Managerin in Teilzeit Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

Sarah Fix-Bähre ist Managerin bei Google Deutschland. Vor einem Jahr bekam sie einen kleinen Sohn. Im Gastbeitrag schreibt sie über ihren Wiedereinstieg in den alten Job, über Ängste und Chancengleichheit.

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Warum sollten Frauen, bei gleicher Qualifikation und Arbeitsleistung, nicht dieselben Positionen wie männlichen Kollegen offenstehen? Quelle: dpa

Hamburg Frauen in Führungspositionen sind in vielen Unternehmen der Tech-Branche glücklicherweise keine Exoten mehr, auch wenn Statistiken zu Recht noch Aufholbedarf zeigen. Als ich vor neun Jahren direkt nach dem Studium bei Google einstieg, hatte ich gleich das Gefühl, dass mir hier dank Führungskräfteprogrammen und Job-Rotationen ins Ausland viele Türen offen stehen.

Meinen Weg bzw. den Aufstieg von Frauen in eine Führungsposition sehe ich jedoch dezidiert nicht als einen alleinigen Verdienst der jeweiligen Firma. Dies haben wir in erster Linie uns selbst zu verdanken – denn warum sollten uns, bei gleicher Qualifikation und Arbeitsleistung, nicht dieselben Positionen, die auch den männlichen Kollegen im Unternehmen angeboten werden, offen stehen?

Bis ich schwanger wurde, hatte ich im Bezug auf Karriere also alles „richtig“ gemacht. Insbesondere hatte ich dabei Sheryl Sandbergs Credo „Don’t leave before you leave“ verinnerlicht – ich habe Chancen ergriffen, unabhängig von dem Wissen, dass ich bald eine Familie gründen möchte. Meine Aufgabe als Managerin sah ich neben der Führung meines Teams auch immer darin, gerade meine Kolleginnen zu coachen und in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Ich ermutigte sie, Chancen zu ergreifen, Erfolge aktiv zu kommunizieren, Netzwerke zu pflegen und darauf zu achten, dass sie „mit am Tisch sitzen“.

Diversity – in der landläufigen Wahrnehmung und Anwendung des Begriffes – war für mich dabei weniger ein Thema, denn an dem Begriff störte mich immer, dass er die Unterschiede betont. Als Führungskraft habe ich mich aber für Gleichheit interessiert, genauer für gleiche Chancen und Voraussetzungen.

Dann wurde ich mit Mitte 30 schwanger – und obwohl ich mich als emanzipiert und aufgeklärt sehe, machte sich neben der Freude ein weiteres Gefühl breit: Das schlechte Gewissen. Man hatte mir doch gerade erst eine Führungsrolle anvertraut. Hierin sehe ich einen Hauptgrund, warum viele Managerinnen bereits während der Schwangerschaft, bewusst oder unbewusst, in Überleistung gehen. So wollte auch ich allen zeigen, dass sich nichts geändert hat und sich auch nach der Elternzeit nichts ändern würde.

Meine Vorstellung war klar: Mein (Arbeits-)Leben sollte so weiter gehen und das Kind kommt eben „on top“. Der Realitätsclash hätte drastischer nicht sein können. Plötzlich fand ich mich, mein Kind im Tragetuch durchs Hamburger Grindelviertel spazierend, zwischen den Welten wieder. Ich war keine typische „Karrierefrau“ mehr, wollte aber auch nicht „nur“ Mutter sein – ich wollte beides. Trotzdem war nicht zu übersehen: das Prinzip „on top“ würde nicht funktionieren.


Karriere und trotzdem Zeit für die Familie

Flexible Arbeitszeitmodelle, wie sie auch bei Google die Regel sind, sollen Frauen in dieser Situation die Rückkehr in eine Führungsposition ermöglichen. Warum muss man dennoch oftmals ganz genau hinschauen, um Managerinnen in Teilzeit zu finden – und das branchenübergreifend? Die Diskrepanz zwischen den „guten Absichten“ für Mütter und der Realität in vielen Unternehmen spricht nach wie vor eine andere Sprache.

In Deutschland weit verbreitete Vorbehalte gegen Karriere in Teilzeit sind mit Sicherheit ein Grund. Dies betrifft damit vor allem Mütter beim Wiedereinstieg nach deCher Elternzeit, weil die Erziehung der Kinder nach wie vor de facto überwiegend von Frauen übernommen wird, während nur ein Bruchteil der Männer Elternzeit über die sogenannten zwei „Vätermonate“ hinaus nimmt. Zum anderen sind es aber insbesondere auch innere Konflikte, die ich im folgenden in den Fokus setzen möchte.

Als ich meinen Wiedereinstieg nach der Elternzeit plante, beschäftigte mich eine Frage, die eine Top-Managerin jüngst in einer Keynote stellte: „Was würden Sie tun, wenn sie keine Angst hätten?“ Meine Antwort – und sicherlich auch die vieler anderer Frauen in der gleichen Position: ich möchte arbeiten, aber weniger, und dennoch ein Team führen. Ich möchte weiterhin Karriere machen, aber auch ausreichend Zeit mit meiner Familie verbringen. Meine Prioritäten haben sich durch das Muttersein nicht grundlegend geändert, es sind aber neue hinzu gekommen.

Die Lösung für mich bestand darin, ein klares Anforderungsprofil für mich selbst, aber auch für mein berufliches und privates Umfeld zu formulieren. Dabei ist es wichtig, sich stets bewusst zu sein und auch klar zu kommunizieren, dass man sich nicht, auch nicht als Führungskraft, dafür entschuldigen muss, in Teilzeit zu gehen.

Seit acht Wochen bin ich nun nach zehn Monaten Elternzeit wieder im Job, zu 75 Prozent. Einen Tag habe ich frei und den verbringe ich mit meinem Sohn. Meine Rolle als Managerin hat sich verändert – nicht aber zum Negativen. Vielmehr bin ich für viele meiner Kolleginnen ein Vorbild, das mir vielleicht gefehlt hat. Denn Managerinnen in Teilzeit sind nach wie vor selten oder zu wenig sichtbar.

Für die als innovativ geltende Tech-Branche bietet sich jetzt die Chance, erneut eine Vorreiterrolle einzunehmen. Denn vielfach scheint es eine neue Offenheit zu geben, Teilzeitmodelle für Führungskräfte salonfähig zu machen.

Diversity hat jetzt für mich deshalb eine neue Konnotation – wir brauchen eben doch Unterschiede. Und zwar unterschiedliche Lebensmodelle in Führungspositionen – für Frauen und Männer.

In den letzten Wochen haben mich viele Frauen kontaktiert, die vor ähnlichen Entscheidungen stehen, wie ich vor einem Jahr. Und ich habe sie gefragt: Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest? Ich riet ihnen, den Mut zu haben, die nötigen Anforderungen zu stellen, um diese Ziele zu verwirklichen – beruflich und privat.

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