Übermüdet fällt es schwer, klare Entscheidungen zu treffen. Aber gerade Manager und Führungskräfte brüsten sich damit, immer weniger zu schlafen – oft nur vier bis Sechs Stunden. Das ist ungesund: „Müdigkeit während der Arbeit führt zu Leistungsminderung, Konzentrationsstörungen, Unfällen und zum Teil extremen Katastrophen,“ sagt Thomas Pollmächer, Direktor des Zentrums für psychische Gesundheit und Schlafforscher am Klinikum Ingolstadt.
So konnte etwa das Auflaufen des Öltankers Exxon Valdez und die damit verbundene Ölpest auf Schlafmangel zurückgeführt werden, ebenso wie die Explosion der US-Raumfähre Challenger.
Aber nicht nur das: 57 Milliarden Euro gehen der deutschen Wirtschaft jedes Jahr durch müde Arbeitnehmer verloren. Das zeigt eine Studie der Denkfabrik „Rand Europe“ aus dem Jahr 2016.
Wie viele Stunden verschiedene Personengruppen im Durchschnitt schlafen
Insgesamt schläft der Mensch unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,88 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Männer schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,00 Stunden und am Wochenende 7,93 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Frauen schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,83 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Verheiratete schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,75 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Singeles schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,06 Stunden und am Wochenende 8,49 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Geschiedene schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,85 Stunden und am Wochenende 7,69 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Getrennt lebende schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,76 Stunden und am Wochenende 7,61 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Verwitwete schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,02 Stunden und am Wochenende 7,27 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Beschäftigte schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,88 Stunden und am Wochenende 8,08 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Selbstständige schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,94 Stunden und am Wochenende 7,83 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen in Rente schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,20 Stunden und am Wochenende 7,37 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Erwerbslose schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,04 Stunden und am Wochenende 7,65 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Beamte schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,80 Stunden und am Wochenende 8,03 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Auszubildende schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,07 Stunden und am Wochenende 8,96 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einer sehr guten Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,20 Stunden und am Wochenende 8,38 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit guter Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,09 Stunden und am Wochenende 8,11 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit befriedigender Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,99 Stunden und am Wochenende 7,78 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit schlechter Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,75 Stunden und am Wochenende 7,33 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem hohen Bildungsniveau schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,88 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem mittleren Bildungsniveau schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,00 Stunden und am Wochenende 7,85 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem niedrigen Bildungsniveau schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,00 Stunden und am Wochenende 7,78 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Kinderlose schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,05 Stunden und am Wochenende 7,84 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem Kind schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,92 Stunden und am Wochenende 8,06 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit zwei Kindern schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,87 Stunden und am Wochenende 7,93 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit drei und mehr Kindern schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,85 Stunden und am Wochenende 7,87 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 15 bis 20 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,26 Stunden und am Wochenende 9,20 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 21 bis 30 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,10 Stunden und am Wochenende 8,56 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 31 bis 40 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,92 Stunden und am Wochenende 8,01 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 41 bis 50 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,83 Stunden und am Wochenende 7,93 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 51 bis 60 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,84 Stunden und am Wochenende 7,72 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen über 60 Jahre schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,10 Stunden und am Wochenende 7,61 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Wer ständig zu wenig schläft, leistet sich mehr Fehltage und arbeitet weniger produktiv. „Deutsche Unternehmen verlieren pro Jahr außerdem fast 210.000 Arbeitstage durch unausgeschlafene Mitarbeiter“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Marco Hafner, der die Studie leitete. Nicht Teil der Studie sind etwa die Kosten, die dem Gesundheitssystem noch zusätzlich entstehen.
Deshalb müssten sich auch die Chefs bewusst machen, wie sehr Schlafmangel die Leistungsfähigkeit beeinflusse. „Ein Mitarbeiter der immer nur gestresst ist, ist schlicht ein weniger produktiver Arbeiter.“ Und er ist weniger gesund. In der Medizin gilt, ein Schlaf von sechs bis acht Stunden ist nötig, um gesund zu sein.
Falsche Volksweisheiten rund um den Schlaf
Falsch. Menschen haben unterschiedliche Schlafbedürfnisse. Als optimal gelten im Schnitt sieben Stunden. Aber letztlich muss jeder sein Optimum finden. Bestes Indiz: Wer sich tagsüber fit fühlt, hat nachts genug geschlafen.
Falsch. Die Qualität des Schlafs hat damit nichts zu tun. Unserem Körper ist es egal, wann wir einschlafen. Viel wichtiger ist, genügend Stunden tief und fest zu schlummern. Doch klar ist: Je später wir ins Bett gehen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dieses Pensum zu erreichen.
Falsch. Kurzfristig geht das vielleicht, langfristig sind unregelmäßige Schlafzeiten eher schädlich. Unser Körper liebt Beständigkeit, sie ist essenziell für guten Schlaf. Arbeiten Sie lieber an Ihren Gewohnheiten unter der Woche, anstatt am Wochenende Schlaf nachzuholen. Oder fühlen Sie sich fit, wenn Sie zwölf Stunden durchgeschlafen haben?
Falsch. 45 Prozent der Deutschen gehen zwar davon aus, der Mond habe Einfluss auf ihren Schlaf. Ein Zusammenhang zwischen Mondphase und Schlafdauer ließ sich bisher aber nicht nachweisen. Erklären lässt sich dieser Volksglaube eher mit dem Phänomen selektiver Wahrnehmung: Wer nachts wach liegt und am Himmel den Vollmond entdeckt, prägt sich solche Momente stärker ein.
Die Rand-Studie hat neben Deutschland auch noch das Schlafverhalten in Japan, den USA, Kanada und Großbritannien untersucht. Am meisten schlafen die Kanadier, aber auch dort gehen noch 80.000 Arbeitstage durch zu wenig Nachtruhe verloren – pro Jahr. Am wenigsten schlafen übrigens die Japaner. 411 Milliarden Dollar kostet das die Wirtschaft jährlich. Medienberichte machen deutlich, dass ganz Japan unter „chronischem Schlafmangel“ leide – und das ist auch wenig verwunderlich.
Kulturelle Umcodierung nötig
Denn während Japaner seit den 1970er Jahren immer zur gleichen Zeit aufstehen, gehen sie mittlerweile immer später, nämlich erst gegen ein Uhr, ins Bett. Deshalb sind Bilder von schlafenden Japanern in den U-Bahnen oder auch an Flughäfen keine Seltenheit.
Diese Power-Naps sind allerdings keine Alternative zum Nachtschlaf, sondern führen lediglich dazu, dass wir die Geschwindigkeit aus unserem Alltag nehmen. Gesund ist und bleibt aber nur der Nachtschlaf.
Denn erst nach mehreren Stunden stellt sich die regenerative Wirkung des Schlafes ein, die auch das Gehirn braucht, um am nächsten Tag leistungsfähig zu sein.
Woher kommt nun aber die sich steigernde Müdigkeit? Es ist nicht nur die geringere Anzahl der Stunden, die wir schlafen, sondern vor allem auch die Störungen, etwa durch unregelmäßige Arbeitszeiten, unbehandelte Erkrankungen wie Depressionen oder auch technische Geräte. Denn gerade LED-Bildschirme machen uns wieder wach, wird durch das Licht doch die Melatoninproduktion unterdrückt.
Das Hormon gibt unsere innere Uhr vor – und die kann nur kaum bis gar nicht beeinflusst werden. „Der Rhythmus lässt sich maximal zwei Stunden verschieben“, sagt Autorin Stephanie Grimm. In ihrem Buch „Schlaft doch, wie ihr wollt“ ist sie der Frage nachgegangen, warum Schlaf in der Gesellschaft nur immer dann eine Rolle spielt, wenn es ein Problem gibt.
So schlafen Sie besser ein und stehen morgens entspannter auf
Auch wenn es schwer fallen mag: Wer sich vor dem Schlafen gehen an der frischen Luft bewegt, bekommt den Kopf frei und schläft besser ein und durch. Dafür reicht schon ein Spaziergang an der frischen Luft - es muss ja nicht gleich das Power-Workout-Programm sein.
Guter Schlaf hat viel mit Abschalten zu tun. Also schalten Sie Diensthandy und E-Mails aus, sobald Sie nach Hause kommen und kümmern Sei sich um Ihre Lieben und sich - und nicht um den cholerischen Chef.
Apropos Ihre Lieben: Nachdem Sie die letzten acht bis zehn Stunden mit Kollegen und Chefs verbracht haben, die Sie sich nur indirekt aussuchen können, verbringen Sie abends Zeit mit Familie, Kindern, Freunden oder Ihrem Goldfisch. Hauptsache, es ist etwas Lebendiges, das Sie mögen. Das entspannt enorm und sorgt für einen anderen Blick auf den Tag. Zumindest, wenn Sie sich mit Menschen beschäftigen.
Manchen Menschen hilft es, vor dem Schlafen gehen zehn Minuten zu meditieren. Sollte Ihnen der Spiritismus abgehen, lassen Sie einfach den Tag noch einmal an Ihrem inneren Auge vorbei ziehen - und zwar nur die guten Dinge. Konzentrieren Sie sich auf das, was gut gelaufen ist.
Bevor Sie sich ins Bett legen, tragen Sie kurz - schriftlich oder in Gedanken - zusammen, was Sie am nächsten Tag erwartet: Der Hund muss zum Tierarzt, Sie wollten Milch kaufen, den Müll runter tragen, die Präsentation fertig stellen und abends mit den Kollegen Fußball spielen. So klären sie Ihre Gedanken und schlafen besser ein.
Statt zum Einschlafen Fern zu schauen oder sich auf dem Smartphone Youtube-Videos anzusehen, lesen Sie lieber ein Buch. Das ist gut für die grauen Zellen und müde macht es auch.
Sie plädiert dafür, dass Schlaf nicht länger als Zeitverschwendung gesehen wird. „Wir brauchen eine kulturelle Umcodierung des Schlafes – von uncool zu cool“, sagt sie. Sie fordert eine gesundheitspolitische Kampagne, die zeigt, wie gut uns Schlaf eigentlich tut.
Das unterstützt auch Schlafforscher Pollmächer: „Was man sicher noch ein wenig mehr unter das Volk bringen muss ist, dass Schlaf absolut notwendig ist, und zwar in einer individuellen weitgehend genetisch bestimmten Dauer, nicht nur um Wach und seelisch gesund zu sein, sondern auch um die Funktionsfähigkeit von Stoffwechsel und Immunsystem zu gewährleisten.“
„Es gab und gibt allerdings Zeitgenossen, die in Unkenntnis der absoluten physiologischen Notwendigkeit des Schlafes, Schlaf für vergeudete Zeit halten“, gibt Pollmächer zu bedenken – und verweist damit unter anderem auf Regisseur Rainer Werner Fassbinder, der sagte: „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.“
In den 1980er Jahren hat man versucht, Menschen darauf zu trainieren, weniger zu schlafen und mit nur fünf Stunden auszukommen. „Das geht zwar eine ziemliche Weile formal ganz gut, aber es kommt eben zu Konzentrations- und Leistungseinbußen, wenn Menschen dauerhaft nicht die für sie individuell notwendige Zeit schlafen“, sagt er.