Am Aschermittwoch sind die fetten Zeiten für viele Menschen in Deutschland erst einmal vorbei. Bis Ostern heißt es fasten, was allerdings mehr oder weniger streng ausgelegt wird. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage für die Krankenkasse DAK ist zumindest mehr als die Hälfte der Deutschen (55 Prozent) vom Fasten überzeugt. 15 Prozent halten einen Verzicht auf bestimmte Genussmittel und Gewohnheiten aus gesundheitlicher Sicht sogar für „sehr sinnvoll“, 40 Prozent immerhin noch für „sinnvoll“.
Das Fasten hat eine lange Tradition. Schon Hippokrates sagte: "Heile ein kleines Weh eher durch Fasten als durch Arznei." Alle Weltreligionen kennen das Fasten. Aus medizinischen Gründen spricht auch grundsätzlich nichts dagegen, sich 40 Tage lang am Riemen zu reißen. Curt Diehm, Ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik, sagt: "Während ich von Diäten in aller Regel abrate, wirken sich bestimmte Formen des Fastens nachweisbar positiv auf den Körper aus."
Welche Fastenformen es gibt
Es gibt zum einen die Nulldiät beziehungsweise das klassische Heilfasten. Hierbei wird über einen längeren Zeitraum komplett auf feste Nahrung verzichtet. Wer sich für diese radikale Variante entscheidet, muss allerdings einiges beachten, um dem Körper nicht zu schaden:
Wer nichts isst, muss sehr viel trinken: 2,5 bis 3 Liter Flüssigkeit pro Tag sollten es sein. Außerdem braucht der Körper auch in der Fastenzeit Proteine, Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe. Also bitte nicht nur Wasser trinken, sondern auch Tees, Fruchtsäfte und Gemüsebrühe. Ernährungsexperten raten außerdem zu 30 Gramm Honig am Tag – zum Beispiel im Tee. Fastenexperten empfehlen Heilfastenkuren zwischen zwei und maximal acht Wochen, länger als 60 Tage darf eine derartige Kur aber nicht andauern. Während dieser Zeit sollte die Belastung durch Arbeit, Sport und andere Aktivitäten möglichst gering gehalten werden.
Schneller schlau: Woher kommt das Fasten?
Der Brauch des Fastens ist Jahrtausende alt. Zum einen kann er zeitweiligen Verzicht auf Nahrung oder deren Reduzierung bedeuten. In einigen Kulturen geht es darum, bestimmten Speisen wie Fleisch oder Fisch ständig oder vorübergehend zu entsagen.
Die Gründe sind so vielfältig wie die Möglichkeiten des Verzichts. Den einen dient er als Vorbereitung auf religiöse Feste und Riten. Andere wollen damit den Körper „reinigen“ oder per Fasten-Askese Willenskräfte bündeln. Zudem wird die Enthaltsamkeit als Medium verstanden, Zustände der Ekstase und damit den Kontakt zum Göttlichen herzustellen.
Bei den großen Weltreligionen ist Fasten meist an bestimmte Tage oder Perioden gebunden. Der Islam verlangt es im Ramadan, dem neunten Monat des muslimischen Mondjahres.
Eine besonders strenge Auslegung schreibt der Buddhismus vor: Die meisten buddhistischen Mönche nehmen das ganze Jahr über nur eine Mahlzeit am Vormittag ein.
Im Alten Testament galt Fasten als Akt der Demut und Buße. Eine solche Askese sollte Vollkommenheit bringen und den zornigen Gott gnädig stimmen. Das junge Christentum übernahm den Brauch und modifizierte ihn. Bei den Katholiken gelten die Wochen vor Ostern als Fastenzeit.
Doch auch Atheisten „solidarisieren“ sich in dieser Zeit gern mit den Christen. Sie halten aus gesundheitlichen Erwägungen Maß, wollen ihrem Körper einfach mal was Gutes tun.
Dann gibt es "Fasten light"-Ansätze wie Intervallfasten: Hierbei wird beispielsweise auf das Abend- oder Mittagessen verzichtet oder gleich ein ganzer Tag lang nichts gegessen. Am nächsten Tag wird dann wieder normal gegessen. Ein Fastentag pro Woche wird derzeit von Experten als das Nonplusultra angesehen.
Zum Intervallfasten gehört auch das sogenannte 8/16 Fasten, das vielen leichter fällt, als ganze Tage auf Nahrung zu verzichten. Demnach sollte innerhalb von acht Stunden gegessen werden, während in den restlichen 16 Stunden außer Flüssigkeit nichts zu sich genommen wird. Wer spät, etwa gegen 11.00 Uhr, seine erste Mahlzeit zu sich nimmt, muss dann um 19.00 Uhr zu Abend essen.
Verzicht auf bestimmte Lebensmittel ist eine weitere Light-Variante. Hierbei verzichten die Fastenden zum Beispiel an mehreren festgelegten Tagen pro Woche auf rotes Fleisch, essen keine Kohlehydrate mehr oder zumindest nicht nach 17 Uhr oder verkneifen sich Schokolade. Auch der Verzicht auf Alkohol für einen bestimmten Zeitraum gehört dazu.
Nulldiät kann gefährlich sein
Aus schulmedizinischer Sicht bleiben die Effekte radikalen und längeren Fastens umstritten, obwohl Menschen berichten, dass sie sich nach einer entsprechenden Kur "wie neugeboren" fühlen.
"Bei einer Nulldiät baut der Körper Protein aus Muskeln ab", erklärt der Ernährungswissenschaftler Nicolai Worm, Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken, im Gesundheitsmagazin "Apotheken Umschau". Das führe oft schon nach kurzer Zeit zu einem Eiweißmangel. Zudem litten unsere nützlichen Darmbakterien unter dem Nahrungsentzug, immungeschwächte Menschen könnten noch anfälliger für Infekte werden.
Experten raten zum Intervallfasten
"Ich empfehle lieber weichere Formen der Enthaltsamkeit, insbesondere wenn ein Ziel lautet, durch das Fasten abzunehmen", rät Diehm. Dass solche abgeschwächten Fastenrituale wie das Intervallfasten positive Auswirkungen haben können, gilt als belegt.
Regelmäßiges 24-stündiges Fasten beispielsweise reduziert das Herzinfarktrisiko. Der Verzicht auf eine eintägige Glucosezufuhr verschafft zudem der Bauchspeicheldrüse eine Verschnaufpause.
"Es wird immer deutlicher, dass die Frage, wann wir essen, ein bedeutende Rolle spielt", sagt Diehm. Bei Versuchen an Mäusen hat sich gezeigt, dass bei gleich großer Nahrungsmenge jene Mäuse "schlanker" blieben, die ihre Kalorien in einem Zeitraum von nur acht Stunden zu sich nahmen - den Rest der Zeit also fasteten. "Gezieltes, jedoch nicht überzogenes Fasten ist aus meiner Sicht die einzige Chance, langfristig Gewicht zu reduzieren", resümiert Diehm.
Verzicht auf Alkohol und Fleisch ist sinnvoll
Grundsätzlich lässt sich gegen ein kleines Glas Rotwein am Abend aus medizinischer Sicht nichts einwenden. Trotzdem plädieren Experten für den temporären Verzicht auf Alkohol oder Fleisch. „Natürlich macht das Sinn. Es senkt die Harnsäure und Cholesterinwerte, der Blutzucker reguliert sich und das Geschmacksempfinden verbessert sich“, erklärt die Chemnitzer Ernährungsberaterin Candy Cermak. Das Eisen im Fleisch könne man beispielsweise mit pflanzlichen Lebensmitteln kompensieren. Der Verzicht auf Alkohol, Fleisch und Süßigkeiten habe zudem einen schönen Nebeneffekt, wie Cermak sagt: „Meist purzeln auch noch ein paar Pfunde.“
Die Deutschen stehen auf Wurst und Fleisch
Für viele Deutsche ist ein Frühstück ohne Wurst kaum vorstellbar. Eine repräsentative Befragung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat ergeben, dass 85 Prozent aller Deutschen den Verzehr von Fleisch und Wurst als „selbstverständlich und naturbewusst“ ansehen. 83 Prozent der Befragten wollen unter keinen Umständen auf den Verzehr von Fleisch und Wurstwaren verzichten.
Die Studie zeigt, dass jeder zweite Deutsche zumindest einmal am Tag Wurst oder Fleisch verzehrt. Ein Viertel der Befragten hat ein schlechtes Gewissen, wenn er an die geschlachteten Tiere denkt. Knapp 42 Prozent achten beim Fleischeinkauf jedoch insbesondere auf einen möglichst günstigen Preis.
Über 80 Prozent der Befragten essen gerne gegrilltes Fleisch und gegrillte Würstchen. Das Grillen ist eines der beliebtesten Hobbys der Deutschen und ganz klar eine Männerdomäne. Sechs von zehn Befragten sind der Meinung, dass „Männer einfach mehr Fleisch zum Essen brauchen als Frauen.“ Frauen sind hingegen weniger häufig bedingungslose Fleischesser. Sie haben nicht nur häufiger gesundheitliche Bedenken beim Fleischkonsum, sie achten auch eher auf die Herkunft des Fleisches.
Nur etwas mehr als jeder Dritte (36 Prozent der Befragten) gab an, beim Fleischkonsum vorsichtiger geworden zu sein. Die Fleischskandale der vergangenen Jahre haben zu einem Umdenken bei vielen Fleischkonsumenten geführt: Ein Drittel der Studienteilnehmer sagt, dass eine vegetarische Ernährung gesünder sei. Außerdem könne der Verzicht auf Fleisch Gesundheitsrisiken vorbeugen.
Während sich ein Großteil der Befragten beim Fleischkonsum mit gesundheitlichen Risiken konfrontiert sieht, verzichten nur 15 Prozent generell auf Fleisch. Lediglich drei Prozent gaben an, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren. Zwölf Prozent der Befragten kaufen ausschließlich Bio-Fleisch. Allerdings legen 65 Prozent der Befragten laut der Studie keinen besonderen Wert auf die artgerechte Haltung der Tiere.
Doch nach Meinung vieler Befragter ist Fleisch nicht gleich Fleisch: 58 Prozent der Befragten gaben an, Geflügel – sogenanntes „weißes Fleisch“– sei gesünder als „rotes Fleisch“ von Rind oder Schwein. Doch die Geflügelskandale der vergangenen Jahre beunruhigen die deutschen Fleischkonsumenten. 29 Prozent kaufen ihr Fleisch deshalb direkt bei Bauern oder Erzeugern.
Fleischkonsum als Gruppenzwang? Knapp 19 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, weniger Fleisch und Wurst einkaufen zu wollen, Familie oder Partner wollten aber nicht auf Fleisch verzichten. Insbesondere Frauen haben ein ambivalentes Verhältnis zum Fleischkonsum. Ein Viertel der weiblichen Studienteilnehmer gab an, zumindest zeitweise auf den Verzehr von Fleisch oder Wurstwaren zu verzichten.
Alter, Bildung und Herkunft der Befragten spielten eine Rolle: So achten 54 Prozente der 20- bis 29-Jährigen beim Fleischeinkauf auf einen günstigen Preis. Dagegen haben 34 Prozent der Jüngsten (14- bis 19-Jährige) ein schlechtes Gewissen, wenn sie beim Fleischkonsum an die geschlachteten Tiere denken. Menschen mit höherer Schuldbildung essen weniger Fleisch, als Menschen mit niedriger Bildung. In den neuen Bundesländern waren 90 Prozent aller Befragten der Meinung, dass Fleischessen beim Menschen naturbedingt ist.
Die durch den „Wort & Bild Verlag“ veröffentlichte Studie wurde von der GfK-Marktforschung vom 9. bis zum 27. August 2013 als telefonische Befragung durchgeführt. In diesem Rahmen wurden 2094 Befragte im Alter ab 14 Jahren befragt. Die nach Quoten gezogene Stichprobe gilt als repräsentativ für die Bundesrepublik Deutschland.
Einfach ist Fasten natürlich nicht. Gerade, wenn man seit Weihnachten aus dem Vollen geschöpft hat. „Ja, man braucht eine Eingewöhnungszeit und Willensstärke, denn die Verführung lauert überall“, bestätigt Claudia Szymula, Sprecherin der Krankenkasse Barmer in Sachsen. In den ersten Tagen sei der Drang groß, in die alten Gewohnheiten zurückzufallen. Es helfe aber, wenn dann die anderen einen an die guten Vorsätze erinnern: „Fasten in der Gruppe ist leichter.“
Nach geraumer Zeit werde der Verzicht immer einfacher. Welche Form des Fastens bei wem am besten zum Erfolg führt, sollte jeder für sich austesten, so der Ärztliche Direktor der Max Grundig Klinik abschließend.