Start-up-Ökosysteme Der beste Ort zum Gründen ist immer noch England

Brexit hin oder her: Wenn es um ein attraktives Ökosystem für Start-ups geht, haben die Briten weiterhin die Nase vorn. Deutschland holt zwar auf. Um ein Mekka für Gründer zu werden, muss sich aber noch einiges ändern.

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Großbritanniens Premierministerin Theresa May im Gespräch mit Gründern und Studenten beim Digital Marketing-Start-up Tech Pixies in Oxford. Quelle: AP

Start-ups, die die Welt begeistern, kommen aus dem Silicon Valley. Oder aus Israel. Aus Kalifornien, London und Hongkong. Aber nur selten aus Deutschland. Was nicht heißt, dass die deutsche Start-up-Szene nicht konkurrenzfähig ist oder es keine spannenden, erfolgreichen deutschen Start-ups gibt. Aber wer die alles verändernde Idee hat, geht nicht nach Herne oder Offenbach, um sie umzusetzen. Und auch nicht zwangsläufig nach Berlin.

So sind seit 2015 rund 700 deutsche Jungunternehmer nach Hongkong ausgewandert. Der einfache Zugang zu Produktionsstätten, Logistik und gute Finanzierungsmöglichkeiten waren es, die das Gründerteam von Soundbrenner in die chinesische Sonderwirtschaftszone brachten.

"In Deutschland gibt es einfach keine Industrie, die auf Start-ups aus dem Bereich Consumer Electronics eingestellt ist. Die Fabriken benötigen ganz andere Mindestbestellmengen, als für ein Start-up möglich sind. Das geht schon bei der Verpackung los", sagte Soundbrenner-Mitgründer und CEO Florian Simmendinger gegenüber WirtschaftsWoche Online.

Die Deutsche Börse und die Unternehmensberatung Ernst and Young (EY) wollten wissen, woran es liegt, dass viele deutsche Gründer abwandern und die Zahl der Gründungen in Deutschland rückläufig ist. Deshalb haben sie das Ökosystem in Deutschland, Großbritannien, Israel und den USA untersucht und die wirtschaftlichen, steuerlichen und regulatorischen Bedingungen für Gründer in den jeweiligen Nationen miteinander verglichen.

Wenig überraschend ist Deutschland gerade in punkto Bürokratie kein besonders attraktiver Standort. Das sagen auch ausländische Gründer wie der Brite Nick Franklin, der 2014 nach Berlin kam, um dort sein Start-up Chartmogul aufzubauen. "Man muss sich registrieren, Verträge abschließen, ein Geschäftskonto bei der Bank eröffnen, dann sind da noch Krankenversicherung, die Gewerbeanmeldung und so weiter", sagt er. Als er von Manila nach Berlin kam, habe er noch kein Deutsch lesen können. Ohne Hilfe von anderen Unternehmern und Anwälten wäre die Gründung am Papierkram gescheitert. Trotzdem will er in Berlin bleiben. Im Vergleich zu Palo Alto, New York oder London ist Berlin nämlich spottbillig.

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Doch wenn es um Gründergeist und die Rahmenbedingungen für Start-ups geht, hinkt die Bundesrepublik der Konkurrenz hinterher - auch in Berlin. Besonders im Steuersystem, bei Kapitalanforderungen und in der Bürokratie gebe es großen Aufholbedarf. Hier habe Großbritannien die Nase vorn - allen möglichen Brexit-Konsequenzen zum Trotz.

"Während sich die Bundesrepublik bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Start-ups in den letzten Jahren positiv entwickelt hat, haben die Zentren im Silicon Valley, in Israel und in UK insbesondere bei Finanzierungsmöglichkeiten sowie bei steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen noch signifikante Vorteile für Gründer", bestätigt EY-Partner Christopher Schmitz bei der Präsentation der Studie.

Zwar gebe es in Deutschland großes Potential für künftiges Wachstum und Fortschritte bei einzelnen Initiativen - im Vergleich mit Großbritannien muss aber noch einiges passieren.

Was die Briten gut und die Deutschen besser machen müssen

Wirft man einen Blick auf die Studie, sind die Bedingungen in Großbritannien in allen Punkten förderlich bis sehr förderlich für Gründer. Auf Platz zwei und drei folgen Kalifornien und Israel. Deutschland bildet das Schlusslicht. Gerade was die Gründerfreundlichkeit und die Anzahl von Unternehmensgründungen sowie die Besteuerung von Unternehmen angeht, haben die Briten die Nase vorn. Auch ist es dort für Investoren attraktiver, ihr Geld in Start-ups zu stecken. "Wenn Start-ups aus Deutschland abwandern, dann liegt das oft daran, weil sie an anderen Standorten bessere Finanzierungsmöglichkeiten vorfinden", bestätigt Eric Leupold, Leiter Pre-IPO und Capital Markets bei der Deutschen Börse.

DeutschlandIsraelGroßbritannienKalifornien
Finanzierung******
Infrastruktur**O*
Arbeitskräfte*O***
UnternehmertumO****
Umgang mit Verlusten****O
SteuersätzeO***O
Besteuerung von InvestorenO***
UnternehmensgründungO****
ArbeitsumgebungO****
DatenschutzOO**

** = sehr förderlich * = förderlich O= weniger förderlich

Die Studienautoren raten außerdem dazu, auf kommunaler Ebene Co-Working-Büroräume einzurichten, um Gründern eine günstige Alternative zum eigenen Büro zu bieten. "Möglicherweise ungenütztes Regierungseigentum könnte umgewandelt werden und zu moderaten Preisen als Start-up-Hotspot dienen" heißt es in der Studie.

Auch die Einrichtung von staatlichen Existenzgründerzentren, die Finanzierung, Büroräume, Coaching und Workshops anbieten, könne helfen, um Deutschland als Standort für Gründer attraktiver zu machen.

Mehr Fonds, mehr Förderung

Auch branchenspezifische Existenzgründerprogramme seien denkbar, um beispielsweise gezielt Gründungen im Medizintechnik-Bereich zu fördern. Die Studienmacher raten außerdem zur Einführung eines „Angel Co-Fonds“: Einem staatlichen Fonds, der in der Frühphase der Gründung Investitionen zusagt, um Geschäftsideen mit hohem Potenzial zu unterstützen. Das Geld solle es jedoch nur dann geben, wenn der Gründer mit erfahrenen Unternehmern, sogenannten Business Angels, zusammenarbeitet.

"Zum Treffen von Investitionsentscheidungen sollte es einen unabhängigen Investitionsausschuss mit fundiertem Wissen und reichhaltiger Erfahrung geben", heißt es in der Studie. So ließe sich sicherstellen, dass keine staatlichen Fördermittel für Schnapsideen verpulvert werden.

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Auch sollten Investoren einen besseren Zugang zum Start-up-Markt bekommen, so die Macher der Studie. Das gelte sowohl für Risikokapitalgeber, als auch für multinationale Unternehmen und kleine und mittelständische Firmen. Für alle Akteure soll es möglichst attraktiv sein, Start-ups finanziell zu unterstützen. "Die Anreize könnten unter anderem darin bestehen, zusätzliche Finanzmittel oder Steueranreize bereitzustellen", heißt es in der Studie. Die Politik könnte das Gründen und Investieren durch steuerliche Anreize reizvoller gestalten.

Wichtig sei jedoch, dass nicht nur ein Betrieb einen Gründerfonds auflegt, eine Hochschule Seminare für potenzielle Gründer gibt und ein Landrat sein altes Büro als Coworking-Space zur Verfügung stellt. Wenn Start-ups die deutsche Wirtschaft beflügeln sollen, müssen alle an einem Strang ziehen. Oder, wie Leupold sagt: "Unternehmen, Politik und Universitäten müssen Hand in Hand agieren, wenn wir Deutschland für Start-ups attraktiver machen wollen. Einzelne Initiativen durch die Privatwirtschaft oder durch Bildungseinrichtungen genügen nicht, um international ganz vorne mitzuspielen."

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