Nachrichten & Meinung Die Bilfinger-Baustellen
Wenige Monate vor dem Einstieg des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) präsentiert sich Deutschlands zweitgrößter Baukonzern Bilfinger Berger auf Erfolgskurs. Das Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) verdoppelte sich nach vorläufigen Zahlen 2010 auf 343 Millionen Euro. Und auch unter dem Strich verdiente der Konzern mit 284 Millionen Euro zweimal so viel wie im Vorjahr.
Dennoch steht der Baukonzern vor einigen Herausforderungen, wenn Koch Herbert Bodner an der Bilfinger-Spitze ablöst. wiwo.de gibt einen Überblick.
Vor knapp zwei Jahren, am 3. März 2009, stürzte in der Kölner Innenstadt am Waidmarkt oberhalb einer unter anderem von Bilfinger Berger verantworteten U-Bahn-Baustelle das Stadtarchiv-Gebäude mitsamt angrenzender Gebäudeteile völlig unerwartet innerhalb von Sekunden ein. Zwei Menschen starben dabei. Der Bestand des Stadtarchivs mitsamt zigtausenden unersetzbaren Dokumenten aus der Kölner Geschichte wurden unter Schutt begraben. Die Bergung der Archivalien mittels eines eigens angelegten Bergebauwerks ist jetzt erst abgeschlossen. Um die tatsächlichen Ursachen des Unglücks herauszufinden, muss nun ein hoch kompliziertes Besichtigungsbauwerk in die Tiefe des Unglücksortes gebaut werden, damit Staatsanwälte und Gutachter die unterirdischen Schlitzwände in Augenschein nehmen können, die die ursprünglich U-Bahn-Baustelle hätten stabilisieren sollen. 2011 kann also zum Jahr der Wahrheit werden für Bilfinger. Bisher versuchte Vorstandschef Herbert Bodner, die Verantwortung möglichst breit zu verteilen. Dass auch Züblin und Wayss & Freytag der Arbeitsgemeinschaft angehören, die mit Bilfinger diesen Teil der Kölner U-Bahn-baut, hat die Öffentlichkeit aber wenig interessiert. Bilfinger ist schließlich technischer Führer des Teams. Und übel genommen wurde Bodner, dass er nicht einmal ohne juristisch relevante Anerkennung einer Schuld, persönlich zum Unfallort kam. Selbst wenn Bilfinger die finanziellen Risiken gut versichert hat – der Imageschaden und der Umgang mit dem Unglück bleiben in Erinnerung, und man darf gespannt sein, wie der politisch versierte Bilfinger-Nachfolger damit umgeht.
Texte: Harald Schumacher
Foto: dpa
Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch wird im März als Lehrling in den Bilfinger-Vorstand einziehen und im Juli die Nachfolge des Vorstandschefs Herbert Bodner antreten. Eine spektakuläre Personalie – aber keine, die Begeisterung auslöste. Als sie bekannt wurde im Herbst vergangenen Jahres, ging die Bilfinger-Aktie an der Börse erst einmal in die Knie. Dass der Mannheimer Baukonzern nun auf Koch-Kurs geht, löste selbst bei Führungskräften Skepsis aus. 57 Prozent von ihnen, so ergab eine Umfrage des manager magazins unter rund 300 Top-Entscheidern, lehnten den Wechsel aus der hessischen Staatskanzlei in die Chefetage des M-Dax-Konzerns ab. Die Frage ist, ob Koch zuwenig Kenntnisse des Bau-Geschäfts mitbringt – oder womöglich sogar zuviel. So sieht das jedenfalls die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International. Deren Deutschland-Chefin Edda Müller erinnerte daran, während Kochs Regierungszeit habe Bilfinger einen 80-Millionen-Euro-Auftrag für den Bau der Nordwest-Landebahn des Frankfurter Flughafens bekommen. Müller findet es „bedenklich, dass Koch ausgerechnet in diesem Bereich seine berufliche Zukunft sucht“, weil der Eindruck entstehen könne, der Chefposten sei „eine Belohnung für früheres Wohlverhalten“. Sicher darf man sein, dass Konkurrenten und Medien nun dreimal hinschauen, wenn Bilfinger unter Koch öffentliche und politisch beeinflusste Aufträge erhält oder öffentlich-private Partnerschaften einfädelt. Foto: rtr
Immer wieder gerät Bilfinger Berger wegen des Bauunternehmens Julius Berger in Nigeria in den Verdacht unlauterer Auftragsakquise. Bilfinger ist am größten Baukonzern des westafrikanischen Landes mit 49 Prozent beteiligt. Obwohl wichtige Teile des Julius-Berger-Geschäfts von Wiesbaden aus gesteuert werden und deutsche Manager an Schlüsselpositionen sitzen, hält sich Bilfinger bei kritischen Recherchen zu Julius Berger gerne zurück und verweist Anfragen an die Julius-Berger-Zentrale in Abuja. Ohne Anerkenntnis einer Schuld hatte Julius Berger 2010 einem Vergleich mit den nigerianischen Behörden über eine Zahlung von 29,5 Millionen Dollar zugestimmt. Aber die Sache ist nicht ausgestanden. Bodner bestätigte heute, dass Bilfinger derzeit dem amerikanischen Justizministerium Rede und Antwort stehen muss, weil in eines der unter Korruptionsverdacht stehenden Geschäfte ein amerikanischer Konsortialpartner involviert war. Julius Berger wird unter anderem verdächtigt, zusammen mit den US-Partnern Mitarbeiter des staatlichen Ölkonzerns Nigerian National Petroleum Corporation bestochen zu haben. 2005 soll ein Julius-Berger-Mitarbeiter dafür Bargeld von Frankfurt nach Lagos gebracht haben. Bilfinger-Berger-Chef Bodner ging heute erstmals deutlich auf Distanz zu der 49-Prozent-Tochter. Die Frage, ob es bei der Beteiligung bleibe, sei „Gegenstand ständiger Evaluation“, aber es gebe „gegenwärtig keine Entscheidung“, ob Bilfinger an der Beteiligung fest halte. Sollte sie zum Verkauf stehen, dürfte es angesichts der wachsenden juristischen Risiken schwierig sein, für das mit 18 000 Mitarbeitern größte Privatunternehmen Nigerias einen angemessenen Preis zu erzielen. Foto: AP
Die Bilanz für 2010 zeigt erneut, dass der Bau nur noch aus strategischen Gründen Teil des Bilfinger-Berger-Geschäfts ist und nicht, weil sich damit gut Geld verdienen lässt. Immerhin erwirtschaftete der Bereich Constructions 2010 einen betrieblichen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 31 Millionen Euro. 2009 waren es noch 73 Millionen Euro Verlust. Wie profitabel oder defizitär der Hochbau arbeitet, ist künftig beim Blick auf die Bilanz schwerer zu erkennen, weil er der Sparte Immobiliendienstleistungen zugeordnet wird. Angesichts des „höheren Mängelrisikos“ und gleichzeitig schlechter Margen baut Bilfinger den Bereich weiter ab und braucht ihn nur noch, um „synergetische Effekte“ (Bodner) mit den anderen Geschäftszweigen zu ermöglichen. Den Nachweis, dass der Konzern dafür das Bau-Know-how wirklich in den eigenen Reihen halten muss, wird Bodner-Nachfolger Koch erbringen müssen. Bodner betonte schon früher, dass sich Fonds und andere Anleger „eine schärfere Fokussierung wünschen“. Der Anteil am Gesamtvolumen des Konzerns „wird weiter abnehmen“, sagte Noch-Vorstandschef Bodner (Foto) heute und gibt seinem Nachfolger damit die entscheidende Weichenstellung für die kommenden Jahre vor. Foto: dpa
Bilfinger Berger verkauft in Kürze seine Tochter Valemus in Australien, die dort das zweitgrößte Bauunternehmen ist, für 700 Millionen Euro. Es fehlt nur noch das Okay der australischen Kartellbehörde. Damit steht Bilfinger rund eine Milliarde Euro für Akquisitionen zur Verfügung, und es ist klar, dass das Geld im Dienstleistungsbereich investiert wird. Die Kunst wird sein, es optimal zu investieren. Bilfinger habe „zehn bis 20 Firmen auf der Akquisitionsliste“, verriet Finanzvorstand Joachim Müller kürzlich. Da wird Bodner-Nachfolger Koch ein gutes Händchen beweisen müssen bei der Auswahl. Es gilt, überwiegend im Ausland die richtigen Konzerne und Unternehmen zu identifizieren, und zwar in allen drei Bilfinger-Dienstleistungebereichen Industrieservice, Kraftwerksservice und Gebäudeservice. Zukäufe müssen also nicht nur strategisch gute Entscheidungen sein, betonte Bodner heute: "Wir wollen keine Sanierungsfälle und zweifelhaften Firmen übernehmen." Foto: dpa
Sollte der deutsche Marktführer Hochtief tatsächlich vom spanischen Konzern ACS übernommen werden, wird Bilfinger Berger bald der größte selbständige deutsche Baukonzern sein - zumal die Nummer Drei der Branche – Strabag – unter österreichischer Regie steht. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, dessen Präsident Bodner ist, teilte angesichts des Kampfes um Hochtief schon besorgt mit, es gebe bei einem Sieg von ACS nur noch einen deutschen Baukonzern „von internationalem Format“, eben Bilfinger. Langfristig mindere das Chancen auf internationale Großaufträge und führe in der Baubranche zur Abwanderung „der besten Köpfe aus Deutschland“. Und wie sicher ist die letzte Bau Bastion vor einem Angriff, wie ihn nun Hochtief kaum mehr abwehren kann? Gar nicht, sagt Bodner ehrlich und offen. Der Streubesitz bei Bilfinger macht 100 Prozent aus. Der größte Anteilseigner ist die Bilfinger Berger SE selber mit gut 5 Prozent der Unternehmensanteile. Danach kommen diverse Investmentgesellschaften, Deutsche Bank und der Versicherungskonzern Axa mit Anteilen von zwei bis knapp 5 Prozent. Rund 70 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Nach einem Ankeraktionär habe Bilfinger zwar „immer mal die Augen offen“ gehalten, gestand Bodner kürzlich ein. Aber auch das garantiert ja keine Rettung – auch ACS war ja Großaktionär bei Hochtief. „Ein Unternehmen, dass sich zu 100 Prozent im Free Float befindet, kann sich nicht wirklich vor einer Übernahme schützen“, sagt Bodner – „nur durch einen guten Aktienkurs. Die Eigenständigkeit von Bilfinger ist allerdings nicht akut in Gefahr. Bis zum 16. September 2010 hätte man das über Hochtief allerdings auch gesagt. Foto: dpa
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