Wenn Tage vor der Prüfung der Reader nicht ausgedruckt oder der Projektabschluss zwei Wochen nach Projektende nicht gemacht wurde, sind das klassische Beispiele für Aufschieberitis. Wie weit verbreitet chronisches Aufschieben ist, zeigen diverse Studien. Fast jeder zweite Deutsche soll Probleme damit haben.
Etwa ein Viertel geht laut Statista noch weiter: Die Befragten geben das Aufschieben von Dingen als ihre schlechteste Eigenschaft an. Zwar ist Aufschieberitis kein rein studentisches Phänomen, aber Studenten gehören zu den Hochrisikogruppen, denn sie können sich ihre Zeit relativ frei einteilen. 75 Prozent von ihnen können sich nur schwer motivieren, Aufgaben zeitnah zu erledigen. Einige Unis haben Beratungen speziell für die sogenannten Prokrastinierer eingerichtet.
Aufschieben ist per se nichts Schlechtes – chronische Aufschieberitis schon
Dabei ist Aufschieberitis nicht etwa ein Charakterzug oder eine Krankheit, sondern reine Gewohnheit. Selbst Dinge, die man freiwillig und aus Spaß macht, können auf den jetzt-nicht-Stapel geraten. Das kann durchaus positiv sein: Mal gewinnt man mit der Zeit neue relevante Informationen, oder die Aufgabe stellt sich als nicht relevant heraus. Bei Anschaffungen kann das Abwarten auf den richtigen Moment Geld sparen.
Trotzdem hat Prokrastinieren meist eher negative Folgen. So kann die Bearbeitungszeit für eine Aufgabe zu knapp werden und das Ergebnis bleibt hinter den Erwartungen zurück. Aber damit hört es nicht auf: Studien haben gezeigt, dass habituelle Aufschieber häufiger unter Stress und Gesundheitsproblemen wie Verdauungs- und Schlafproblemen, Depressionen, Angst und Erschöpfung leiden. Sie sind häufiger Single, arbeitslos und haben ein geringeres Einkommen als Mitmenschen, die nicht so oft Dinge aufschieben.
Wollen Sie nicht oder stimmt Ihr Zeitmanagement nicht?
Natürlich heißt das nicht, dass man allein der Altersarmut entgegensieht, weil man in seiner Studienzeit öfter mal eine Hausarbeit geschoben hat. Trotzdem gibt es eine Menge Gründe dafür, die Aufschieberitis zu bekämpfen. Um die Gewohnheit aufzubrechen, sollte man reflektieren, was genau die Vermeidungsreaktion auslöst. Ist man ein Erregungs-Aufschieber, der meint, nur unter Druck gute Leistung zu bringen? Gehört man zu den Vermeidungs-Aufschiebern, die sich der Aufgabe einfach nicht stellen wollen?
Kernprobleme sind ein schlechtes Zeitmanagement sowie fehlende Organisation und Priorisierung von Aufgaben. Diese Faktoren führen dazu, dass man Dinge übersieht, zu spät angeht und dann in Stress gerät. Doch es kommt auch vor, dass Menschen zu hohe Ansprüche an sich stellen und gleichzeitig daran zweifeln, diese erfüllen zu können. Die Angst vor dem Scheitern kann regelrecht lähmen. Möglich ist auch, dass man einen Konflikt mit der Aufgabe verbindet – zum Beispiel, wenn man mit einem schwierigen Kollegen zusammenarbeiten muss oder fürchtet, von wichtigeren Projekten abgezogen zu werden – und diesen meiden will. Schließlich können psychische Probleme wie Depressionen ein Grund sein, zu Erledigendes aufzuschieben.
Tipps, um Aufschieberitis in den Griff zu bekommen
Chronisches Prokrastinieren lässt sich mit einer Reihe von Tricks unter Kontrolle bringen. Diese helfen langfristig dabei, produktiver und erfolgreicher zu arbeiten. Nicht jede Strategie funktioniert für jeden – dafür sind Menschen zu unterschiedlich. Wichtig ist, den Vermeidungsautomatismus zu reflektieren und Ansatzpunkte zu finden, ihn zu unterbrechen.
Aufgaben aufteilen und visualisieren
Wer genau weiß, was zu tun ist, fängt leichter damit an. Darum ist es sinnvoll, eine komplexe Aufgabe in kleine Teilaufgaben aufzuteilen. Den Punkt „Bewerbung schreiben“ auf eine To Do-Liste zu setzen, kann einschüchternd wirken. Besser ist es, erst den Lebenslauf zu aktualisieren, dann die wichtigsten Anforderungen mit dem eigenen Profil abzugleichen, weitere Berührungspunkte zu sammeln, das Anschreiben auszuformulieren und am Ende gegenzulesen. So lassen sich Etappenziele einzeln abarbeiten. Alle Aktivitäten müssen außerdem richtig priorisiert werden, falls die Zeit knapp wird und man nicht alles schafft. Wichtig: Für die einzelnen Arbeitspakete sollten realistische Deadlines gesetzt werden.
Wer zu Perfektionismus neigt, sollte sich kritisch damit auseinandersetzen, wie viel Feinschliff die Arbeit wirklich noch nötig hat und in welchem Verhältnis Aufwand und Ergebnis stehen. Oft sind 80 Prozent genug und lassen sich in deutlich weniger Zeit erreichen als 100 Prozent.
Auf die persönliche Arbeitsweise eingehen
Es gibt Lerchen und Eulen, die jeweils früher oder später am Tag zu Hochform auflaufen. Manche schaffen ungeliebte Dinge schnell aus dem Weg, andere benötigen etwas Vorlauf, um sich auf Herausforderungen einzustellen. Welches die richtige Organisationstaktik für To Dos ist, hängt davon ab, wie man arbeitet. Nachtmenschen sollten sich nicht zwingen, am Tag an Projekten zu feilen, sondern entsprechend ihrer Leistungskurve Hausarbeit, Privatleben und Schreibtischzeiten über den Tag verteilen. Egal ob die produktivsten Phasen morgens, mittags oder abends sind, sollte immer Zeit für eine Regeneration eingeplant werden, um frisch und wach weiterzuarbeiten.
Wenn ein klingelndes Telefon oder spielende Kinder stören, fällt es schwer, sich zu konzentrieren. Besonders schlimm ist es, wenn man sich heimlich über Ablenkung freut – oder sie selbst sucht. Diesem Problem kommt man bei, indem man gesonderte Zeitfenster einplant, in denen Social Media und andere Zerstreuungen ausdrücklich erlaubt ist. Der Rest der Zeit ist Offline-Time und für die Arbeit reserviert. Manchmal bietet sich auch ein Wechsel der Örtlichkeit an, etwa in der Bibliothek zu arbeiten, wo man den strengen Blicken der anderen ausgesetzt ist und sich so weniger leicht um die Arbeit herumdrücken kann.
Rituale und positives Feedback schaffen
Gerade wenn man sich mit einer Aufgabe plagt, die einem schwerfällt, sollte man versuchen, auch positive Erlebnisse einzubauen. Dazu gehören eine angehnehme Arbeitsumgebung und Pausen, in denen man sich etwas gönnt. Außerdem sollte man sich für die erzielten Erfolge loben.
Gerade für Selbständige ohne feste Arbeitszeiten ist es wichtig, nach einer produktiven Phase gar nicht erst wieder in alte Muster zu verfallen. Dafür lohnt es sich, Rituale in den Alltag einzubauen und beizubehalten. Wer jeden Tag zeitig aufsteht, auch wenn kein Projekt ansteht, und sich zwei Stunden an den Schreibtisch setzt, schafft es eher, auch ungeliebte Aufgaben in dem Zeitfenster zu erledigen. Eine weitere Möglichkeit sind Warm-up-Rituale wie drei Lieblingssongs hören, einen Kaffee holen und dann mit der Arbeit beginnen. Nach einer Weile erwartet das Gehirn nach dieser Abfolge, dass jetzt konzentriertes Arbeiten folgt.
Je unangenehmer die Aufgabe, desto schwieriger ist es, am Ball zu bleiben. Was helfen kann, ist sich seine Ziele in Erinnerung zu rufen. Wie bringt die gegenwärtige Aufgabe mich diesen näher? Das kann neue Motivation wecken.
Das Umfeld kann dabei helfen. Verabredungen mit Freunden oder Kommilitonen zum gemeinsamen Arbeiten und Kaffee trinken lassen die Arbeit weniger schlimm erscheinen. Auch Termine mit Kollegen oder Mentoren, um über aktuelle Projekte zu sprechen, können hilfreich sein: Damit setzt man sich einen Termin, bis zu dem Ergebnisse vorliegen müssen. Solche Deadlines sorgen für einen Motivationsschub, besonders wenn man keinen externen Zeitdruck hat.
Zugegeben: Die Steuererklärung macht keinen Spaß und wird auch mit einer ausgeklügelten Planung kaum attraktiver. Mit etwas Übung wird es allerdings leichter, sich zu überwinden. Mehr noch, die eigenen Arbeitsergebnisse werden davon profitieren. Und weil unangenehme Aufgaben ein Leben lang auf einen zukommen, trägt ein Abschied von der Aufschieberitis auch langfristig zum persönlichen Erfolg bei.