Arbeitsform der Zukunft So führen Sie virtuelle Teams

Ein Kollege sitzt in Shanghai, drei in Washington, zwei in Frankfurt und einer in Oslo. Für Führungskräfte sind derartige Teamkonstellationen eine große Herausforderung - und eine große Chance.

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Erfolgsfaktoren für die Führung in digitalen Unternehmen
Anforderungen der Industrie 4.0 Quelle: dpa
Definition der Ziele Quelle: dpa
Verantwortung der Führung Quelle: Fotolia
Kommunikation Quelle: dpa
Disziplin und Lernbereitschaft Quelle: obs

Die Grenzen der Arbeit und andere Beschränkungen haben sich aufgelöst. Unternehmen und Verbraucher denken global, und die besten Leute aus allen Teilen der Erde können für die besten Unternehmen der Welt tätig sein. Mehr als 80 Prozent der Beschäftigten arbeiten schon heute regelmäßig mit Menschen zusammen, die sich an einem anderen Ort, in einer anderen Stadt oder auf der anderen Seite der Erde befinden, wie eine Studie von Forrester Research ergab.

Expertenteams bilden sich, um ein Projekt auf die Beine zu stellen und trennen sich dann wieder, bis sie sich in anderer Konstellation neuen Inhalten widmen. Dieses „grenzenlose“ Arbeiten ist keinesfalls nur eine Begleiterscheinung der Globalisierung und Digitalisierung, mit der man sich irgendwie arrangieren muss. Sie ist die Arbeitsform der Zukunft und eine Riesenchance für Unternehmen.

Herausforderungen des „grenzenlosen“ Arbeitens

Gleichwohl stellt es besondere Herausforderungen an die Führung: Wo Teams nicht mehr nur an einem Ort miteinander kooperieren, sind andere Techniken gefragt, um erfolgreiches Arbeiten zu ermöglichen sowie Motivation und Leistungsfähigkeit hoch zu halten. Im Unterschied zur herkömmlichen Arbeitsweise am immer gleichen Ort, mit den immer gleichen Menschen, bietet die Arbeit in virtuellen Teams nur begrenzte Möglichkeiten des direkten Austauschs und der Interaktion. Auch formale Autorität spielt hier eine untergeordnete Rolle.

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Die Teammitglieder bekommen sich bis auf Videocalls kaum zu Gesicht, fühlen sich häufig isoliert, missverstanden oder gar frustriert. Auch die altersbezogene und kulturelle Vielfalt kann zu einem Problem werden: Wir leben in einer Zeit, in der zum ersten Mal vier Generationen miteinander zusammenarbeiten werden: Die Babyboomer, die Generationen X, Y und Z.

Hinzu kommt die hohe kulturelle Diversität. Nach meiner Erfahrung als Manager virtueller Teams gibt es in Gruppen von zehn Mitarbeitern nicht selten sechs bis acht verschiedene Ethnien. Dieser Mix aus Alter und Kultur birgt auch immer jede Menge Konfliktpotenzial, führt zu hoher Fluktuation und macht es für Führungskräfte schwer, Talente dauerhaft zu halten.

Und schließlich führt die „flachere“ Welt, die Globalisierung und die Erschließung neuer Märkte dazu, dass Lieferketten komplexer werden. Unternehmen beziehen notwendige Komponenten und Dienstleistungen von unterschiedlichen Standorten der Welt. Mehr Partner im Supply-Chain-Netzwerk, mehr Produkte, Varianten, Veränderungen führen damit auch zu mehr Komplexität. Für multinationale Konzerne stellt dieses hohe Maß an Outsourcing die Herausforderung dar, Partner und Lieferanten in ein funktionierendes Ökosystem zu integrieren. Für KMUs ergibt sich daraus eine erhöhte Nachfrage an flexibler Arbeitskraft.

Virtuelle Teams – eine Riesenchance für Unternehmen

Auf der anderen Seite sind virtuelle Teams eine Riesenchance für Unternehmen: Die Heterogenität innerhalb des Teams kann gleichzeitig auch eine der größten Ressourcen sein – wenn die Mitarbeiter nicht nur geografische, sondern auch Alters- und kulturelle Grenzen überschreiten und gerade aus dieser Unterschiedlichkeit ihre Kraft beziehen. So entfaltet sich das Potenzial einer ganzen vernetzten Welt.

Führungskräfte können auf eine noch nie dagewesene Auswahl an Top-Mitarbeitern und Expertise zugreifen. Digitale Plattformen wie LinkedIn oder XING eröffnen per Mausklick den Zugang zu einem gigantischen weltweiten Expertenpool. Der Konzern, das mittelständische Unternehmen, die wissenschaftliche Einrichtung oder NGO kann auf diese Weise global präsent sein. Sie haben Zugang zu weltweiten Ressourcen, werden flexibel, skalierbar, können mehr vorhandenes Wissen nutzen und müssen weniger in die eigene Weiterbildung investieren.

Vorausgesetzt, es gelingt der Führungskraft, die Experten zu einen, für ein lohnendes gemeinsames Ziel zu begeistern, die geografischen, kulturellen und altersbezogenen Unterschiede technisch zu überbrücken und durch einen kraftvollen, erfolgshungrigen Spirit zu verbinden. Ein virtuelles Team ist ähnlich aufgebaut wie ein Atom, mit einem Kern und verschiedenen Teilchen, die den Kern umkreisen. Es kommt in einem Team immer darauf an, trotz Distanz die Gravitationskraft zu erhalten. Der energetische Kern des Teams ist das gemeinsame Ziel – das, was alle Mitglieder begeistert, motiviert und zu Spitzenleistung antreibt.

Definieren Sie erst das Warum und dann das Ziel

Als Führungskraft brauchen Sie deshalb absolute Klarheit – über Ihre Absichten, Ziele und die Menschen in Ihrem Team. Das „Warum“ ist damit das übergeordnete Ziel, was sich beispielsweise in der Aussage von Steve Jobs zeigt: „Apple baut Computer, um sie zu lieben.“

Sobald das „Warum“ klar ist, muss das „Was“ definiert werden: Was sind die Hauptziele? Die beste Möglichkeit, um Ziele in einem virtuellen Team zu definieren, ist ein interaktives Format – ein Workshop, Face-to-Face oder online. Die Gruppenmitglieder die Agenda gemeinsam gestalten zu lassen, ist der effektiv beste Weg, um ihre Leistungsbereitschaft dauerhaft zu wecken. Meist werden Ziele für eine Gruppe von 10 bis 15 Mitgliedern bestimmt, unabhängig davon, ob es ein Projekt- oder ein Führungsteam ist.

Ohne persönliches Kennenlernen geht es nicht

Viele Manager von virtuellen Teams sind sich nicht klar darüber, wie wichtig es für den Teamerfolg und das Erreichen der Ziele ist, die Mitarbeiter und ihre einzigartigen Persönlichkeiten näher kennenzulernen. Während in größeren Unternehmen immer die Möglichkeit der „Kaffeemaschinenkonversation“ besteht – sich besser kennenzulernen, über die eigenen Interessen zu sprechen, Begeisterung zu teilen und die eigene Geschichte zu erzählen – gibt es in virtuellen Teams nur wenig Gelegenheit dazu. Oft bleiben die Personen sogar anonym.

Doch ohne als Mensch gesehen und wahrgenommen zu werden, aktiviert niemand sein volles Potenzial. Gerade weil es über geografische Distanz keine spontanen Anlässe für persönliche Kommunikation gibt, ist das Kennenlernen umso wichtiger. Je besser Sie Ihre Teammitglieder kennen, je mehr Sie darüber wissen, was ihnen am Herzen liegt, Freude macht, Energie spendet, desto besser können Sie ein Team auch über große Entfernungen führen und unterstützen.

Als Führungskraft sorgen Sie für die richtige Kommunikation

Je mehr wir mit Menschen arbeiten, die sich an einem anderen Ort, in einer anderen Stadt oder auf der anderen Seite der Erde befinden, desto mehr sind wir auf analoge und digitale Kommunikationskanäle angewiesen: auf Telefon, E-Mails, Apps wie Skype oder FaceTime, professionelle Tools für Videokonferenzen wie WebEx oder geschlossene Online-Diskussionsgruppen.

Damit Selbstorganisation auf Dauer gut funktioniert, braucht es strukturierte Gruppenforen, die es möglich machen, Dinge miteinander zu teilen, einander zu unterstützen, gemeinsam kreativ zu brainstormen und konstruktive Debatten zu führen. Jeder muss zu Wort kommen können, idealerweise haben alle eine feste Redezeit. Das reduziert Langeweile und sorgt dafür, dass alle sich beteiligen. Und was auch gerne vernachlässigt wird: Jeder sollte von seinen persönlichen und beruflichen Höhen und Tiefen erzählen können, die er oder sie seit dem letzten Gespräch erlebt hat. Nur so können empathische, dynamische und dauerhafte zwischenmenschliche Beziehungen entstehen.

Führungskräfte müssen für den richtigen Spirit sorgen

Manager von virtuellen Teams gehen oft ganz selbstverständlich davon aus, dass ihre Mitarbeiter sich selbst motivieren, engagieren und die volle Leistung bringen. Es gibt Gehälter, bei freien Experten entsprechende Honorare und vielleicht auch Prämien oder Boni – und das war’s. Nichts, um die Flamme zu entzünden, die Spitzenleistungen entfacht und Begeisterung dauerhaft lodern lässt. Um die Extrameile zu gehen und herausragende Ergebnisse zu erzielen, braucht es eine Belohnung.

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Geld kann durchaus eine Rolle spielen, sollte aber nicht das Einzige sein, was Ihnen einfällt. Noch besser sind Teamevents in einer einzigartigen Location, zu der Ihre Mitarbeiter sonst keinen Zugang hätten, eine unvergessliche Party oder ein Preis, der im festlichen Rahmen verliehen wird.

Zwei Dinge sind hier wichtig: Erstens muss die Belohnung zum Engagement passen, das Sie erwarten. Außergewöhnliche Leistungen verdienen außergewöhnliche Belohnungen – und zwar für alle. Zweitens muss die Art der Belohnung möglichst alle Teammitglieder abholen. Die einen wünschen sich ein Gemeinschaftserlebnis, andere wollen sehen und spüren, dass sie die Welt ein Stück verändert haben. Hier schließt sich der Kreis wieder: Je besser Sie Ihre Leute persönlich kennen, desto leichter fällt es Ihnen, den richtigen Anreiz zu setzen und Ihr Team zu einem virtuellen Powerteam zu führen.

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