Die Deutschen bekommen seit Jahren zu wenig Kinder. Eine Konsequenz, die sich jetzt zeigt: Viele deutsche Arbeitgebern bekommen zu wenig Bewerbungen für Lehrstellen. Viele Stellen bleiben sogar unbesetzt.
„Heute müssen wir auch Bewerber nehmen, die früher keine Chance auf eine Ausbildung gehabt hätten“, sagt Gerhard Braun, Vizepräsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BD). Die Unternehmen haben nach Einschätzung des BDA-Vize zunehmend Probleme, genug Bewerber zu finden. „Wir sehen einen Rückgang der Bewerber für eine duale Ausbildung, obwohl die duale Ausbildung an Attraktivität gewonnen hat, seit man nach erfolgreichem Abschluss auch ohne Abitur studieren kann“, sagte Braun. Die Unternehmen machen laut Braun daher verstärkt Werbung, um Bewerber zu finden.
Außerdem ist Großzügigkeit das Mittel, auf das viele Arbeitgeber jetzt setzen. Sie locken potenzielle Ausbildungsbewerber nun mit Extraleistungen. Auslandspraktika, Abschlussfahrten, eine Auto für den „Azubi des Jahres“ oder Geschenke wie Netbooks, Laptops oder Smartphones werden dann schon bei den Stellenanzeigen für Ausbildungsplätze versprochen.
Autos für die Besten
So bietet der Lebensmittelkonzern Rewe seinen Auszubildenden nach Beendigung der Ausbildung eine Abschlussfahrt und ehrt die regional und national besten Azubis. Einen sogenannten „Azubi Award“ nutzt auch die Gastronomiekette Marché, die zur Unternehmensgruppe der Mövenpick Holding gehört, um die hauseigenen Ausbildung schmackhaft zu machen.
„Bei dieser coolen Veranstaltung triffst du auf all unsere Auszubildenden aus der Schweiz, aus Deutschland und Österreich. Dabei kannst du dich als beste Gastgeberin mit Organisationstalent oder aber als ausgezeichneter Zahlenmensch mit Leidenschaft für Essen und Trinken beweisen“, beschreibt Marché die Azubi-Auszeichnung. Wer ausgezeichnete Leistungen bringt, bekommt bei Marché eine besondere Belohnung: Im dritten Lehrjahr bekommen die besten Azubis für ein Jahr kostenlos einen Smart.
Damit steht Marché aber nicht alleine da. Autos als Anreiz für die Lehrlinge gibt es häufiger. Auch das Medizintechnikunternehmen World of Medicine AG (WOM) setzt auf einen Pkw als Belohnung: „Unser stärkster Azubi fährt für ein Jahr einen ‚VW UP‘!“ beendet WOM die Stellenanzeige für Auszubildende. Und auch bei K&S - Dr. Krantz Sozialbau und Betreuung – gibt es für den „Azubi des Jahres“ ein Auto. Jedes Jahr zeichnet das Familienunternehmen aus Sottrum bei Bremen eine angehende Pflegekraft aus seinen Seniorenresidenzen aus. Als Prämie: für ein Jahr ein eigener Smart zur freien Verfügung.
Handyverträge und Laptops zum Vertragsabschluss
Kleinere, aber dafür längerfristige, Geschenke bietet zum Beispiel der Unterwäschehersteller Palmers seinen Azubis an. Jeder, der bei Palmers einen Ausbildungsvertrag unterschreibt, bekommt ein iPhone geschenkt. Für zwei Jahre gibt es darüber hinaus einen Flatratetarif mit 1.000 Frei-SMS und 1.000 Freiminuten in alle Netze sowie 5 GB Datentarif.
Die Helios Kliniken wiederum statten ihre Schüler und Auszubildenden seit Herbst 2009 mit Laptops aus – zur dienstlichen und privaten Nutzen. Das steht sogar im Konzerntarifvertrag. Wer seine Ausbildung erfolgreich abschließt, kann den Laptop privat weiternutzen.
Der Survival-Guide für Berufseinsteiger
Nur neun Prozent der Arbeitgeber sagen, dass Schulen und Universitäten ohne Mängel arbeiten. Der Rest ist unzufrieden mit dem, was die jungen Auszubildenden wissen. Thilo Braun und Martin Laschkolnig haben einen Ratgeber für Karriere-Einsteiger herausgegeben („Die Bildungslücke“, Börsenmedien Verlag). Die Kernthesen in aller Kürze.
Verdiene ich es, glücklich zu sein? Über 90 Prozent der Deutschen haben zum Teil ernsthafte Zweifel, diese Frage mit „ja“ zu beantworten. Viel zu oft fehlt es an Selbstwertgefühl – übrigens gerade bei den Menschen, die arrogant auftreten. Gelassene Typen balancieren Wert und Kompetenz aus.
Respekt verschaffen Sie sich nicht, indem Sie auf den Tisch hauen. Verwechseln Sie nicht Härte mit Stärke. Wer stark ist, muss nicht hart sein, und das verschafft Respekt. Und der kann nur auf Augenhöhe funktionieren. Denken Sie daran: Das Lateinische „respicere“ bedeutet „zurückblicken“.
Der erste Schritt ist der Unterschied zwischen Sinn und Gehorsam. In der Schule muss man Dinge tun, im Berufsleben verändert sich das Paradigma der Disziplin im Idealfall hin zu Verantwortung. Man sollte wissen, was wann zu tun ist und einen klugen Umgang mit Energie, Tempo und Dynamik pflegen. Zudem zählt Teamfähigkeit viel mehr als in der Schule: Man kann nur gemeinsam ans Ziel kommen.
Eines der wesentlichsten Dinge, die an Schulen unzureichend erlernt werden, ist Zeitmanagement und das optimale Setzen von Prioritäten. Entdecken Sie Ihre persönlichen Zeitfallen (schlechte Planung, falsche Ziele oder Prioritäten, ständige Störungen, Ablenkungen…). Und ziehen Sie regelmäßig Bilanz über Ihr Zeitmanagement.
Konflikte sind im Berufsalltag nicht zu vermeiden und der Umgang mit ihnen entscheidend für das Fortkommen im Betrieb und die Lebensqualität. Allerdings bereiten Pädagogen junge Leute nur unzureichend darauf vor, kein Wunder angesichts der Umstände. Lernen Sie, Mobbing schnell zu erkennen und gehen sie Problemen nicht aus dem Weg. Offenheit, Zuhören, Perspektivenwechsel und geschicktes Reden kann man lernen.
Wissen ist die eine Dimension – doch damit allein wird niemand zur Führungsfigur. Charisma zu entwickeln gelingt einigen Schülern von selbst, aber jeder kann es entwickeln zum Beispiel bei der Beantwortung folgender Fragen: Sind Sie verbindlich in Ihrem Auftreten? Können Sie sich und andere begeistern? Ergreifen Sie die Initiative? Berücksichtigen Sie die Perspektiven anderer? Beherrschen Sie nonverbale Kommunikation? Sind Sie authentisch?
Kommunikation ist das A und O. Überlegen Sie nicht, was Sie sagen wollen – sondern was bei Ihren Empfängern ankommen soll. Widmen Sie Überschriften und Betreffzeilen besonders viel Zeit. Überlegen Sie auch, was Sie beim Schreiben weglassen können. Verlieben Sie sich nicht in Formulierungen.
Wenn man etwas von den US-Amerikanern lernen kann, dann das "Tellerwäscher-Denken". Dass sie die Initiative ergreifen in dem Glauben, alles schaffen zu können. Haben Sie Mut, entdecken Sie Ihre Antreiber und glauben Sie an sich!
Die Buchautoren weisen auch darauf hin, dass es Defizite gibt bei der Vorbereitung der jungen Menschen im Hinblick auf den Umgang mit ihrem Körper: Ernährung, Bewegung, Alkohol und Rauchen. In einem der Gastbeiträge geht es um diese Faktoren, die einer erfolgreichen Karriere sehr oft im Wege stehen.
Dagegen wirken die Möglichkeiten, eine Zeit der Ausbildung im Ausland zu verbringen, beinahe schon langweilig, gehören aber mindestens bei den großen Konzernen ebenfalls schon zum normalen Angebot dazu, um die besten Bewerber anzuziehen.
Abenteuerlustige Bäcker gesucht
Klassische Handwerksberufe versuchen es übrigens schon länger mit Lockangeboten. Vor zwei Jahren startete zum Beispiel der Zentralverband der Deutschen Bäckerhandwerks eine besondere Aktion, um dem Ausbildungsmangel vorzubeugen: Bäcker können seit 2010 wieder auf die Walz gehen. Eine alte Tradition, die wieder modern sei und vielleicht abenteuerlustige Schulabgänger locken könnte. „Die Bäckerwalz ist gerade im Zeitalter der Mobilität und Flexibilität eine sehr gute Ausbildungsvariante“, so Peter Becker, Präsident des Zentralverbands. Die Tradition der Wandergesellen erweitere den Horizont und sei eine persönliche Herausforderung, die einen gewissen Mut erfordere.
Übrigens scheinen Unternehmen auch die finanziellen Anreize für potenzielle Auszubildende zu verbessern. So verdienten diese laut dem Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im vergangenen Jahr deutlich besser.
Durchschnittlich bekam ein Azubi 2012 vier Prozent mehr als 2011, nämlich 730 Euro pro Monat.
Mit Material von dpa