Lightyear „Solarautos können die beiden großen Probleme der Elektromobilität lösen“

2016 gründeten Studenten aus Eindhoven ein Start-up, das ein Solarauto baut: Lightyear. Was machen sie besser als andere? Quelle: Presse

Ein niederländisches Start-up hat geschafft, woran viele andere scheitern: Im November will es mit der Serienproduktion eines Sonnenautos beginnen. Im Interview erklärt Mitgründer Lex Hoefsloot, welche Hindernisse Lightyear dazu überwinden musste – und warum etablierte Hersteller bisher so wenig Interesse an der Technologie zeigen.

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WirtschaftsWoche: Herr Hoefsloot, im November wollen Sie mit der Produktion von Lightyear 0 beginnen. Wie kann es sein, dass das erste Seriensolarauto der Welt von einem Start-up kommt – und nicht von einem etablierten Autobauer?
Lex Hoefsloot: Die Automobilindustrie hatte lange kein wirkliches Interesse an Solarautos, auch wenn immer mal wieder Entwürfe gezeigt worden sind. Es ist nicht damit getan, ein paar Fotovoltaikzellen aufs Dach zu montieren. Das ganze Fahrzeug muss von Grund auf neu entwickelt werden, um den Energieverbrauch herunterzubekommen. Wir waren motiviert genug, das zu probieren. Etablierte Hersteller greifen auf ihre vorhandenen Autodesigns zurück.

Ihr Fahrzeug bringt weniger als 1,6 Tonnen auf die Waage, während zum Beispiel ein Tesla Model S mehr als zwei Tonnen wiegt. Ist Leichtbau der entscheidende Faktor für einen geringen Energieverbrauch?
Bei herkömmlichen Elektroautos treibt der Akku das Gewicht. Unser Ausgangspunkt war es, eine kleinere, leichtere Batterie zu verbauen. Denn wenn das Auto kein so hohes Eigengewicht bewegen muss, können auch andere Teile wie der Motor leichter werden. Und wir haben alles auf Effizienz getrimmt – vom Antriebsstrang bis zum Wechselrichter für die Solarzellen. Sehr wichtig ist auch ein niedriger Luftwiderstand, weswegen wir zum Beispiel Kameras statt Seitenspiegel nutzen. Kein anderes Serienauto ist so aerodynamisch wie Lightyear 0.

Lightyear als Unternehmen gibt es seit 2016. Bei null mussten Sie aber nicht anfangen: Sie haben als Student schon ein Solarautoteam an der TU Eindhoven gegründet. Was hat Sie angetrieben?
Als Kind war ich ein bisschen ein Autonarr, daher kommt sicher das Interesse. Als Maschinenbaustudent hat mich aber vor allem die technische Herausforderung gepackt. Berechnungen haben gezeigt, dass es möglich ist, praxistaugliche Solarautos mit mehr als einem Sitz zu bauen. Trotzdem hat es niemand gemacht. Also habe ich mit Freunden zusammen das Uni-Team gegründet. Ein Vorbild war das Solarcar-Projekt an der Hochschule Bochum.

Lex Hoefsloot Quelle: Presse

Zur Person

Was hat Ihr Forschungsauto ausgezeichnet?
Uns ist es gelungen, ein hervorragendes Team aufzubauen und Sponsoren für unser Uni-Projekt zu finden. Stella war dann das erste Solarauto mit Platz für vier Personen. 2013 haben wir damit die „World Solar Challenge“ gewonnen – ein Rennen, bei dem Universitäts-Teams aus der ganzen Welt teilnehmen. Der Sieg in dem Wettbewerb war ein Schlüsselmoment. Sonst hätten wir wahrscheinlich nicht den Mut aufgebracht, das Start-up zu gründen.

Wieviel von Stella steckt im Serienauto?
Wir haben vieles übernommen, aber mussten auch noch einiges verändern. Das Design zum Beispiel: Technisch hat Stella gut funktioniert, aber das Fahrzeug war keine Schönheit. Uns war klar, dass wir uns bei einem Serienauto eher an konventionellen Formen orientieren müssen. Herausgekommen ist ein Fahrzeug mit einem sportlichen Look, aber ohne Abstriche hinsichtlich der Alltagstauglichkeit.



Den ersten Prototyp haben Sie 2019 präsentiert. Den Produktionsstart haben Sie dann aber immer wieder verschoben. Hat Corona Sie gebremst?
Viele Unternehmen haben Covid als Ausrede benutzt, wenn zuletzt etwas nicht geklappt hat. Wir sind ehrlicherweise einfach mit der technischen Entwicklung nicht so schnell vorangekommen wie erhofft. Und aus dem finalen Prototyp dann ein sicheres und verlässliches Serienauto zu machen, war eine fast schmerzhafte Erfahrung. Es gibt unzählige kleine Hindernisse. Vor allem die Beschaffung ist aufwendig: So ein Auto besteht aus Tausenden Teilen, für alle muss man einen passenden Zulieferer finden. Viele Komponenten mussten wir auch erst selbst entwickeln – weil es einfach nichts Passendes am Markt gibt.

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Das Fahrzeug wollen Sie beim finnischen Auftragsfertiger Valmet Automotive herstellen lassen – die Solardächer aber selbst bauen. Warum?
Grundsätzlich versuchen wir, so viel wie möglich auszulagern. Aber für die Solardächer, die in zwei Richtungen gekrümmt sind, haben wir keinen passenden Partner gefunden. Hinter der Entscheidung, die Produktion selbst in die Hand zu nehmen, steht auch eine strategische Überlegung. Wir wollen künftig auch Solardächer für andere bauen. Tatsächlich sind wir dazu schon mit großen Autoherstellern in Kontakt.

Im Herbst kommt das erste Solarauto der Welt
Lightyear Zero wurde nun im finalen Serienoutfit präsentiert Quelle: Presse
Der Lightyear Zero ist eine 5,08 Meter lange Limousine. Quelle: Presse
Ist der Lightyear Zero an einem sonnigen Tag unterwegs, kann das bordeigene Kraftwerk Strom für bis zu 70 weitere Kilometer einspeisen Quelle: Presse
Lex Hoefsloot, Gründer und CEO von Lightyear, bei der Vorstellung der Serienversion des Lightyear Zero Quelle: Presse
Der Fünftürer bietet in seinem mit nachhaltigen Werkstoffen ausgekleideten Innenraum fünf Sitzplätze, die allesamt ausreichend Platz für erwachsene Fahrgäste bieten sollen. Der Kofferraum kann bis zu 640 Liter Gepäck aufnehmen. Quelle: Presse
Im Innenraum des Lightyear 0 kommen vor allem nachhaltige Materialien zum Einsatz Quelle: Presse
Der Lightyear 0 klingt nach einem vor allem aus ökologischer Sicht interessanten und zukunftsweisenden Auto, allerdings ist er mit 250.000 Euro ziemlich teuer. Quelle: Presse

Sie haben kürzlich eine Finanzierungsrunde in Höhe von 81 Millionen Euro abgeschlossen. Beteiligt daran waren vor allem staatliche Kapitalgeber wie Invest NL. Wie überzeugt ein Start-up Investoren davon, ein neues Auto bauen zu können? 
Das war vor allem am Anfang eine riesige Herausforderung. Wenn man als 26-jähriger Uni-Absolvent erzählt, dass man ein Solarauto bauen will, wird man für verrückt erklärt. Denn natürlich fragen alle, warum die großen Autokonzerne das nicht längst machen. Wir haben unseren technischen Ansatz immer wieder sehr ausführlich erklären müssen. Die Marktchancen und der potenziell große Einfluss der Technologie reizen Investoren dann aber doch.

Zumindest mit Ihrem ersten Fahrzeug werden Sie den Massenmarkt nicht erreichen. Es kostet 250.000 Euro – und Sie haben angekündigt, nur 946 Exemplare zu produzieren. Was hat es mit der Zahl auf sich?
Die Zahl ist ein Spiel mit unserem Namen. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die Licht in einem Vakuum zurücklegt: 9,46 Billionen Kilometer. Und es stimmt: Unser erstes Serienauto zielt nicht auf den Massenmarkt ab. Es ist vor allem als Demonstrator gedacht. Wir wollen lernen, wie man die Produktion aufbaut. Trotzdem haben wir schon 150 Vorbestellungen erhalten – von Menschen, die uns unterstützen und ein einzigartiges Fahrzeug haben wollen.

Ihr zweites Modell haben Sie für 2025 angekündigt. Das soll dann ab 30.000 Euro verfügbar sein – also zu einem geringeren Preis als viele aktuelle E-Autos. Wie wollen Sie die Produktionskosten so drastisch senken?
Entscheidend ist die Massenproduktion – mit hohen Stückzahlen bekommt man den Preis deutlich runter. Und es gibt keinen Grund, warum Solarautos nicht günstiger als konventionelle Elektroautos sein sollten. Vor allem die kleinere Batterie drückt den Preis. Die Kosten für die Solartechnik fallen da nicht so stark ins Gewicht.

In Deutschland will Sono Motors ein massenkompatibles Solarauto für ebenfalls 30.000 Euro auf den Markt bringen. Dem Start-up drohte immer mal wieder, das Geld auszugehen. Nun ist aber die Serienproduktion für Mitte bis Ende 2023 geplant. Haben Sie Sorge, noch überholt zu werden?
Wenn Sono Motors der Produktionsstart gelingt, ist das ein wichtiges Signal an den Markt, dass man tatsächlich erschwingliche Solarautos bauen kann. Wir machen gerade das Gegenteil, einfach weil wir erst einmal von der Kleinserie lernen wollen. Lightyear und Sono sitzen im selben Boot – uns eint das Ziel, Solarautos aus der Nische zu bringen.

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Sehen Sie Länder wie Deutschland oder die Niederlande denn als Zielmarkt? Solarautos spielen ihre Stärken doch vor allem im sonnigen Süden aus.
Natürlich sind die Bedingungen zum Beispiel in Spanien besser. Dort kann man sieben Monate im Jahr fahren, ohne an die Steckdose zu müssen. Aber auch in nördlichen Ländern wie Schweden sind die Solarzellen mehr als Gimmick: Dort kann man rund zwei Monate mit Sonnenenergie fahren. Und selbst wenn man die Fotovoltaik nicht nutzen würde, wären Solarautos noch effizienter als herkömmliche Elektroauto: Wir holen aus jeder Kilowattstunde Strom mehr Reichweite heraus.

Rechnen Sie damit, dass Kunden vor allem aus ökologischen Gründen zugreifen werden?
Ich glaube nicht, dass Nachhaltigkeit das wichtigste Argument ist. Wir wollen damit punkten, dass die Fahrzeuge günstiger und bequemer sind. Solarautos können die beiden großen Probleme der Elektromobilität lösen: die geringen Reichweiten und die schlecht ausgebaute Ladeinfrastruktur. Ich bin überzeugt davon, dass Solarautos in zehn bis 15 Jahren zum Standard werden – die Vorteile sind einfach bestechend.

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