Frühphasen-Investor Warum wir mehr in Hardware investieren sollten

Greenlyte Carbon Technologies Quelle: imago images

Investitionen in den Hardware-Sektor sind gut für das Klima und für die Wirtschaft. Welche konkreten Chancen der Sektor für Risikokapitalgeber bereithält, erklärt Hendrik Brandis, Partner und Co-Gründer von Earlybird Venture Capital in einem Gastbeitrag.

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Letztlich sind es immer zuallererst Hardware-Innovationen, die den Boden für fundamentalen technologischen Fortschritt bereiten. Ob es neue, sehr leistungsfähige Halbleiter als Voraussetzung für zum Beispiel künstliche Intelligenz sind oder modernste Kurzpuls-Laser, die vieles bis hin zur CO2-freien Energieerzeugung durch Kernfusion ermöglichen: Hardware-Innovationen sind der Schlüssel, um einige unserer größten Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen.

Doch obwohl laut einer McKinsey-Studie 60 Prozent der zukünftigen Technologieumsätze durch Hardware generiert werden, stehen Investitionen in Software immer noch im Fokus der meisten Investoren: Laut McKinsey fließen nur etwa 10 Prozent des Venture-Capital-Investments in den Hardware-Sektor.

Darüber hinaus geben sogar 97 Prozent der Risikokapitalgeber an, dass Hardware und Deeptech nicht zu ihren Investitionsschwerpunkten gehören. Und das, obwohl der durchschnittliche Return on Invest von Hardware- und Deeptech-Start-ups laut Pitchbook in den Jahren 2010 bis 2019 um etwa 15 Prozent höher war als der von Software und Dienstleistungen.

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Drei Gründe, warum das so ist:

1. Hardware-Investitionen benötigen viel Vorfinanzierung für Forschung und Entwicklung. Sie sind daher im Vergleich zu Software meist deutlich kapitalintensiver.

2. Sie benötigen meist lange Entwicklungszyklen und einen entsprechend langen Atem. Das bei Investoren so beliebte „Fast Prototyping“ oder „Minimal Viable Product - MVP“, um nach relativ geringem Vorinvestment bereits früh erstes Markt-Feedback und damit eine Bestätigung für die Invest Hypothese zu bekommen, gibt es nicht.

3. Die Einschätzung der technologischen Risiken erscheint vielen Investoren sehr schwierig. Häufig fühlen sich Investoren nicht kompetent, die Technologie selbst zu beurteilen. Sie sind von externen sogenannten Experten abhängig, bei denen hinsichtlich neuer, noch nicht nachgewiesener Technologien häufig ein diverses Meinungsbild vorherrscht. Im Ergebnis fühlen sie sich unsicher und sehen lieber von einer Investition ab.

Konkrete Beispiele für das Wachstumspotenzial des Sektors lassen sich unter anderem in der Raumfahrt- und Fusionstechnologie beobachten: Über die letzten Jahrzehnte wurden im Durchschnitt rund 60 Satelliten pro Jahr neu im Orbit platziert. Allein im Jahr 2022 waren es über 2000 und die Menge steigt rasant weiter; derzeit nur begrenzt durch die Anzahl verfügbarer Raketenstarts. Während sich die Energieeffizienz der sich in der Entwicklung befindlichen Kernfusionsprozesse in der Dekade von 2010 bis 2019 um durchschnittlich 30 Prozent pro Jahr verbessert hatte, lag diese Rate für die ersten Jahre dieses Jahrzehnts von 2020 bis 2022 bei beeindruckenden 320 Prozent pro Jahr – eine Verzehnfachung der Geschwindigkeit. Erstmalig kommt damit die Perspektive einer Netto-Energiegewinnung durch Kernfusionsprozesse in greifbare Nähe.

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Beispiele für vielversprechende Hardware-Innovationen in Deutschland und Europa gibt es vielfach. Besonders inspirierend sind die in München ansässigen Unternehmen Isar Aerospace und Marvel Fusion. Isar Aerospace entwickelt eine kleine, effiziente Trägerrakete und Marvel Fusion hat einen disruptiven und vielversprechenden Ansatz für eine saubere und sichere Technologie für laserbasierte Kernfusion entwickelt. Im Kontext der Raumfahrttechnologie ist auch NewOrbit aus Großbritannien erwähnenswert. Das Start-up arbeitet an Ultra Low Earth Orbit (ULEO) Satelliten, die nur 180 km über der Erdoberfläche kreisen, und damit weit weniger als herkömmliche Satelliten. Die Nähe zur Erdatmosphäre ermöglicht Bilder in hoher Auflösung und unter anderem die Schaffung innovativer, weltraumbasierter mobiler Netzwerke.

Das schwedische Start-up Paebbl entwickelt eine revolutionäre Technologie zur Kohlenstoffspeicherung, die die dauerhafte Speicherung von CO2 in industriellen Rohstoffen ermöglichen soll. Durch den Einsatz dieser Technologie wird Kohlendioxid in mehr als eine Million Mal beschleunigtes Verfahren in Stein umgewandelt. Greenlyte aus Essen entwickelt Anlagen zum sogenannten Direct Air Capture (DAC). Diese Anlagen sind CO2-Staubsauger für die Luft und bieten im Fall von Greenlyte die Perspektive, eine Tonne CO2 zu ähnlichen Kosten aus der Luft zu holen, wie für CO2-Zertifikate bezahlt werden müssten. Das ist rund zehnmal günstiger als die besten bisher verfügbaren Technologien.

Black Semiconductor aus Aachen entwickelt leistungsstarke Mikrochips mit integrierter elektronischer photonischer Schaltungstechnik. Diese nutzen das Potenzial von Graphen aus und ermöglichen so schnellere, intelligentere und umweltfreundlichere Anwendungen, die Innovationen beschleunigen. Werfen wir abschließend noch einen Blick auf das Start-up EleQtron aus Siegen, das mit seinem bahnbrechenden physikalischen Konzept, Ionenfallen mit Mikrowellen zu steuern, die Leistung der so hergestellten Quantencomputer um Größenordnungen nach oben schrauben konnte.

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Fazit: Es lohnt sich, in den Hardware-Sektor zu investieren. Denn die Technologien und Produkte, die hier entwickelt werden, schaffen die Voraussetzungen für fundamentalen technologischen Fortschritt zur Lösung der bedeutendsten Herausforderungen der Menschheit und versprechen gleichzeitig großen wirtschaftlichen Erfolg. Auch generative KI ist ohne Hochleistungschips nicht denkbar und wird erst mit Quantencomputing ihr volles Potential entwickeln können. Ohne die massenhafte Produktion von CO2-freiem und grundlastfähigem Strom, zum Beispiel auf Basis neuer Kernfusionstechnologien, wird der Klimawandel nicht erfolgreich einzudämmen sein. Es ist deshalb an der Zeit, dass Investoren diese strukturelle Finanzierungslücke überwinden und neben den bisher dominierenden Investitionen in Software und Dienstleistungen ihr Engagement auch im Bereich Hardware ausbauen.

Transparenzhinweis: Bei den Unternehmen EleQtron, Isar Aerospace, Marvel Fusion und Greenlyte ist Earlybird als Investor beteiligt.

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