In Deutschland gibt es über 35.000 Coaches – und ebenso viele Wege einer zu werden. Denn der Beruf ist nicht geschützt: Jeder kann sich als Lebens- oder Karriereberater bezeichnen. Zwar gibt es Ausbildungen zum Coach, allerdings ist nur ein Bruchteil davon wissenschaftlich fundiert, wie der Osnabrücker Psychologie-Professor Siegfried Greif herausgefunden hat. Er hat 50 Coaching-Ausbildungen in Deutschland, Großbritannien und den USA analysiert. Sein Fazit: Nur vier Prozent der Ausbildungen haben Hand und Fuß.
Einer Vereinheitlichung stehe nicht zuletzt die Vielzahl der Verbände entgegen, so Greif. Allein in Deutschland gibt es mehr als 20 verschiedene Coaching-Verbände. In den Ausbildungen lernen die Coaches oft „lediglich ein paar Techniken wie die Grundlagen der Gesprächsführung, die alle gleich sind“, sagt Madeleine Leitner, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin. „Ich spreche hier von der "unbewussten Inkompetenz" der Coachs, die noch nicht einmal wissen, was sie nicht wissen.“
Was ist Coaching?
Coaching ist ein persönlicher Prozess, der dazu anregt, sich weiterzuentwickeln. Die Klienten sollen blockierende Denk- und Verhaltensmuster erkennen, sich neu ausrichten und eigenständige Lösungen finden – soweit die Theorie.
Coaching hat seinen Ursprung im Sport. Der Coach arbeitet daran, die Sportler zu Spitzenleistungen zu führen, in ihnen Kräfte zu wecken, die sie weit über die üblichen Erwartungen hinaustreiben. Dabei geht es ihm nicht nur um Technik und Kondition, sondern auch um psychologische und mentale Betreuung - und dies oft auf autoritäre Weise. Nach erreichter Spitzenleistung wechseln die Sportler oft den Coach, weil sie sich aus der starren Herrschaftsbeziehung befreien und weiterkommen wollen.
Die Verbände bemühen sich seit mehreren Jahren, um einheitliche Standards – bislang allerdings ohne Erfolg. Diese Lücke versucht die Stiftung Warentest mit einem Kriterienkatalog zu füllen, um so nicht nur Einsteigern bei der Auswahl Orientierung zu geben, sondern auch für Weiterbildungsangebote schon anbietender Coaches.
So wird eine Ausbildungsdauer von mindestens zwölf Monaten mit 250 Stunden Präsenzunterricht empfohlen. Derzeit kostet die Ausbildung - je nach Anbieter - zwischen 300 und 17.000 Euro und dauert zwischen vier Wochen und zwei Jahren.
Vier verschiedene Coach-Typen
Für willensstarke Menschen mit ausgeprägtem kaufmännischem Denken ist Führung eine Selbstverständlichkeit. Wettbewerbs- und ergebnisorientiert wollen sie stets die Besten sein – und erwarten dies auch von ihren Mitarbeitern. Diese Coaches setzen hohe Ziele und haben ebenso hohe Ansprüche.
Dieser Chef ist großzügig, kann sehr gut zuhören und setzt sich stets für sein Team ein. Er kennt die besondere Dynamik seines Teams und versteht es, die Zusammenarbeit verschiedener Gruppen zu optimieren. Als Coach investiert er viel Zeit und Energie in die Entwicklung seiner Mitarbeiter.
Er sprüht vor Kreativität und Ideen. Er liebt es, mit seinem Team neue Konzepte und Lösungen zu entwickeln. Zudem ermutigt er die Mitarbeiter, außerhalb der üblichen Gewohnheiten zu denken und flexibel auf Veränderungen zu reagieren.
Diagnostische Coaches führen ihre Abteilungen mit klarer Struktur und legen viel Wert auf funktionierende Prozesse. Bei diesem Coach wird das Team keine unangenehmen Überraschungen erleben, wenn es seinerseits langfristig und verlässlich agiert. Mit ihrer Fähigkeit, Probleme zu lösen, unterstützen sie ihre Mitarbeiter bei der Entwicklung der individuellen Stärken und ermutigen sie zu konstruktivem Denken, um solide Geschäftsstrategien zu erarbeiten.
In einer einheitlichen Ausbildung sollen vor allem Rollenkonzepte, Psychologie und die eigene Kompetenz im Vordergrund stehen. Die Stiftung Warentest will am liebsten noch einen Schritt weitergehen und ein Studium in Psychologie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zum Teil der Ausbildung erklären.
Coaching macht nicht reich
Dass Coaches mit der Unsicherheit von Managern reich werden, ist übrigens ein Irrglaube: Einer Umfrage des Büros für Coaching und Organisationsberatung (BCO) ist ein Großteil der Coaches nebenberuflich als Berater tätig. Nur zehn Prozent ihres Einkommen stammen aus der Coaching-Tätigkeit.
Guter Coach kennt seine Grenzen
Dabei betrachten nicht zuletzt auch Unternehmen Coaching als eine „sinnvolle und effektive Methode, Probleme zu lösen und ihre Mitarbeiter zu unterstützen“, sagte Wolfgang Loos, einer der ersten Managementberater in Deutschland, schon vor Jahren in einem Interview. Ein Satz, der auch heute nicht an Aktualität eingebüßt hat.
Denn auch die Marburger Coaching-Studie, die seit 2009 jährlich durchgeführt wird, stellt fest: Vor allem das mittlere und gehobene Management nutzen Coaching-Angebote, um das eigene Führungs- und Problemlösungsverhalten zu reflektieren. Ein zweites Feld, in dem Unternehmen Coaches einsetzen, ist bei Veränderungen. So etwa bei der Vorbereitung auf neue Aufgaben, oder einer Versetzung an einen neuen Standort.
Das ist es auch, was ein erfolgreiches Coaching ausmacht: „Auf persönlicher Ebene zeichnet sich ein guter Coach insbesondere durch seine Fähigkeit zur Selbstreflexion aus, da es ein grundsätzliches Merkmal des professionellen Coachings ist, die Wahrnehmung und die selbstgesteuerte Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten zu erweitern“, sagt Anne Waldow vom Deutschen Bundesverband Coaching e.V.
Was ist gut an dem Bedürfnis nach Coaching?
dass man mit den üblichen Methoden nicht mehr erfolgreich sein kann;
dass das Weiterführende auf einer anderen Ebene zu suchen oder aus neuen Quellen zu schöpfen ist;
sich selber kritisch zu überprüfen und auch feste Überzeugungen doch in Frage zu stellen und aus Fehlern zu lernen;
sich immer wieder auf neue Erfahrungen einzulassen und, wenn auch in kleinen Schritten, so doch riskante Wege nicht zu scheuen;
sich zu bekennen als jemand, der nicht im Besitz der Wahrheit ist, sondern der immer noch aus Fehlern lernen muss, dem es aber vor allem um die Suche nach der besseren Lösung geht.
Nur wer zu einem Perspektivenwechsel in der Lage ist, könne auch helfen. Das unterstützt auch Psychotherapeutin Leitner: Ein guter Coach ist sich seiner Grenzen bewusst. „Dazu hat er oder sie sich professionell mit sich selbst beschäftigt und damit mit seiner eigenen Motivation, überhaupt als Coach tätig zu sein.“
Waldow macht einmal mehr deutlich, dass Coaches psychologische Kenntnisse haben und soziologisch mit Gruppenstrukturen vertraut sein sollten. Nicht zu verachten sei dabei auch ein möglichst breites Schnittfeld von Wissensbereichen und verschiedenen Feldern.
Daran erkennen Sie einen guten Coach
Das Coaching soll vom Volumen her überschaubar sein. "Never-Ending-Stories" sollen vermieden werden auch, um Abhängigkeitsverhältnissen vorzubeugen.
Ein guter Coach prüft, ob Coaching für seinen Adressaten überhaupt die richtige Maßnahme ist. Das Interesse des Auftraggebers (also der Oraganisation oder des Unternehmens) muss sich mit den Interessen des Coachees nicht decken. Ein guter Coach muss aber die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen.
Ein guter Coach lehnt Aufträge ab, wenn sie nicht seinen Kompetenzen entsprechen oder sich nicht mit seinen Schwerpunktthemen befassen. Damit gemeinsam definierte Ziele erreicht werden können, muss die Leistungserwartung des Klienten und das Leistungsvermögen des Coaches einander entsprechen.
Ein guter Coach benennt die einzelnen Prozessphasen explizit und stellt in Grundzügen sein methodisches und konzeptionelles Vorgehen dar. Der Auftraggeber soll genau überblicken können, worauf er sich einlässt.
Die Entscheidung für ein Coaching soll der Klient bewusst und ohne Druck treffen - deshalb gibt ein guter Coach dem Klienten nach dem Kennenlerngespräch Bedenkzeit.
Ein guter Coach erkennt Themen und Umstände, die zusätzlicher Beratung bedürfen und leitet diese ein. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Therapie, Eheberatung oder medizinische Behandlung handeln.
Deutscher Bundesverband Coaching e.V. (Hrsg.): Checkliste für Auftraggeber und Klienten. Vorgelegt vom Fachausschuss Mittelstand. Osnabrück: 2010.
„Dies gilt für Business-Themen auch für den betriebswirtschaftlichen Bereich“, sagt sie. Leitner ergänzt: Ein guter Coach hält sich immer auch an die Zielerklärung, die er mit seinem Kunden vereinbart hat. „Welche Erwartungen hat der Klient? Woran merkt er oder sie, dass es einen Fortschritt gegeben hat?“ Dabei gibt es Feedback und Impulse und stellt wichtige Leitfragen – auf konstruktive Weise. Er gibt aber keine Lösungsansätze vor, sondern lässt seine Klienten eigenständig Lösungen für Probleme finden, die sie im Alltag leicht einsetzen können.
Alles-Könner gibt es nicht
„Misstrauisch sollte man dann werden, wenn der Coach behauptet, für jedes Anliegen geeignet zu sein – also bei selbsternannten „Alles-Könnern“, gibt Waldow zu Bedenken. Sie behaupten zum Beispiel angeblich nur auf der Top-Ebene zu arbeiten und sich zu einem Coaching herabzulassen, weil zufällig gerade ein Termin frei geworden ist.
Ein weiteres Merkmal von kritisch zu betrachtenden Angeboten ist, dass sie häufig nicht einmal definieren können, was Coaching ist und wie es sich von andern Maßnahmen unterscheidet, geschweige denn, dass sie erläutern können, wie ein typisches Coaching abläuft. Sie verwenden dann Floskeln wie „Coaching kann man nicht beschreiben" oder „Coaching muss man erleben“.