Bei Polizeibeamten sind offen sichtbare Tattoos ebenfalls Thema. Alles, was im Sommer unter kurzärmeligen Hemden hervorguckt, kann problematisch werden. Warum nur? Wir wollen doch eine volksnahe Polizei. Wir wollen bei der Bundeswehr den Bürger in Uniform. Und bilden sich die Banken ein, ein Tattoo könnte noch zusätzlich Vertrauen zerstören?
Gerne berufen sich die Arbeitgeber auf Umfragen: Die Menschen wünschen sich ihre Dienstleister ohne Tattoos. Angenommen, das wäre wirklich wahr: Wie dämlich sind wir?
Ein Tattoo ist ein Statement. Und wenn ich meinem Dienstleister Vertrauen schenken soll, dann muss ich erstmal etwas über ihn wissen. Da ist doch ein Tattoo Gold wert. Es gibt etwas von meinem Gegenüber preis. Wenn ich aber erwarte, dass mein Gegenüber Symbole seiner Persönlichkeit verbirgt, bevor ich einen Kreditvertrag überschreibe, dann bitte ich doch um Geheimniskrämerei. Nein, ich will alles wissen. Wer mir etwas vorspielt, hat mein Vertrauen nicht verdient.
Meinen Notar habe ich im Internet gefunden. Dabei habe ich mir den herausgepickt, der sich seinen Ohrring eben nicht rausgenommen hat, bevor der Fotograf das Foto für die Website geschossen hat. Weil er Maskerade nicht nötig hat.
Im Internet gehen Videos um die Welt von Polizisten, weil sie sympathisch sind. Die US-Beamtin, die sich mit einem Mädchen ein Tanzduell auf der Straße liefert, bevor es sich geschlagen gibt und den Anweisungen der Polizei folgt. Genauso ein Video einer tanzenden Polizistin auf einem Sommerfest in der Berliner Oranienstraße. Kritiker wiesen auf die offen wackelnde Pistole hin. Das sehe ich ein. Aber was soll da ein Tattoo schaden, das zeigt: Ich bin Polizistin und Mensch. Die Leute sehnen sich doch nach dem Einer-von-uns-Effekt.
Und sollte einer mit einem Tattoo daherkommen, das Symbol ist für die Missachtung von Freiheitsrechten, dann hat dieser Mensch den falschen Job. Nicht wegen des Tattoos, sondern wegen seiner Gesinnung.
Air Berlin hat in diesem Jahr neue Saiten aufgezogen. Deren Flugbegleiter dürfen jetzt Haut zeigen, auch wenn die von Tattoos übersät ist. Das Argument der Marketing-Etage: Wir sind doch schließlich Berlin. Zumindest sind sie jetzt aufrichtiger.
Ich will Schalterangestellte, Soldaten, Beamte beim Einwohnermeldeamt, Fernsehmoderatorinnen und Bundespräsidenten mit Tattoos sehen – falls sie eins haben und es auch zeigen wollen. Tätowierungen mögen ja manchmal albern aussehen. Aber seinen Gecko am Hals unter Schlips und Kragen verstecken zu müssen, ist definitiv alberner.