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Shine bright, Mittelstand!

Wie Firmen beim Recruiting auch ohne große Budgets glänzen können. Eine Kolumne.

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Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird Deutschland in wenigen Jahren, bis zum Jahr 2035, mit einer Lücke von sieben Millionen Arbeitskräften konfrontiert sein. Der Fachkräftemangel wird zu einem zentralen Thema für Unternehmen nahezu aller Branchen. Viele Unternehmen sehen nicht nur ihre Wachstumsperspektiven beeinträchtigt, sondern auch ihre langfristige Überlebensfähigkeit als bedroht an.

Vor zwei Jahren habe ich mich diesem Thema bereits in meiner Kolumne gewidmet und fünf Maßnahmen definiert, die als Grundlage für die Behebung des Fachkräftemangels dienen können:

Neben dieser grundlegenden Basis ist es nun wichtiger denn je, spezielle Talente direkt anzusprechen. In der sich rapide verändernden Arbeitswelt – von künstlicher Intelligenz bis hin zu hybriden Teamswird es für Unternehmen entscheidend, Talente zu finden, die mit dieser Komplexität umgehen und die richtigen Entscheidungen treffen können.

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von Dominik Reintjes

Die Anforderungen neuer Talente an ihre potenziellen Arbeitgeber haben sich ebenfalls stark gewandelt, insbesondere bei der Generation Z. Sie sucht nach sinnstiftender Arbeit, die einen positiven Mehrwert bietet, nach Flexibilität, um Berufs- und Privatleben in Einklang zu bringen, sowie nach Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung. Die Erwartungshaltung ist, dass potenzielle Arbeitgeber diese Werte nicht nur teilen, sondern sie auch aktiv verkörpern.

Der Fachkräftemangel stellt ein Problem für die gesamte Wirtschaft dar, ist jedoch besonders ausgeprägt bei weniger namhaften Unternehmen – insbesondere bei Familienunternehmen und mittelständischen Betrieben. Diese sehen sich aufgrund begrenzter Ressourcen und einer weniger bekannten Arbeitgebermarke mit Schwierigkeiten konfrontiert, im Wettbewerb um herausragende Talente zu bestehen. Oft werden qualifizierte Fachkräfte nicht auf den „Hidden Champion“ aus der Provinz aufmerksam, selbst wenn dieser genau die Möglichkeiten und Herausforderungen bieten könnte, die sie suchen.

Zur Überwindung dieses Problems sind innovative Recruiting-Ansätze gefragt. Ein solcher Ansatz ist das „Reverse Recruiting“, bei dem der Prozess beginnt, bevor Fachkräfte aktiv nach Jobs suchen. Ziel ist es, potenziell relevante Talente frühzeitig zu identifizieren und langfristige, für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen aufzubauen. Eine erfreuliche Nachricht für viele Unternehmen ist, dass Reverse Recruiting sogar die typischen Stärken des Mittelstands hervorheben kann. Aber wie funktioniert das?

Indem eine authentische Arbeitgebermarke aufgebaut wird, Vorbilder aus den eigenen Reihen gefördert und langfristige Beziehungen zu vielversprechenden Talenten gepflegt werden. Die Entwicklung einer starken Arbeitgebermarke muss nicht kostspielig sein. Anstatt auf die polierten Marketingkampagnen großer Konzerne zu setzen, sollten Familienunternehmen und Mittelständler Einblicke in ihre einzigartigen Stärken und Charakteristika geben – von einer eng verbundenen Gemeinschaft bis hin zu außergewöhnlicher Innovationskraft.



Es ist wichtig, auf die Faktoren einzugehen, die für die jeweilige Zielgruppe bedeutend sind, und aktiv in deren Sprache zu kommunizieren. Darüber hinaus lohnt es sich, zu experimentieren, Kontrolle abzugeben und Verantwortung zu delegieren. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die TikTok-Kampagne „Krass Altenheim“ der Pflegeheimkette Stella Vitalis, die viral ging und innerhalb kürzester Zeit zahlreiche neue Bewerbungen in einem ansonsten „leergefegten Bewerbermarkt“ generierten

Vorbilder: Die Mitarbeitenden im Mittelpunkt

Dina Reit, CEO von SK Laser, ist ein weiteres Beispiel für eine gelungene Social Media Präsenz aus dem Mittelstand. Auf ihrem LinkedIn-Kanal mit mehr als 45.000 Followern teilt sie regelmäßig Einblicke in ihren Alltag sowie in das Unternehmen und wurde so zum echten Vorbild.

Authentische Vorbilder, mit denen sich potenzielle Bewerberinnen und Bewerber identifizieren können, werden zum wertvollen Wettbewerbsvorteil – auch ohne großes Marketingbudget. Echte Beispiele von Frauen oder unterrepräsentierten Gruppen im Top-Management sind beispielweise deutlich glaubwürdiger als jede Präsentation zu Diversity auf der Unternehmenswebseite. Die Vorteile der Sichtbarkeit durch Reichweite und Netzwerk überwiegen den potenziellen Risiken – wie etwa Abwerbeversuche – bei Weitem.

Langfristige Beziehungen: Basis für langfristigen Erfolg 

Ein wesentlicher Bestandteil von Reverse Recruiting sind langfristige Beziehungen. Eine Möglichkeit besteht darin, sich in Netzwerken zu engagieren, in denen sich herausragende Talente aufhalten. Besonders wichtig dabei: die eigene Zielgruppe kennen und finden, um potenzielle Talente frühzeitig zu identifizieren und langfristige Beziehungen aufzubauen.

Die Non-Profit-Organisation Startup Teens fördert nicht nur unternehmerisches Denken bei Jugendlichen, sondern hat über viele Jahre hinweg ein außergewöhnlich starkes Netzwerk aus absoluten High Potentials und engagierten Firmen geschaffen. Mittlerweile verbindet das Team rund um Co-Gründer und CEO Hauke Schwiezer sowie Managing Director Lea Haep gezielt herausragende Talente mit Unternehmen, beispielsweise über exklusive Netzwerkveranstaltungen.

Lea Haep: „Durch unser einzigartiges Netzwerk profitieren beide Seiten: Talente, die wir mittel- und langfristig auf ihrem Weg begleiten und denen wir bisher unbekannte Karriereperspektiven eröffnen, sowie Unternehmen, die diesen außergewöhnlichen High Potentials sonst wahrscheinlich nicht begegnet wären.“

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Um positiv aufzufallen, müssen innovative Ansätze her

Um außergewöhnliche Talente zu gewinnen, müssen wir Recruiting aus neuen Blickwinkeln betrachten und uns Zeit nehmen um kreative Lösungen entwickeln. Statt Missmut über den Bewerbermarkt zu äußern, sollten wir Initiativen starten, die sich langfristig lohnen. Das kultiviert auch eine Unternehmensatmosphäre, in der Engagement und Begeisterung gedeihen. Auf diese Weise schaffen wir dynamische Umgebungen, die Spitzenkräfte anzieht und hält.

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