Büromöbel "Jedes Büro sollte mehrere Sofas haben"

Die Einrichtung der Büros sagt eine Menge über die Kultur eines Unternehmens: Der Europachef des Büromöbel-Herstellers Haworth über Wohnmöbel bei der Arbeit, den schweren Weg zum Profit und Powernapping auf der Arbeit.

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Haworth „Openest Collection“ Quelle: Presse

Herr Figge, was würden Sie an diesem Raum ändern?
Die Atmosphäre. Der Raum ist relativ nüchtern, mit fehlt die Inspiration. Die Kombination aus Bürostühlen, einem Konferenztisch und einem Bildschirm an der Wand macht den Raum sehr formell. Das engt die Nutzung ein. Zusätzliche niedrigere Sitzgelegenheiten und weitere Lounge-artige Möbel würden mehr Kreativität bringen. Und noch etwas...

Ja?
Die Kombination aus Buchenholz beim Tisch und den Armlehnen der Stühle mit schwarzen Bezügen – das war vielleicht im Jahr 2000 beliebt. Danach kam eine Phase mit Ahorn und Aluminium, heutige Einrichtungen sind meist weiß.

Wer erfindet solche Trends? Ihre Branche, um immer wieder neue Möbel zu verkaufen?
Jedes Unternehmen versucht natürlich, Produkte zu entwickeln, die in Farbe, Form und Haptik den aktuellen Geschmack der Kunden zu treffen. Die Trends aber erfindet die Büromöbelbranche nicht. Sie orientiert sich inzwischen am Wohn-Geschmack. Denn die Grenzen verwischen: Büros werden immer wohnlicher, und zuhause wird mehr gearbeitet.

So sieht ein inspirierendes Arbeitsumfeld aus
Erlebnisspielplatz bei Google Quelle: Presse
Das Adidas Headquarter in Herzogenaurach Quelle: Presse
Amsterdamer Büro von Booking.com Quelle: Presse
Spielbereich bei Lego Quelle: Presse
VW-Bus-Zelt bei Facebook Quelle: Presse
Blick in das Goodgame Studios Büro Quelle: Presse
Gewächshaus im Büro von Travelbird Quelle: Presse

Warum ist das so?
Durch Laptop, Skype und Smartphone kann man heute fast überall arbeiten: im Café, zu Hause – und natürlich auch im Büro. Arbeitgeber, die die Anwesenheit im Büro vorschreiben, sterben aus. Dabei hat das Büro ja auch Vorteile: Man trifft Kollegen, tauscht sich aus, entwickelt Ideen. Daher müssen die Arbeitgeber ein Umfeld schaffen, das ihre Mitarbeiter aufsuchen, weil es ihnen einen Mehrwert gegenüber anderen Arbeitsorten bietet. Dazu gehört ein angenehmes Ambiente.

Andererseits sparen ja Unternehmen Geld, wenn sie weniger Büroplätze bereithalten müssen – unter anderem Kosten für Möbel.
Das ist noch der geringste Posten, entscheidender sind natürlich die Raummieten. Aber viele Unternehmen brauchen einfach einen Ort der Begegnung, gerade weil die Wissensarbeit zunimmt. Und jedes Büro erzählt eine Geschichte über die Kultur des Unternehmens. Deshalb hat die Einrichtung Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter.

Wie meinen Sie das?
In einem sachlichen Konferenzraum wie hier wird es selten ein wildes Brainstorming geben – das finden Sie eher in einer informelleren Atmosphäre. Jedes Büro sollte daher mehrere Sofas haben. Je näher ein Mensch am Boden sitzt, desto offener ist seine Einstellung und die Gespräche werden fruchtbarer. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Deshalb braucht ein Unternehmen verschieden eingerichtete Räume.

„Orientieren uns am Wandel der Autokonzernen“

Welche Rolle spielt Technik?
Eine große. Wir setzen etwa auf kabellose Technik für Präsentationen – denn da kann sich jeder einklinken, indem etwa der Bildschirm geteilt wird. Früher hieß es: Wer das Kabel hat, hat die Macht. Jetzt geht es demokratischer zu.

Wollen das überhaupt alle Manager?
Nicht alle, aber die erfolgreichen schon. Das Problem sind die mittleren Führungsebenen, die Lehmschicht eines Unternehmens. Dort wollen viele immer noch durch Statussymbole und Wissensvorsprünge ihre Wichtigkeit zur Schau stellen.

Wie ändert sich Ihr eigenes Unternehmen?
Ein Computerhersteller wie IBM bietet heute statt Hardware vor allem Software an, Autokonzerne wandeln sich von Produzenten zu Anbietern von Carsharing und Mobilität. Daran orientieren wir uns bei Haworth. Vielleicht verkaufen wir in einer Dekade unseren Kunden nicht mehr einen Tisch und einen Stuhl, sondern eine Stunde Arbeitszeit an einem Ort. Die Kunden wollen schon heute Komplettlösungen in Anwendung sehen, nicht ein einzelnes Produkt.

Wie machen Sie das?
Wir haben einen Coworking-Space in Berlin eröffnet. Dort können etwa Selbstständige arbeiten, die nicht nur im Home Office sitzen wollen, oder auch Geschäftsreisende. Sie haben dort einen Ort, an dem sie sich austauschen können, aber sich auch ganz in Ruhe zurückziehen können. Partner von uns haben dort etwa die Wandgestaltung übernommen und die Akustik. Dort zeigen wir Kunden, was wir können.

So gelingt das Zusammenleben im Großraumbüro
Nach Funktionen zusammen sitzenMenschen sollten im Großraumbüro nach Funktionen zusammen sitzen. So können sie sich gut austauschen und werden weniger durch die Arbeit der anderen abgelenkt – schließlich arbeiten ohnehin alle gleich. Quelle: ZB
Handys lautlos schaltenJe mehr Smartphones im Großraumbüro singen, piepsen und brummen, desto nerviger wird die Zusammenarbeit. Daher sollte jeder sein Handy lautlos stellen. Quelle: AP
Gegenseitige AkzeptanzMuss man sich im klassischen Einzelbüro den Raum - wenn überhaupt - mit einer Person teilen, sitzen Menschen in Großraumbüro zu zehnt oder mehr zusammen. Verschiedene Charaktere mit verschiedenen Einstellungen, Erwartungen und Marotten treffen hier aufeinander. Das kann zu Konfliktpotenzial führen. Also gilt es, sich gegenseitig zu akzeptieren.   Quelle: dpa
Offene AussprachenWenn jemanden etwas stört, dann sollte er das auch kundtun. Sein Ärgernis über das laute Tippen des Sitznachbarn oder die ewig schlechten Witze des Hintermanns runterzuschlucken, führt nur zu mehr Verärgerung – und verschlechtert das Betriebsklima. Also gilt es, sich einfach locker, freundlich und unvermittelt auszusprechen: „Kannst du bitte ein wenig leiser tippen?“ oder „Kannst du etwas leiser sprechen?“ wirken mehr als, wenn irgendwann die angestaute Wut motzend aus einem herausbricht. Quelle: Fotolia
Distanz haltenJeder Mensch hat eine Intimzone von etwa 50 Zentimetern. Und die sollten Kollegen einhalten, auch wenn es im Großraumbüro schnell eng werden kann. Was für den einen eine angenehme Nähe ist, kann dem anderen schließlich schon zu nah sein. Quelle: Fotolia
Auf die Worte achtenAußer vielen Kollegen finden sich in Großraumbüros auch immer doppelt so viele Ohren. Und nicht jedes Ohr muss gleich jede Intimität oder Privatsache mitbekommen. Daher sollte man auf seine Worte achten und private Gespräche lieber draußen abhalten. Quelle: dpa
Riechendes Essen verbannenEin Großraumbüro, viele Geschmäcker. Wenn Chinabox, Dönertasche und Pizza mit Knofi aufeinander treffen, sorgt das für eine Atmosphäre, in der sich niemand wohlfühlt. Um Gerüche, die sich in Möbeln und Kleidern festsetzen, zu vermeiden – sowie die  Konflikte die dadurch entstehen, weil manche Kollegen gewisse Düfte nicht ertragen können oder wollen, sollten Chefs geruchsintensive Gerichte im Großraumbüro verbieten. Quelle: dpa

Was lernen Sie daraus?
Wir bekommen wichtige Anregungen für unsere Produktentwicklung. Wir brauchen heute ein breiteres Portfolio für die verschiedenen Anwendungen – eben bis hin zu Sofas.

Dennoch haben Sie kürzlich ein Werk geschlossen.
Das ist richtig. Als ich vor drei Jahren in Deutschland angefangen habe, hatten wir zwei Werke, eines für Systemmöbel und eines für Sitzmöbel. Damals reichte unser Umsatz nicht, um zwei Werke profitabel zu betreiben. Daher haben wir das Werk in Ahlen geschlossen. Zugleich bauen wir unseren Sitz in Bad Münder aus. Und wir arbeiten verstärkt mit Partnern: Lounge-Möbel und Akustiklösungen etwa kaufen wir zu. Da fehlt uns das Know-how.

Wie hat sich das auf die Mitarbeiterzahl ausgewirkt?
In Europa arbeiten 1000 Menschen für Haworth, davon 270 in Deutschland. Vor drei Jahren waren es 320. Wir haben zugleich an unserer Kultur gearbeitet: Damals fehlte das Empfinden, dass wir ein Unternehmen sind – auch der Historie geschuldet, weil Haworth mehrere Unternehmen und Marken aufgekauft hat. Das haben wir geändert.

Wie das?
Ich habe ein Team aus zwölf überwiegend jungen Mitarbeitern aus ganz Europa zusammengestellt, das frei überlegt hat, wie wir ein gemeinsames Unternehmen werden. Das Management-Team, auch ich, durfte denen nicht reinreden. Sie haben unter anderem unseren Eigentümer Matthew Haworth aus den USA eingeladen. Schließlich soll das Unternehmen weniger hierarchisch werden. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg.

„Schlafkapsel fürs Powernapping entwickelt“

Auch finanziell?
In Europa wachsen wir in diesem Jahr beim Umsatz zweistellig auf der Basis von 160 Millionen Euro im Jahr 2014. In Deutschland erwarte ich ein zweistelliges Umsatzwachstum, so dass wir hier 2015 über 80 Millionen Euro erreichen werden. Beim Gewinn tun wir uns schwerer. Wir haben Grundstücke in Italien verkauft, deren Wert wir in der Bilanz berichtigen mussten. Daher weisen wir ein negatives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 16,6 Millionen Euro in Deutschland aus. Ohne diese Grundstücks-Sache wären es vier Millionen Euro Verlust aus dem Tagesgeschäft – nach sechs Millionen im Vorjahr.

Trägt das die Konzernzentrale in den USA mit?
Ja, die finanzieren uns. Wir brauchen daher keine Bankkredite. Stattdessen haben wir eine Kapitalspritze von 35 Millionen Euro von unserem Konzern bekommen. Wir sind in Deutschland auf dem richtigen Weg, kommen aber nicht ganz so schnell in die Profitabilität, wie ich das wollte. Unter anderem müssen wir nämlich ein Gebäude wegen Brandschutzauflagen neu bauen. Daher montieren wir unsere Sitzmöbel derzeit an einem Interimsstandort, und Logistik und Lager mussten einen geplanten Umzug verschieben.

Werden Sie 2016 in Deutschland profitabel sein?
Davon gehe ich aus. Und Sie müssen sehen, dass wir international sehr gut aufgestellt sind. Auch mit dem Europageschäft bin ich zufrieden. Wir wachsen etwa in Frankreich und Großbritannien deutlich – teilweise gegen einen stagnierenden Markt. Sie sehen unsere Stärke auch daran, dass wir im vergangenen Jahr die italienische Poltrona-Frau-Gruppe gekauft haben.

Was ist die Idee dahinter?

Wir expandieren damit in neue Bereiche wie Wohnmöbel. Mit der Marke Cappellini, die zu der Gruppe gehört, stärken wir unsere Designkompetenz. Der Designer Guilio Cappellini will uns auch bei Büromöbel unterstützen, denn auch er meint, dass Aspekte aus der Wohnkultur in die Büros drängen.

Gibt es denn ein Möbel, das in heutigen Büros fehlt, das aber dringend vorhanden sein müsste?
Wir haben zusammen mit einem französischen Telekommunikationsunternehmen eine Schlafkapsel entwickelt fürs Powernapping. Licht und Geräusche helfen, für eine Viertelstunde zu schlafen – und wecken auch rechtzeitig wieder. Das nutze ich auch ab und zu. Einige Großkonzerne haben dieses Möbel schon angeschafft. Es sollten mehr werden.

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