Die nächste Horrorvorstellung für eingefleischte Konservative scheint wahr zu werden: Das Sitzenbleiben wird abgeschafft. Bisher nur in Bremen, bald vielleicht auch in NRW, Niedersachsen und dann in Baden-Württemberg. Doch das könnte nur der Anfang sein. Am Ende könnte bundesweit das letzte Relikt der guten alten Zeit fallen, als in der Schule noch Disziplin herrschte und am Ende jeder vor allem eines wusste: Wem er zu gehorchen hat.
Doch die Bewahrer sollten sich nichts vormachen, sie sind längst abgehängt. All die Länder, die heutzutage die Rankings und Vergleichsstudien im Bildungsbereich dominieren, kennen das Sitzenbleiben nicht. Weder Finnland, Schweden Großbritannien oder die USA, ja noch nicht einmal die so auf Disziplin bedachten Südkoreaner und Chinesen.
"Pädagogischer Wahnsinn"
Und eigentlich wird die Absurdität ja auch unmittelbar offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, was da geschieht: Ein Schüler ist dem Stoff in einzelnen Fächern, sagen wir Mathematik und Physik, nicht gewachsen. Deshalb muss er „sitzenbleiben“ während alle anderen Schüler „die Versetzung schaffen“. Was jetzt passiert, ist pädagogischer Wahnsinn, nichts weiter. Unser Schüler muss nicht nur den Unterricht in Mathe und Physik ein zweites Mal hören, sondern in allen anderen Fächern auch. Zudem wird er in ein völlig anderes soziales Umfeld befördert, wo er seinen Ruf mit dem ersten Schritt ins Klassenzimmer weg hat: der Sitzenbleiber. Die zwangsläufige Folge ist, dass der Schüler aussteigt, sowohl im Unterricht – der ihn größtenteils langweilt – als auch in der Klasse, die ihn ignoriert. Er sucht sich seine Bezugspunkte anderswo, im besseren Falle im Sportverein, im schlechteren auf der Straße.