generation, die ganz anders ausgebildet wurde, anders durch die Welt reist, die mit vielen Dingen konfrontiert wird, die es damals nicht gab. Da relativiert sich der Druck wieder. Aber, das muss man ehrlich sagen, nicht jeder Manager ist seiner Aufgabe gewachsen.

Ist dann nicht auch der Personalberater mitschuldig?

Es gibt durchaus Personalberater, die arbeiten – flapsig formuliert – von 12 Uhr bis mittags, erledigen nur ihre Aufträge und das war’s. Ich arbeite wesentlich strategischer. Andererseits liegt es natürlich auch an den Managern selbst. Falsch verstandenes Karrierestreben führt oft dazu, dass Menschen auf keine Ratschläge mehr hören und Aufgaben und Jobs übernehmen, die nicht zu ihnen passen und. Ungeduld und Selbstüberschätzung sind die größten Karrierefeinde.

Sie gelten in der Branche als Frauenförderer. Hören Frauen besser zu?

Ich bin kein Frauenspezialist, aber es gibt Handlungsbedarf, deshalb habe ich mich des Themas angenommen. Bei Frauen ist die Bereitschaft zuzuhören sicherlich stärker ausgeprägt. Sie reflektieren besser, neigen aber dazu, sich oft selbst zu kritisch zu sehen. Wo Männer zu sehr von sich eingenommen sind, zaudern Frauen häufig, fragen oft, kann ich das wirklich.

Dennoch wird es leichter Frauen zu vermitteln?

Ja. Den Unternehmen droht die Frauenquote. Deshalb unternehmen sie jetzt Anstrengungen, Frauen zu Führungskräften zu entwickeln oder diese zu suchen. Keiner in der Industrie will die Quote, aber die Politik droht damit. Das zwingt zum Umdenken. Endlich. Eigentlich hätte man das früher machen müssen. Wir alle kennen die demografische Entwicklung. Der weiße, deutsche Mann ist vom Aussterben bedroht. Also müssen sie dem weiblichen Teil der Gesellschaft größere Chancen einräumen. Nicht, weil es gerechter ist, sondern weil es ganz einfache betriebswirtschaftliche Gründe hat. Und wenn sie damit nebenbei auch noch einige nicht ganz so gute Männer austauschen, ist das auch nicht verkehrt.

In den oberen Etagen der deutschen Wirtschaft wird das Klima für Frauen aber rauer.

Deshalb sage ich Kandidatinnen auch, dass sie wissen müssen, was sie erwartet. Das Problem sind meist Unsicherheiten und Ängste, weil diese Rolle so noch nicht gespielt wird. Es gibt in den obersten Etagen eben noch zu wenige Frauen. Dazu gehört auch, dass sie überkritisch beäugt werden. Männer interessiert doch so gut wie nie, was der Kollege an hat. Aber steht eine Frau in der Vorstandsetage, ist das ganz anders. Dann gilt das Motto: Was hat sie für einen Rock an, wie sitzt die Frisur?

Ihr Tipp?

Frauen sollten auf keinen Fall so reagieren, wie es die Männer erwarten, und gelassen bleiben, wenn ein blöder Witz fällt oder kleine Anzüglichkeiten. Nicht sofort die Krallen ausfahren. Es ist manchmal schwierig den richtigen Weg zu finden, aber Frauen sollten so bleiben, wie sie sind. Mein Appell lautet: Versucht nicht Eure Weiblichkeit abzulegen und zum Mann zu mutieren und beweisen, dass ihr die besseren Männer sind. Das akzeptiert niemand und will auch keiner. Ich kenne Frauen, die in einer Top-Position einen hervorragenden Job machen und im Umgang mit den Männern absolut souverän sind. Dann gibt es keine Probleme, weil die Männer ihnen mit viel Respekt begegnen. Man muss ganz sicher keinen Herrenclub besuchen oder gemeinsam das Cognacglas schwenken.

Aber ein Besuch auf dem Golfplatz kann nicht schaden?

Wenn Sie das wollen, dann viel Spaß dabei. Notwendig ist das bestimmt nicht. Mich wird man auf einem Golfplatz nicht antreffen. Ich gehe lieber shoppen.

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