Best Lawyers Wunsch nach weniger Arbeit

Sabbaticals, Home-Office, flexible Arbeitszeiten und Elternzeit für Väter sind in vielen Unternehmen selbstverständlich. Wirtschaftskanzleien testen ähnliche Modelle. Eigene Selbstbestimmung ist das neue Statussymbol.

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Wirtschaftsjuristen sehnen sich immer mehr nach sinnerfüllten Arbeitsinhalten. Quelle: Imago

Hamburg „Für manche Personalchefs sind wir ein Albtraum: Sie halten uns für verwöhnt, selbstverliebt und größenwahnsinnig.“ Diese Worte schrieb die Autorin Kerstin Bund vor mehr als einem Jahr in der „Zeit“ über die sogenannte "Generation Y"- also die unter 35-Jährigen. Personalverantwortliche in deutschen Wirtschaftskanzleien würde ihr wohl zustimmen, denn diese Generation stellt sie seit einiger Zeit vor völlig neue Herausforderungen.

Das Buch von Bund heißt Glück schlägt Geld. Auch die Wirtschaftsjuristen sehnen sich immer mehr nach sinnerfüllten Arbeitsinhalten. Laut der Autorin habe sich das Wertesystem ihrer Generation verschoben: Heute stehen nicht mehr die klassischen Statussymbole wie ein hohes Gehalt, ein dicker Bonus oder der teure Firmenwagen an oberster Stelle. Stattdessen sei die eigene Selbstbestimmung das neue Statussymbol. Die unter 35-Jährigen wollten selbständig über ihre Zeit bestimmen, der Job solle ihnen Freude bringen und Freiheiten lassen. Feste Arbeitszeiten und -orte machten für junge Arbeitnehmer keinen Sinn mehr.

„Diese Einstellung ist Gift für das althergebrachte Arbeits- und Geschäftsmodell von Anwaltskanzleien“, sagt Personalcoach Falk Schornstheimer. „Denn bis die ersten Vertreter der ‘Generation Y‘ die Kanzleiflure betraten, bestand die gängige Währung dort aus Prestige, Renommee und Geld.“ Die Erwartungen damaliger Anwälte unterscheidet sich grundlegend von denen heutiger. „Wer vor 20 Jahren als Anwalt - seltener als Anwältin - in eine Sozietät eintrat, wollte Partner werden und ordentlich Geld verdienen. Im Gegenzug spielten Arbeitszeiten und Arbeitsbelastung keine Rolle. Niemand schaute auf die Uhr.“

Partnerschaft? Nein, Danke.

Dieses Bild hat sich für die meisten Bewerber komplett gewandelt. Heute streben nur noch knapp 16 Prozent der angestellten Anwälte die Vollpartnerschaft an. Das ist das Ergebnis der aktuellen Associate-Umfrage von Azur, einem Branchenblatt für Nachwuchsjuristen. Umgekehrt bedeutet dies, dass ganze 84 Prozent der jungen Anwälte nicht Partner werden wollen. Stattdessen wünschen sie mehr freie Zeit für ihre Familie und weniger unternehmerische Verantwortung.

Die Gründe für die sinkende Zahl von Partneranwärtern sind vielfältig. So wissen laut der Azur die meisten jungen Anwälte, dass ihre Chancen rapide sinken, überhaupt in die Partnerschaft aufgenommen zu werden. Dies gilt vor allem für Großkanzleien. Wo jedes Jahr mehrere hunderte Anwälte eingestellt und nur rund eine Handvoll Anwälte zum Partner ernannt würden, könne sich jeder ausrechnen, wie groß die Chancen sind.

Eine Lösung für beide Seiten versprach die Schaffung einer neuen Position, des sogenannten Counsels. „Zahlreiche Großkanzleien haben eine solche Position als Alternative zur Partnerschaft eingeführt. Der Counsel akquiriert selbständig Mandate, verfügt über eine große Berufserfahrung und arbeitet eigenverantwortlich“, erklärt Martin Wollziefer, Mitbegründer des Beratungsunternehmens SW Recht & Personal. „Der Counsel soll also diejenigen zufriedenstellen, die eine anspruchsvolle Arbeit bei weniger unternehmerischer Verantwortung suchen. Und die Kanzleien profitieren davon, dass er mehr einbringt als ein Associate und weniger kostet als ein Partner.“

Natürlich kommt es immer darauf an, wie so etwas in der Realität umgesetzt wird. Wollziefer hat beobachtet, dass manche Kanzleien das Thema durchaus ernst nehmen. Andere aber kleben lediglich ein Etikett auf eine inhaltsleere Hülle und hoffen, dass Bewerber dies nicht durchschauen. „Wer den Counsel rein pro forma einführt, um den anspruchsvollen Nachwuchs ruhig zu stellen, der verspielt seine Chancen“, sagt Wollziefer. „Das Kanzleimanagement muss der Position Anerkennung, Eigenverantwortung und ein angemessenes Gehalt zusprechen.“


Balance-Akt zwischen Arbeit und Freizeit

Großkanzleien haben aufgrund der schwindenden Partnerernennungen bereits maßgeblich an Attraktivität eingebüßt. Hinzu kommt, dass immer weniger Jura-Absolventen in Großkanzleien arbeiten wollen. Und nicht allen ist es wichtig, einen dicken Gehaltsscheck mit nach Hause zu nehmen. Laut der jüngsten Umfrage des juristischen Online-Portals Legal Tribune Online, erwarten lediglich rund neun Prozent der befragten Bewerber ein Einstiegsgehalt von 100.000 Euro pro Jahr. Der Großteil der Bewerber sieht sich in einer Gehaltsspanne zwischen 40.000 und 80.000 Euro.

Die Gehaltsfrage spielt sowieso für lediglich rund 16 Prozent der Befragten eine zentrale Rolle bei der Auswahl des Arbeitgebers. Am schwersten wiegt für die künftigen Anwälte eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Diese bewerten ganze 40 Prozent als wichtigstes Kriterium für die Auswahl eines potentiellen Arbeitgebers. Ein hohes Gehalt ist zweitrangig, wichtiger ist vielen ein ausgeglichenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit. Und mehr als die Hälfte der Befragten wünschen sich echte Kollegialität. Und auch kulturelle Vielfalt und Chancengleichheit in der Kanzlei haben eine immer größere Bedeutung.

Wunsch trifft auf Wirklichkeit

Und wie reagieren die Sozietäten auf die veränderte Erwartungshaltung der heutigen Absolventen und Berufseinsteiger? „Bei vielen Kanzleien ist es heutzutage möglich, von zu Hause zu arbeiten oder Elternzeit zu nehmen“, sagt Schornstheimer. „Doch einen Associate, der ein Sabbatical genommen hat, sucht man lange. Und in Teilzeit arbeiten hauptsächlich Anwältinnen.“

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auch beim Thema Work-Life-Balance weit auseinander. "Nach allem, was man beobachten kann, tun sich speziell Kanzleien schwer, die Versprechungen einzuhalten, die sie der neuen Nachwuchs-Generation machen.“ Aus den Kanzleien hört man dann, der Mandant sei Schuld. „Im Arbeitsalltag stehen - verständlicherweise - die Mandanten an erster Stelle. Und wenn diese rufen, gilt es zu springen", sagt Schornstheimer.

Warum aber gehen die Kanzleien überhaupt auf die Forderungen des Nachwuchses ein? „Daran ist hauptsächlich der demografische Wandel Schuld“, sagt Personalberater Wollziefer. Die Tatsache, dass die Zahl der Absolventen sinkt, spielt den Bewerbern von heute in die Hände. „Manche sind sich durchaus bewusst, was sie wert sind. Das lassen sie die Arbeitgeber spüren“, erzählt Wollziefer. „Die Kanzleien haben also teilweise keine Bewerber mehr, sondern sie müssen sich bei den Kandidaten bewerben.“

Der Markt hat sich gedreht. Für die großen Wirtschaftskanzleien ist das ein echte Herausforderung.


Die Kanzleien des Jahres in einer Tabelle

Fachgebiet

Kanzlei

Arbeitsrecht

Gleiss Lutz

Bankrecht

Allen & Overy

Baurecht

Kapellmann und Partner

Erbrecht / Stiftungsrecht

P+P Pöllath + Partners

Finanzrecht

Clifford Chance

Gesellschaftsrecht

Freshfields Bruckhaus Deringer

Immobilienwirtschaftsrecht

Clifford Chance

Insolvenzrecht

GÖRG

IT-Recht

Noerr

Kapitalmarktrecht

Hengeler Mueller

Medienrecht

SKW Schwarz

Mergers and Acquisitions

Hengeler Mueller

Pharmarecht

Hogan Lovells

Private Equity

P+P Pöllath + Partners

Prozesse

Noerr

Schiedsverfahren und Mediation

Linklaters

Steuerrecht

Flick Gocke Schaumburg

Strafrecht

Streck Mack Schwedhelm

Telekommunikationsrecht

Baker & McKenzie

Umweltrecht

Dolde Mayen & Partner

Urheberrecht

Bardehle Pagenberg

Venture Capital

Taylor Wessing

Wettbewerbsrecht

Freshfields Bruckhaus Deringer

Kanzleien des Jahres 2015. Handelsblatt-Edition basierend auf der 7. Ausgabe des Best-Lawyers-Ratings (www.bestlawyers.com/Germany)

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