Baumärkte Storytelling für Selbermacher

Mal was anderes: Kein Produkt wird beworben, kein Baumarkt gezeigt und kein Preis genannt im aktuellen Werbespot von Hornbach. Den Kunden gefällt die emotionale Ansprache – wenn auch erst auf den zweiten Blick.

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Die neue Werbebotschaft von Hornbach braucht eine Weile, bis sie ankommt – aber sie kommt an. Quelle: dpa

Köln 70 Sekunden – ohne, dass ein Wort gesprochen wird. Stattdessen Hollywood-Optik, Filmmusik und eine Hauptrolle irgendwo zwischen Robinson Crusoe und Forrest Gump. Geschichten erzählen ist angesagt in der Werbebrache und die Baumarktkette Hornbach erzählt in ihrem aktuellen Spot eine Geschichte nur in Bildern, Geräuschen und Musik. Es geht um die emotionale Bindung eines Heimwerkers zu seinen Werken, die sich materialisiert in den Arbeitsklamotten. Jeder Fleck auf dem T-Shirt, jeder Riss in der Hose weckt Erinnerungen an ein Bauprojekt. Der Clip ist sperrig, erst in der letzten Einstellung versteht man, worum es eigentlich geht. Doch er verfehlt seine Wirkung nicht, wie YouGov-Daten zeigen.

Zunächst haben wir den Spot unserer Reel-Echtzeitbewertung unterzogen. Zufällig ausgewählte Befragte bewerten den Werbespot dabei kontinuierlich, während sie ihn sich ansehen. Anschließend werden sie dazu befragt. Sowohl beim Ansehen des Spots als auch in der späteren Befragung bewerten die Verbraucher ihn unterdurchschnittlich. Lediglich hinsichtlich Einzigartigkeit und Spannung schneidet er sehr gut ab. Doch die kleine Gruppe der Befragten, die den Spot bereits zum wiederholten Mal sah, bewertet ihn deutlich positiver. Daraus leiten wir ab: Die Botschaft braucht eine Weile, bis sie ankommt.

Vom Mittelfeld abgesetzt

Aber sie kommt an. Der YouGov-Markenmonitor BrandIndex zeigt einerseits eine steil ansteigende Wahrnehmung von Hornbach-Werbung. Jeder Fünfte, der Hornbach kennt, hat kürzlich Werbung für die Baumarkt-Kette gesehen. Vor einem Monat war es nur rund jeder Achte. Dieser Effekt fällt bei Hornbach deutlich stärker als bei den andern Baumärkten aus, die zeitgleich den Frühlingsanfang werblich für sich nutzen.

Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der Verbraucher deutlich sichtbar angestiegen, der angibt, Hornbach bei der Auswahl eines Baumarkts in die engere Wahl zu nehmen – der Wert stieg um drei Prozentpunkte auf 23 Prozent; ein neuer Höchstwert in unseren bis 2013 zurückreichenden Daten für Hornbach. Das Unternehmen liegt damit gleichauf mit Bauhaus. Lautet die Fragestellung jedoch, bei welchem Baumarkt Verbraucher am ehesten einkaufen würden, liegt Hornbach inzwischen eindeutig vorn, während die Marke vor Beginn der Kampagne noch zwischen Bauhaus und toom sowie Hagebaumarkt und Globus lag. Allerdings: nicht ganz vorn. Obi ist gemäß den Einschätzungen der Verbraucher im BrandIndex nach wie vor unangefochtener Spitzenreiter der Branche.

Doch Hornbachs Kampagne zeigt, wie man sich mit einer guten Geschichte und einer wenn auch etwas sperrigen Einzigartigkeit leicht aus dem Mittelfeld abheben kann. Wer hätte gedacht, dass man nach dem für Max Bahr und Praktiker ruinösen Preiskampf der Baumärkte, Kunden auch mit etwas anderem als Rabatten gewinnen kann?

Über den Autor: Holger Geißler studierte Psychologie in Heidelberg und Markt- und Werbepsychologie in Mannheim. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Projektleiter für psychonomics. Ab 2000 war er als Senior Manager verantwortlich für den Aufbau der Online-Marktforschung. 2008 wurde er in den Vorstand des Kölner Meinungsforschungsinstituts YouGov Deutschland AG berufen und ist in dieser Funktion verantwortlich für die Bereiche Custom & Omnibus. Seit 2011 unterrichtet er außerdem Marktforschung als Dozent an der Fachhochschule Köln. YouGov ist Kooperationspartner des Handelsblattes.

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