Anerkennen statt Fordern Lob und Wertschätzung sind zwei paar Schuhe

Wenn Mitarbeiter sich über etwas in ihrem Job beschweren, dann meistens über fehlende Wertschätzung. Die bleibt häufig auf der Strecke, wenn jeder seine eigenen Interessen verfolgt. Worauf Führungskräfte achten sollten.

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"Sie können den Müller sicher für zwei Wochen entbehren", sagt der Abteilungsleiter zur Gruppenleiterin. "Sie haben ja noch zwei Gleichqualifizierte im Team. Dann kann ich die Präsentation für die Aufsichtsratssitzung fristgerecht erstellen. Sie wissen ja, wie wichtig dem Vorstand das ist."

Würden Sie das auch so formulieren, wenn Sie sich einen Kollegen aus einem anderen Team borgen wollten? Herzlichen Glückwunsch, dann haben Sie sich in vier Sätzen einen Feind gemacht, wie Rhetoriktrainer Peter Flume erläutert. Denn diese Anfrage signalisiert der Gruppenleiterin gleich dreimal, wie wenig ihre Arbeit Wert ist:

  1. "Sie können doch", sagt der Abteilungsleiter und deutet damit an, dass er besser weiß als die Kollegin, wie Personalressourcen eingesetzt werden sollten.
  2. "Sie haben doch noch zwei Gleichqualfizierte" oder übersetzt: für die anfallende Arbeit würden auch weniger Mitarbeitern genügen.
  3. "Sie wissen doch, wie wichtig dem Vorstand das ist" signalisiert, dass es unterschiedlich wertige Arbeiten gibt. Der Abteilungsleiter wertet die Teamleiterin damit in der Verhältnismäßigkeit zu seinen Aufgaben ab.

Vermutlich ist keine dieser Äußerungen wirklich so gemeint. Doch es besteht die Gefahr, dass die Teamleiterin eine Geringschätzung des Abteilungsleiters wahrnimmt. Folgen könnten dann hartnäckiger Widerstand gegen diese Bitte sein. Kurzum: die Situation verschlechtert sich.

Weniger "ich" mehr "du"

Rhetoriktrainer Peter Flume empfiehlt deshalb in seinem neuen Buch „Die Kunst der Kommunikation“, weniger die eigene Wahrheit in den Mittelpunkt zu stellen - ich brauche deine Mitarbeiter für mein wichtiges Projekt - und sich stattdessen mehr für den anderen zu interessieren. In etwa: Können Sie von ihren Top-Leuten jemanden entbehren, der mir bei der Präsentation für den Vorstand hilft? Gleiche Intention, völlig andere Wirkung.

Mit Wertschätzung können verfahrene Situationen verbessert oder gleich ganz vermieden. „Ich glaube, dass herablassendes Verhalten Menschen demotiviert“, sagt Frank Schabel vom Personaldienstleister Hays. Umgekehrt glaubt er, dass die richtige Kommunikation vorhandene Motivation verstärkt und nachhaltig verankert. Die intrinsische Motivation müsse zwar vom Mitarbeiter kommen. Dennoch gebe es Rahmenbedingungen, die für besseres Arbeitsklima sorgen und langfristig ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sein können. „Wertschätzung und Vertrauen sind kostbare Werte.“

Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen

Dabei sei Lob nicht mit Wertschätzung gleichzusetzen. Eine kurzfristige Anerkennung für eine gute Leistung ist angenehm, die Wirkung verpufft aber schnell. Bei wirklicher Wertschätzung geht es darum, den Menschen als Ganzes zu sehen und zu respektieren. „Eine wertschätzende Kommunikation gibt dem anderen Raum, selbst zu entscheiden und erkennt dessen Leistungen an“, so Flume. Fragen und Anerkennung machen einen wesentlichen Gesprächsteil aus, erklärt der Trainer und Fachbuch-Autor.

Tipps vom Rhetorik-Trainer

Um tatsächlich die Unterstützung des anderen zu erhalten, empfiehlt Flume folgendes Gesprächsmuster:

• Freundlich ins Gespräch einsteigen, sich selbst nicht über den anderen stellen, eher sogar die eigene, momentane Unterlegenheit herausarbeiten. Etwa mit einem Einstieg wie: „Ich komme zu Ihnen, weil ich ein Problem mit der Frist für die Präsentation für den Vorstand habe“.
• Dem anderen die Chance geben, eigene Ideen einzubringen. Statt – um beim Beispiel zu bleiben – übergriffig das Überlassen des Mitarbeiters einzufordern besser fragen oder bitten: „Welche Möglichkeiten sehen Sie, mich zu unterstützen?“.
• Gemeinsamkeiten betonen um ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen. „Soweit ich weiß, unterstützt ihr Team auch regelmäßig den Vorstand“, wertschätzt die Arbeit des anderen und signalisiert ihm die Kompetenz, mit bestimmten Anforderungen umzugehen.

„In vielen internen und externen Gesprächen nehme ich wahr, dass Wertschätzung intensiver gelebt werden müsste. Da ist noch viel Luft nach oben“, weiß auch Schabel. Er rät Vorgesetzten, insgesamt mehr zuzuhören und weniger selbst zu reden.

Reinhard Sprengers beste Führungstipps

Wer diese vier Punkte befolge, sei schon ein ganzes Stück näher dran, am zufriedenen Mitarbeiter:


• Open Door Policy: Seien Sie für Ihre Mitarbeiter ansprechbar, lassen die Bürotür offen, wenn kein Meeting ansteht.
• Führen Sie Feedback-Gespräche in beide Richtungen. Sie geben Ihrem Team Rückmeldung, sind aber auch an der Meinung Ihrer Leute interessiert.
• Fehlerkultur: Besprechen Sie intensiv, wenn Projekte nicht ideal gelaufen sind. Aber suchen Sie nicht den Schuldigen, sondern fragen „was können wir daraus lernen?“.
• Umgangsformen: Vermeiden Sie es, andere bloßzustellen. Reiten Sie nicht auf Hierarchien herum und lassen Sie die Kollegen ausreden.

Das Ganze, so Schabel, habe nicht nur einen Effekt auf die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch auf die Performance. Er ist überzeugt: "Wären Unternehmenskulturen wertschätzender, würde die Produktivität signifikant steigen."

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