Wer kennt es nicht? Morgens vor der Arbeit schon mal ein paar Mails checken, abends nach Feierabend eine Teams-Nachricht beantworten und Anrufe von Kolleginnen und Chefs sowieso zu jeder Zeit annehmen. Und dann noch die ganzen To-dos, die mal eben von zu Hause aus erledigt werden können.
New Work steht nicht nur für einen modernen Ansatz, sondern auch für die verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben – vor allem bei Menschen, die viel im Homeoffice arbeiten. Das kann sich negativ auf die mentale Gesundheit auswirken: Eine Forschergruppe vom Institut für Arbeitsmedizin an der Berliner Charité fand im vergangenen Jahr heraus, dass die Häufigkeit der Homeoffice-Nutzung ein entscheidender Faktor bei der Frage ist, wie viel Stress Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Arbeit empfinden. Je mehr Arbeitszeit Beschäftigte nämlich im Homeoffice verbrachten, desto häufiger berichteten sie von Stresssymptomen. Sie klagten etwa über Kopfschmerzen und Lustlosigkeit, über Albträume und Traurigkeit. Auch die Jobzufriedenheit litt mit zunehmender Zeit im Homeoffice.
Und dennoch: Die Arbeit von zu Hause aus ist seit der Coronakrise nicht mehr wegzudenken und erfreut sich großer Beliebtheit. Eine Appinio-Umfrage aus dem letzten Jahr ergab, dass lediglich 14 Prozent der Befragten in Zukunft am liebsten „Nur im Büro“ arbeiten würden. 65 Prozent befürworten eine hybride Lösung, bei der sowohl im Büro als auch im Homeoffice gearbeitet werden kann, und 21 Prozent würden gerne ausschließlich vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten.
Auch Jenny von Podewils, die 2016 zusammen mit Kajetan von Armansperg in Berlin das Start-up Leapsome gegründet hat, ist Fan der beliebten, hybriden Lösung. „Ich schätze sowohl den persönlichen Kontakt zu Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vor Ort als auch die Flexibilität, die ich vor allem als Mutter im Homeoffice habe“, erzählt sie im WirtschaftsWoche Podcast „Chefgespräch“. Für die 170 Mitarbeitenden gilt deswegen: Eine Woche im Monat muss im Büro gearbeitet werden.
Doch wie kann verhindert werden, dass Homeoffice zu Stress und Krankheit führt?
Strukturierung im Homeoffice ist wichtig
Leapsome etabliert mithilfe von Software und Künstlicher Intelligenz eine positive Feedback- und Lernkultur in Unternehmen, und sieht sich damit selbst in der Verantwortung für eine neue, gute Arbeitswelt, in der es den Angestellten gut geht – auch im Homeoffice. „Wir haben heutzutage die Anspruchshaltung, dass man alles gleichzeitig haben kann“, sagt von Podewils, „die Realität ist aber: Es geht nicht.“
So finden Sie Zeit fürs Wesentliche
Wie können Sie in Ihrem aktuellen Job den größten Nutzen erbringen? Wovon profitiert Ihr Arbeitgeber oder Ihre Kunden am meisten? Schreiben Sie maximal drei Dinge auf.
Betrachten Sie Ihre sonstigen Aufgaben. Was davon lässt sich aufschieben, delegieren oder streichen? Die gesparten Stunden stecken Sie in die wichtigen Aufgaben – und erledigen die richtig gut.
Ihr Chef wird Ihnen weiterhin mehr Arbeit geben als sinnvoll ist – es sei denn, Sie ziehen eine Grenze. Ohne ein ebenso regelmäßiges wie gut begründetes Nein werden Sie immer nur mittelmäßige Arbeit abliefern.
Die Gründerin hat eigene Strategien entwickelt, um bewusster zu arbeiten. Sie legt vor allem Wert auf die Strukturierung ihrer Arbeitstage. Jeden Morgen nehme sie sich Zeit, um ihre Ziele für den Tag und die Woche festzulegen und zu planen, wann sie woran arbeitet. „Ich schaue dann, welche Meetings ich persönlich machen möchte, wann ich Zeit habe, an etwas zu arbeiten, wann ich den Raum zu Hause nutzen und welche Begegnungen ich im Büro haben möchte“, erzählt sie. Abends nehme sie sich einen „Kinderslot“, bei dem sie ihr Handy weglegt. Außerdem bekommt sie keine Push-Benachrichtigungen auf dem Smartphone: „Ich lasse mich von Push-Nachrichten nicht von meinem Plan abbringen, sondern habe bewusste Zyklen, in denen ich E-Mails, Slack und WhatsApp checke – und entscheide so selbst, wann ich was mache.“
Jenny von Podewils hat Zeit gebraucht, um diese Tools in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Ihr ist wichtig, dass das auch ihre Mitarbeitenden schaffen: „In der Uni lernen wir wenig über richtiges Arbeiten und Strukturieren“, es liege also auch in der Verantwortung von Unternehmen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da an die Hand zu nehmen. Bei Leapsome geschieht das in Form von Trainings für neue Mitarbeitende. Die lernen dann von gestandenen Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel, wie sie mit digitalen Tools systematisch ihren Arbeitsfokus erhöhen können, indem sie Offline-Zeiten einstellen.
Die Gründerin hat auch einen Tipp für den Umgang mit jüngeren Mitarbeitenden: Schreibt sie diesen eine Nachricht spät am Abend oder am Wochenende, plant von Podewils die so ein, dass sie erst am Montag oder am nächsten Morgen zugestellt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon länger im Arbeitsleben stehen, obliege es aber selbst, wann sie ihre Mails checken.
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