Es ist still geworden um die Schwellenmärkte. Dass vor 20 Jahren die aufstrebenden BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China Anlegerfantasien beflügelten, wirkt heute regelrecht peinlich. Russland ist mittlerweile uninvestierbar, Brasilien versinkt im Mittelmaß, China kämpft mit schwachem Wachstum. Nur Indien konnte den Hoffnungen gerecht werden. Bei den sogenannten Frontier Markets, Schwellenländern aus der zweiten Reihe, ist erst recht die Luft raus. Eigentlich sollten sie die etwas weiter entwickelten Schwellenländer noch übertreffen, noch spannender, chancenreicher, wachstumsstärker sein.
Zehn Jahre ist der Hype jetzt alt. 2014 erschien das Buch „Frontier Markets For Dummies“, das weitere optimistische Bücher, Medienberichte und Analysteneinschätzungen inspirierte. Von diesem Optimismus ist nicht viel übrig. Der Index MSCI Frontier Markets kam in den zurückliegenden zehn Jahren gerade einmal auf ein Plus von zwei Prozent pro Jahr – inklusive Dividenden. Mit Aktien aus klassischen Schwellenländern, den Emerging Markets, wären im Schnitt drei Prozent pro Jahr drin gewesen – mit Aktien von Industrieländern deutlich bessere zehn Prozent.
Das größte Problem der Grenzmärkte sind womöglich gar nicht ihre politischen und anderen Risiken, sondern sozusagen das Gegenteil: dass sich dort zu wenig tut. Wenigstens schwankt der Frontier-Markets-Index nicht sonderlich stark. Dominiert wird er von eher angestaubten Branchen: Mehr als ein Drittel der Aktien in dem Börsenbarometer sind Finanztitel. Passend zu den Gruselrenditen ist die zweitwichtigste Aktie im Index die Banca Transilvania. Daneben sind viele Immobilienunternehmen, Konsumgüterhersteller und Versorger enthalten.
Die für entwickelte Börsen seit langem wichtigste Branche fehlt: Nur 0,4 Prozent des Frontier-Markets-Index entfallen auf den Bereich Informationstechnologie. Die aber gehören, zumindest in Industriestaaten, zu den am dynamischsten wachsenden Unternehmen mit entsprechend hohen Kurszuwächsen. Für hohe Renditen ist darüber hinaus eine gewisse Marktmacht nötig, und zwar auf globaler Ebene. Die amerikanischen Tech-Giganten machen es vor. Unternehmen aus Grenzmärkten schaffen aber nur selten den Sprung ins Ausland. Eine Erfolgsgeschichte wie Amazon, Apple oder Microsoft können viele von ihnen so kaum schreiben: Ihre Märkte sind dafür schlicht zu klein.
Mit Stockpicking den Index schlagen
Für Privatanleger ist es ohnehin müßig, sich mit einzelnen Aktien aus den Frontier Markets auseinanderzusetzen. Außerhalb ihrer Heimat sind die Titel in der Regel kaum handelbar. Auch Indexfonds auf Frontier Markets gibt es nur wenige.
Wer unbedingt dort investieren will, greift besser zu aktiv verwalteten Aktienfonds. Deren Manager zeigen, dass sich mit dem richtigen Riecher in den Grenzmärkten doch ein paar Perlen finden lassen. Die Frontier-Markets-Fonds der renommierten Investmenthäuser HSBC, Schroders, T. Rowe Price und Templeton konnten allesamt in den vergangenen fünf Jahren kräftig an Wert zulegen und übertrafen den Index deutlich. Der Wilde Westen der weltweiten Aktienmärkte bestätigt so zumindest eine Markttheorie: Je ineffizienter der Markt, desto größer ist die Chance, mit Stockpicking den Index zu schlagen.
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