"Sie können den Müller sicher für zwei Wochen entbehren", sagt der Abteilungsleiter zur Gruppenleiterin. "Sie haben ja noch zwei Gleichqualifizierte im Team. Dann kann ich die Präsentation für die Aufsichtsratssitzung fristgerecht erstellen. Sie wissen ja, wie wichtig dem Vorstand das ist."
Würden Sie das auch so formulieren, wenn Sie sich einen Kollegen aus einem anderen Team borgen wollten? Herzlichen Glückwunsch, dann haben Sie sich in vier Sätzen einen Feind gemacht, wie Rhetoriktrainer Peter Flume erläutert. Denn diese Anfrage signalisiert der Gruppenleiterin gleich dreimal, wie wenig ihre Arbeit Wert ist:
- "Sie können doch", sagt der Abteilungsleiter und deutet damit an, dass er besser weiß als die Kollegin, wie Personalressourcen eingesetzt werden sollten.
- "Sie haben doch noch zwei Gleichqualfizierte" oder übersetzt: für die anfallende Arbeit würden auch weniger Mitarbeitern genügen.
- "Sie wissen doch, wie wichtig dem Vorstand das ist" signalisiert, dass es unterschiedlich wertige Arbeiten gibt. Der Abteilungsleiter wertet die Teamleiterin damit in der Verhältnismäßigkeit zu seinen Aufgaben ab.
Vermutlich ist keine dieser Äußerungen wirklich so gemeint. Doch es besteht die Gefahr, dass die Teamleiterin eine Geringschätzung des Abteilungsleiters wahrnimmt. Folgen könnten dann hartnäckiger Widerstand gegen diese Bitte sein. Kurzum: die Situation verschlechtert sich.
Weniger "ich" mehr "du"
Rhetoriktrainer Peter Flume empfiehlt deshalb in seinem neuen Buch „Die Kunst der Kommunikation“, weniger die eigene Wahrheit in den Mittelpunkt zu stellen - ich brauche deine Mitarbeiter für mein wichtiges Projekt - und sich stattdessen mehr für den anderen zu interessieren. In etwa: Können Sie von ihren Top-Leuten jemanden entbehren, der mir bei der Präsentation für den Vorstand hilft? Gleiche Intention, völlig andere Wirkung.
Mit Wertschätzung können verfahrene Situationen verbessert oder gleich ganz vermieden. „Ich glaube, dass herablassendes Verhalten Menschen demotiviert“, sagt Frank Schabel vom Personaldienstleister Hays. Umgekehrt glaubt er, dass die richtige Kommunikation vorhandene Motivation verstärkt und nachhaltig verankert. Die intrinsische Motivation müsse zwar vom Mitarbeiter kommen. Dennoch gebe es Rahmenbedingungen, die für besseres Arbeitsklima sorgen und langfristig ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sein können. „Wertschätzung und Vertrauen sind kostbare Werte.“
Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen
97 Prozent der 2014 von forsa befragten 2.001 Bundesbürger sagten, dass sie bei einem neuen Job sehr viel Wert auf angenehme Kollegen legen.
Nur knapp dahinter folgt der sichere Arbeitsplatz, den 96 Prozent als sehr wichtig erachten.
95 Prozent wünschen sich Respekt und Anerkennung durch die Vorgesetzten.
Ein gutes Gehalt ist 93 Prozent wichtig beziehungsweise sehr wichtig.
90 Prozent wünschen sich von der neuen Stelle, dass sie abwechslungsreiche Tätigkeiten mit sich bringt.
Für 89 Prozent ist es wichtig bis sehr wichtig, dass der neue Job unbefristet ist.
88 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen die Moralvorstellungen und das Leitbild des Unternehmens wichtig sind. Ebenfalls 88 Prozent legen sehr großen Wert darauf, dass sie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im neuen Unternehmen haben.
Flexible Arbeitszeiten wünschen sich 70 Prozent im neuen Job.
Wichtig beziehungsweise sehr wichtig finden 65 Prozent Mehrwertleistungen des Unternehmens wie beispielsweise eine Betriebsrente, Mitarbeiterrabatte oder einen Dienstwagen.
64 Prozent wünschen sich, im neuen Unternehmen für besonders gute Leistungen auch Bonuszahlungen zu bekommen.
59 Prozent wünschen sich im neuen Job Führungsverantwortung zu übernehmen, zumindest aber, Projektleiter zu werden.
Dabei sei Lob nicht mit Wertschätzung gleichzusetzen. Eine kurzfristige Anerkennung für eine gute Leistung ist angenehm, die Wirkung verpufft aber schnell. Bei wirklicher Wertschätzung geht es darum, den Menschen als Ganzes zu sehen und zu respektieren. „Eine wertschätzende Kommunikation gibt dem anderen Raum, selbst zu entscheiden und erkennt dessen Leistungen an“, so Flume. Fragen und Anerkennung machen einen wesentlichen Gesprächsteil aus, erklärt der Trainer und Fachbuch-Autor.
Tipps vom Rhetorik-Trainer
Um tatsächlich die Unterstützung des anderen zu erhalten, empfiehlt Flume folgendes Gesprächsmuster:
• Freundlich ins Gespräch einsteigen, sich selbst nicht über den anderen stellen, eher sogar die eigene, momentane Unterlegenheit herausarbeiten. Etwa mit einem Einstieg wie: „Ich komme zu Ihnen, weil ich ein Problem mit der Frist für die Präsentation für den Vorstand habe“.
• Dem anderen die Chance geben, eigene Ideen einzubringen. Statt – um beim Beispiel zu bleiben – übergriffig das Überlassen des Mitarbeiters einzufordern besser fragen oder bitten: „Welche Möglichkeiten sehen Sie, mich zu unterstützen?“.
• Gemeinsamkeiten betonen um ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen. „Soweit ich weiß, unterstützt ihr Team auch regelmäßig den Vorstand“, wertschätzt die Arbeit des anderen und signalisiert ihm die Kompetenz, mit bestimmten Anforderungen umzugehen.
„In vielen internen und externen Gesprächen nehme ich wahr, dass Wertschätzung intensiver gelebt werden müsste. Da ist noch viel Luft nach oben“, weiß auch Schabel. Er rät Vorgesetzten, insgesamt mehr zuzuhören und weniger selbst zu reden.
Reinhard Sprengers beste Führungstipps
Gute Unternehmen sind Solidargemeinschaften, nicht nur eine Addition von Einzelleistern. Wer nicht zur Zusammenarbeit fähig ist, fliegt raus. Mehr Füreinander statt nur Miteinander heißt die Devise. Für Fußballfans: mehr Barcelona, weniger Real Madrid.
Lassen Sie Jahresplanung und Budgetverhandlung mal für ein Jahr wegfallen. Verzichten Sie auf Dienstpläne, vertrauen Sie der Selbstorganisation Ihrer Mitarbeiter.
Unternehmen sind keine Kirchen, müssen nicht Werte wie Monstranzen vor sich hertragen, für die Kunden nicht zahlen.
Gehen Sie den Weg des kleinsten Übels, akzeptieren Sie schmutzige Lösungen. Der Blick aufs Ideal erzeugt nur Leiden.
Sie arbeiten nicht mit Kindern, sondern mit Erwachsenen. Die brauchen kein permanentes Lob, steten Kontakt aber schon. Das vermittelt Wertschätzung.
Wer diese vier Punkte befolge, sei schon ein ganzes Stück näher dran, am zufriedenen Mitarbeiter:
• Open Door Policy: Seien Sie für Ihre Mitarbeiter ansprechbar, lassen die Bürotür offen, wenn kein Meeting ansteht.
• Führen Sie Feedback-Gespräche in beide Richtungen. Sie geben Ihrem Team Rückmeldung, sind aber auch an der Meinung Ihrer Leute interessiert.
• Fehlerkultur: Besprechen Sie intensiv, wenn Projekte nicht ideal gelaufen sind. Aber suchen Sie nicht den Schuldigen, sondern fragen „was können wir daraus lernen?“.
• Umgangsformen: Vermeiden Sie es, andere bloßzustellen. Reiten Sie nicht auf Hierarchien herum und lassen Sie die Kollegen ausreden.
Das Ganze, so Schabel, habe nicht nur einen Effekt auf die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch auf die Performance. Er ist überzeugt: "Wären Unternehmenskulturen wertschätzender, würde die Produktivität signifikant steigen."