Pensionierter-Ehemann-Syndrom Wenn Manager in Rente gehen, wird die Gattin depressiv

Sollten Frauen etwa depressiv werden, wenn ihre Männer nur noch Zuhause rumlungern? Ein wissenschaftlicher Beleg für diese These fehlte - bislang.

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Hat der Renteneintritt des Mannes einen Effekt auf die psychische Gesundheit der Ehefrau? Quelle: dpa

Plötzlich ist er da. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. Will montags einkaufen gehen, obwohl sie das seit 20 Jahren immer donnerstags tut. Will gemeinsam Radfahren, obwohl sie lieber alleine wandern geht.

Was sich harmlos anhört, kann für die Ehe schnell zur Belastungsprobe werden. Denn tatsächlich haben Statistiken aus Japan ergeben, dass die Scheidungsrate unter Rentnern in den vergangenen Jahren signifikant gestiegen ist. Schon lange vermutete man, dass ein Grund für dieses Phänomen das "Pensionierter-Ehemann-Syndrom" ist. Dann nämlich, wenn die ungewohnte Anwesenheit des Mannes zur psychischen Erkrankung der Ehefrau führt.

Psychologen gehen davon aus, dass besonders Frauen vielbeschäftigter Männer betroffen sind. Denn gerade Manager sind viel unterwegs, fliegen um die Welt, hetzen von Termin zu Termin. Dazu kommen häufig noch Pendelei zum Arbeitsplatz und Treffen mit den Geschäftspartnern in der Freizeit. Die Männer verbringen also einen erheblichen Teil ihrer Zeit weit weg von der Familie, die langen Trennungen können zur Entfremdung führen. Wenn der Ehemann dann nach Renteneintritt wieder zu diesem Gefüge stößt, bringt das häufig Probleme mit sich.

Wann die Europäer in Rente gehen
DeutschlandDie Arbeitnehmer in Deutschland sind nach Informationen der „Bild-Zeitung“ im vergangenen Jahr so spät in Rente gegangen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Gleichzeitig sanken die Abschläge wegen vorgezogenen Renteneintritts auf den niedrigsten Wert seit 2003, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die neueste Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung. Danach stieg das durchschnittliche Renteneintrittsalter der Männer 2012 von 60,9 auf 61,2 Jahre. Frauen gingen mit 61 (2011: 60,8) Jahren in Rente. Das waren die höchsten Werte seit mehr als 20 Jahren. Im Jahr 2000 wechselten Männer noch im Schnitt mit 59,8 Jahren aufs Altenteil, Frauen mit 60,5 Jahren. Quelle: dpa
FrankreichAuch in Frankreich ist das Renteneintrittsalter gestiegen: 2009 - vor der Anhebung der Altersgrenze - gingen die Franzosen noch mit durchschnittlich 59,3 Jahren in Pension, 2012 waren sie im Schnitt 62 Jahre und 2 Monate alt (2011: 61 Jahre und 11 Monate). Wer vor seinem 20 Lebensjahr angefangen hat zu arbeiten und in die Rentenkasse einzuzahlen, darf bereits mit 60 Jahren aufs Altenteil wechseln, ohne Abschläge befürchten zu müssen. Quelle: AP
Griechenland2012 haben sich die griechische Regierung und die Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Union und Internationalem Währungsfondsdarauf geeinigt, das Renteneintrittsalter in dem Schuldenstaat anzuheben. Seit dem gehen die Griechen - zumindest nach Plan - mit 67 statt wie zuvor mit 65 Jahren in den Ruhestand. 2011 betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland 61,4 Jahre. Quelle: dpa
ItalienItalienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. In Rente gehen die Italiener im Schnitt mit 60,8 Jahren. Wenn sie keine Abschläge hinnehmen wollen, müssten sie eigentlich bis 62 arbeiten. Quelle: AP
Spanien2011 hat sich auch die spanische Regierung angesichts eines gigantischen Schuldenberges dazu entschlossen, die Altersgrenze anzuheben: Wie auch in Deutschland und Griechenland soll das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Zuvor gingen die Spanier im Schnitt mit 62,6 statt 65 Jahren in Rente. Beschäftigte, die bereits 38,5 Jahre gearbeitet haben, haben allerdings weiterhin ab dem 65 Lebensjahr einen Anspruch auf volle Rentenbezüge. Quelle: dapd
GroßbritannienSeit 2011 gibt es in Großbritannien kein offizielles Rentenalter mehr. Die Briten können also selbst entscheiden, wann sie in den Ruhestand gehen. Zuvor konnten die Briten mit 60 Jahren (Frauen) beziehungsweise 65 Jahren (Männer) die Arbeit Arbeit sein lassen. Das tatsächliche Eintrittsalter lag vor der Abschaffung des Rentenalters bei 63,1 Jahren. Quelle: AP
IrlandDie Iren arbeiten am längsten: So müssen auf der grünen Insel Männer und Frauen noch bis 65 arbeiten und tun es auch - zumindest bis sie (im Durchschnitt) 64,1 Jahre alt werden. Wegen des Schuldenberges der grünen Insel erhöht die irische Regierung nun schrittweise das Rentenalter von 65 auf 68 Jahre. Quelle: AP

Gerade die Ehefrauen tun sich mit der neuen Situation schwer. Auf einmal müssen sie wieder Platz in ihrem Alltag machen, sich auf den anderen und seine Wünsche einstellen. Die Folge können gesundheitliche Probleme wie Rückenschmerzen, Asthma, Depressionen und in seltenen Fällen sogar Herzkrankheiten sein. Doch einen wissenschaftlichen Beleg dafür gab es bislang nicht.

Der Ökonomie-Professor an der Universität von Padua, Giorgio Brunello, untersuchte für seine Studie (.pdf) mit dem schönen Titel "Pappa Ante Portas: The Retired Husband Syndrome in Japan" zusammen mit seinem Kollegen Marco Bertoni, ob sich ein Zusammenhang zwischen Renteneintritt des Mannes und der psychischen Gesundheit der Frau nachweisen lässt. Die Grundlage ihrer Untersuchung bildete eine Langzeit-Studie der japanischen Universität von Osaka.

Das hat zwei Gründe: Zum einen wurde dort im Hinblick auf die steigenden Scheidungsraten besonders viel über das Thema diskutiert, zum anderen sind die Geschlechterrollen in Japan besonders konservativ verteilt. Vor allem ältere Japanerinnen verbringen den größten Teil ihres Lebens zuhause und kümmern sich um die Kindererziehung und das Haus. Ihre Partner hingegen widmen den größten Teil ihres Lebens der Arbeit, auch den Feierabend verbringen sie häufig mit Kollegen statt mit der Familie. Doch kann das wirklich depressiv machen?

Das Forscher-Duo kam zu folgendem Ergebnis: Der Renteneintritt des Mannes hat einen signifikanten Effekt auf die psychische Gesundheit der Ehefrau. Messen lässt sich das am steigendem Stressniveau, häufiger auftretenden Depressionen und vermehrter Schlaflosigkeit. Die Forscher schätzen, dass sich die Wahrscheinlichkeit, an einem dieser drei Syndrome zu erkranken, nur ein Jahr nach Renteneintritt des Mannes, von etwas über fünf Prozent auf knapp 14 Prozent erhöht.

Die Annahme, dass gerade Hausfrauen am Pensionierter-Ehemann-Syndrom leiden, konnten die Forscher hingegen nicht belegen. Stattdessen fanden sie heraus, dass der Effekt bei berufstätigen Frauen sogar noch höher ausfällt. Sind die Frauen zum Zeitpunkt des Rentenbeginns ihres Mannes beruflich besonders eingespannt und haben deshalb wenig Zeit, sich um seine Bedürfnisse zu kümmern, treten die Symptome noch häufiger auf.

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