Im Süden am Meer sahen wir riesige Rhododendren: blühend, voll, rot. Wie ratlos standen wir wenig später vor unserem Strauch zuhause im Terrassenkübel. Mickrig. Seit Jahren dümpelte er vor sich hin. Und dann die Idee: Wir pflanzen ihn aus - in ein weites Feld an der Wiese. Zurzeit explodiert er förmlich vor Kraft - wie Menschen, die sich aus Beschränkungen befreit haben.
"Freiheit, Freiheit - ist das Einzige, was zählt!" sang Marius Müller-Westernhagen am Brandenburger Tor nach dem Mauerfall. Politisch sowieso, aber auch aus Perspektive der Motivationsforschung hat er recht. Weil Freiheit uns ermutigt zu wachsen. Weil sie uns ermöglicht, uns den Herausforderungen offen für neue Erfahrungen zu stellen. Weil sie Freude und Prosperität für Mensch, Organisation und Gesellschaft bringt.
Vielleicht denken Sie jetzt, dass sei ja wohl ziemlich pathetisch. Ist es vielleicht auch. Aber vielmehr als das ist es empirisch belegbar. In dutzenden von Studien wiesen die angloamerikanischen Motivationsforscher Deci und Ryan nach, dass das Freiheits-Erleben eines der wichtigsten Grundbedürfnis des Menschen ist. Freiheit ist eine Grundbedingung dafür, dass Menschen sich selbst motivieren und wachsen.
Wann wir amotiviert sind
Drei grundlegenden Motivationszustände unterscheiden Deci und Ryan, die auf einem Kontinuum der zunehmenden freien Selbstbestimmung angesiedelt sind:
· Amotivation - völlige Unmotiviertheit ("Ich weiß auch nicht, warum ich arbeite, es wird einfach zu viel erwartet")
· Extrinsische Motivation - man handelt der Belohnung wegen ("Ich arbeite, weil ich das Geld brauche")
· Intrinsische Motivation - man tut etwas aus Interesse an der Sache selbst ("Ich arbeite, weil es mir Spaß macht, neue Sachen zu lernen"/"Ich arbeite gerne, weil ich zufrieden bin, wenn ich schwierige Aufgaben erfolgreich geschafft habe").
Amotivation ist ein Zustand, in dem wir keinen Grund haben zu handeln. Der Amotivierte erlebt sich selbst nicht als selbstbestimmter Verursacher, sondern als durch Kontrolle fremdbestimmt. Die Unfreiheit - nicht über sich selbst bestimmen zu können - hat an dem Zustand gewaltigen Anteil.
Echte Arbeitsfreude statt mantraartiger Selbstmotivation - so geht's
Wenn wir etwas Neues in Angriff nehmen, sind wir hellwach und lebendig. Herausforderungen stellen deshalb eine ausgezeichnete Glücksquelle dar. Wir können Zusammenhänge erforschen, wir lernen, wir gehen Risiken ein, müssen improvisieren, erfinderisch sein, Hindernisse aus dem Weg räumen usw. Das Erleben steht im Vordergrund. Wer so arbeitet, denkt nicht daran, zwischendurch auf die Uhr zu sehen und der Feierabend kommt überraschend.
Quelle: Diplom-Psychologin Marion Lemper-Pychlau
Das, womit sich der Geist beschäftigt, das wächst. Konzentrieren wir uns auf all die Faktoren, die Anlass zur Unzufriedenheit geben, dann wächst unweigerlich die Unzufriedenheit. Empfinden wir hingegen Dankbarkeit für die Dinge, die in Ordnung sind, wächst die Zufriedenheit. Alles nur eine Frage der Wahl...
Als soziale Wesen sind wir auf nährende Beziehungen angewiesen. Gerade im beruflichen Stress tut es gut, öfter mal ein Lächeln und ein aufmunterndes Wort geschenkt zu bekommen. Eine lockere Plauderei, gemeinsames Lachen, ein bisschen Anteilnahme – es braucht nicht viel, um Verbundenheit herzustellen. Jeder kann damit anfangen, solch eine Kultur der Freundlichkeit und des gegenseitigen Wohlwollens zu etablieren. Ein wenig Wärme im rauen Tagesgeschäft ist ein wertvoller Wohlfühlfaktor.
In der Arbeitswelt geht es den meisten um Gewinn und groß ist die Befürchtung, man könnte zu kurz kommen. Dahinter steht die unreflektierte Überzeugung, dass wir um so glücklicher sein werden, je mehr wir bekommen. Diese Überzeugung ist falsch. Denn wir sind alle Opfer des Gewöhnungseffekts: Was auch immer wie bekommen, wir gewöhnen uns daran und wollen dann um so mehr. So werden wir zu Getriebenen.
Beständiger hingegen ist das Glück des Gebens, ebenfalls eine Erfindung der Evolution. Wenn wir etwas für andere tun, nutzt das häufig mehr uns selbst als dem Empfänger unserer Wohltaten. Die Natur belohnt Selbstlosigkeit mit Glücksgefühlen, weil sie früher einmal unmittelbar dem Überleben der Art diente. Der Mechanismus funktioniert auch heute noch hervorragend. Und ganz nebenbei erweist sich großer Einsatz oft auch als sehr förderlich für die eigene Karriere...
Fremdbestimmung ist der Arbeitsfreude abträglich. Das Gefühl, nur ein Befehlsempfänger zu sein, lässt kein Glück zu. Wir können in solch einer Situation jedoch zum versierten Detektiv für Spielräume werden. Kleine Spielräume finden sich immer. Es ist sehr beglückend, sie auf persönliche und eigenwillige Weise zu nutzen. Wir wollen gestalten und der Welt unseren eigenen Stempel aufdrücken – das liegt in unserer Natur. Auch wenn es nur im Kleinen geschieht, so fühlt es sich doch sehr gut an.
So fällt mir meine Studienzeit ein, in der ich Putzfrau in dem Essener Nobelviertel Bredeney war. Ein älteres Ehepaar hatte mich eingestellt und jeder meiner Arbeitsschritte wurde durch die Herrscherin des Hauses kontrolliert ("Den Teppich bitte in dieser Richtung saugen, heute bitte die Kacheln in der Küche mit dem und dem Putzmittel putzen, die Bücher bitte genauer auf Kante stellen"). Wir hatten nicht besonders lange Freude aneinander.
Ähnlich geht es wohl vielen Arbeitnehmer/innen oder auch Kindern und Jugendlichen, deren Drohnen-Eltern permanent kontrollierend um sie herumschwirren ("Ich unterstütze meinen Max-Leopold bei den Hausaufgaben!").
1. Freiheit steigert die Motivation
Am anderen Ende der Motivations-Skala steht die intrinsische Motivation. Sie ist der Prototyp selbstbestimmter Aktivität. Die Freiheit, über sich selbst und seine Arbeit bestimmen zu können, geht mit dem höchsten Maß an Freude und Befriedigung einher. Erst durch die freie Wahl der Arbeit und der Herangehensweise wird dieses Selbstwachstum stimuliert ("Das habe ich geschafft und es hat geklappt!"). Darüber hinaus sind die Arbeitsergebnisse qualitativ und quantitativ besser als in all den anderen Motivationsstadien.