Nahbarkeit ist für Müller keine Floskel. Sie antwortet Kunden persönlich via Twitter und besucht Händler, wie an diesem Sommertag in Berlin oder einige Wochen zuvor im hessischen Witzenhausen. Das dort ansässige Autohaus gibt es seit 1959. „Noch nie hatten wir so hochrangigen Besuch“, sagt Geschäftsführer Jörg Heidenreich. Müller war im Internet auf kreative Werbevideos des Händlers gestoßen und gratulierte ihm dazu per E-Mail. Es folgte ein lockerer Austausch, er lud sie ein – sie sagte zu. „Das war kein Lippenbekenntnis, drei Stunden später stand der Termin“, sagt Heidenreich.
Durch solche Aktionen und ihre bisherige Arbeit konnte Müller anfängliche Skepsis zurückdrängen. „Im ersten Moment war die Besetzung für viele Händler ein Schreck“, sagt Stefan Quary, Vorstandsmitglied beim Verband Deutscher Opel-Händler. Hatte Müller ihre Erfolge bis dahin doch in der Kosmetikbranche gefeiert und ihre Autos meist nach Farbe ausgewählt. „Ein Jahr später bewerten dieselben Händler ihre Arbeit sehr positiv“, sagt der Verbandsvorstand.
Der Wendepunkt sei die „Umparken im Kopf“-Kampagne gewesen. Auf Tausenden Plakaten, in den sozialen Medien und im TV sollte sie mit den Vorurteilen gegenüber Opel aufräumen. Im Februar startete die Imageoffensive, für die nicht nur Jürgen Klopp, sondern auch neue Gesichter wie Schauspielerin Karoline Herfurth vor die Kamera traten. Denn für Müller sind Promis der Schlüssel zu Aufmerksamkeit und Glamour. Auch wenn ausgerechnet der beliebteste Markenbotschafter Jürgen Klopp eher im Flut- als im Scheinwerferlicht zu Hause ist und schon vor Müller für Opel tätig war, das Konzept scheint aufzugehen.
Offensiv gegen Vorurteile
Seit März 2014 ist Opel laut Marktforschungsinstitut Innofact die meist wahrgenommene Marke Deutschlands. „In einer Welt, in der so viele Eindrücke auf die Konsumenten einprasseln, ist es wichtig, sichtbar zu werden“, sagt Bratzel. „Das hat Tina Müller geschafft.“
Der Grund: „Sie ist radikaler als andere“, sagt Quary. „Kein anderer Manager hätte die Vorurteile gegenüber Opel so offensiv aufgegriffen.“ Und sich womöglich für den ersten Vorschlag zur Imagekampagne entschieden, der auf die historischen Verkaufsschlager der Marke abzielte. „Das hätte nicht funktioniert“, sagt Müller. „Die goldenen Zeiten sind zu lange vorbei. Außerdem wäre das nicht mutig genug gewesen.“
Unkonventionelle Initiativen, wie günstige Mietwagen für gestresste Berliner, solange die S-Bahnen zwischen den Stationen Zoologischer Garten und Ostbahnhof wegen Bauarbeiten entfallen, tragen Müllers Handschrift. Dieser Mut, gepaart mit offensiver PR-Arbeit, sorgen für den nötigen Rummel. Die Managerin selbst tritt im Web-Video zu obiger Aktion auf, gibt Interviews am laufenden Band – egal, ob „Brigitte“ oder „Auto Motor und Sport“. Was die einen als clevere Marketingstrategie bezeichnen, belächeln andere als Kampagne in eigener Sache – und mutmaßen, Müller versuche sich so schon für die nächste Aufgabe in Position zu bringen.
Der nächste Schritt zählt
Wesentlich freundlicher geht es bei der morgendlichen Besprechung im Berliner Autohaus zu. Müller sitzt mit dem Geschäftsführer und seinen Angestellten am Tisch im schmucklosen Konferenzraum, lauscht aufmerksam, stellt Fragen zu Werbeanzeigen und zum Verkauf. Am Ende der Besprechung fasst sich ein Verkäufer ein Herz: „Was passiert nach ,Umparken im Kopf‘?“
Eine Frage, die sich auch die Kritiker der Kampagne stellen. Denn so richtig es gewesen sei, zunächst das Image zu thematisieren, so wichtig wäre jetzt der nächste Schritt. „Die Verbraucher wollen wissen, wofür Opel steht“, sagt etwa Marktforscher Dirk Ziems, von Concept m, der kürzlich eine Befragung zu „Umparken im Kopf“ durchführte.