Business am Rhein Geschäfte bei Pasta Primavera

Rheinland und Ruhrgebiet, Stahl, Post und Telekom. Im Ballungsraum von Bonn bis Essen wird am liebsten beim Italiener Geschäftliches besprochen. Adressen mit Promi-Garantie.

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Mit Pasta oder Saltimbocca lässt sich im Rheinland und Ruhrgebiet gut Geschäfte machen. Quelle: AP

Das Brett wird vom Kellner an den Tisch gebracht, darauf zwei je kiloschwere, blutig gegrillte Bistecca. Dazu ein Sassicaia oder ein Planeta aus dem Regal mit 17 Euro Korkgeld Zuschlag auf den Verkaufspreis für den Verzehr im Restaurant und ein paar Präsente aus dem Hause Sieger-Design. Der Saal des Saittavini in Düsseldorf-Oberkassel brummt, die Stimmung ist glänzend, die Grillschwaden ziehen in die Hemden und Krawatten.

Die Sakkos haben die Gäste bereits abgelegt. Nirgends ist man mehr unter sich als in einem derart quirligen Getöse. Hier werden Luxuskarossen an den Mann gebracht, Kooperationen geschmiedet und Kontakte gepflegt. Italien, als Nation im Schuldenminus, diktiert kulinarisch die Region zwischen Bonn und Essen.

Auch Berthold Beitz, der 98-jährige Patriarch der Krupp-Stiftung, ist seit langen Jahren regelmäßig in einem unscheinbaren Fachwerkhaus zu Gast am Stadtrand von Essen – bei einem Italiener. Heute lässt sich Beitz die Fischgerichte auch mal nach Hause liefern. Die Bonner Riege von Post und Telekom isst ebenfalls vorzugsweise beim Italiener. Mal edler, mal etwas bodenständiger, und immer gibt es gerne Pasta oder Saltimbocca zum Gespräch. Wenn es um Geschäfte geht, dann bricht die Region mit der heimischen Essens-Tradition von Sauerbraten bis Currywurst.

Zwischen Präsentierteller und Hinterstube

10 von 30 Dax-Konzernen haben ihren Sitz in NRW, davon allein jeweils zwei in Bonn, in Düsseldorf und in Essen. Die Lufthansa hat, trotz des Hubs Frankfurt, ihren offiziellen Sitz immer noch in Köln; 2007 sind rund 800 Mitarbeiter des Ressorts Finanzen in den 2007 eröffneten Neubau im rechtsrheinischen Kölner Stadtteil Deutz gezogen. Das Gros des Konzerns arbeitet weiter in Frankfurt, wo das operative Geschäft erledigt wird.

Sehen und gesehen werden und verborgen bleiben zur rechten Zeit, das ist in den Karnevalshochburgen und dem einstigen Zentrum des rheinischen Kapitalismus mit seinen kurzen Wegen ein taktisches Unterfangen, für das die Region zahlreiche Angebote bereithält.

Doch Führungsstil und Habitus der obersten Entscheider haben sich auch an Rhein und Ruhr gründlich verändert. Der Stahlbaron gehört der Vergangenheit an. An der Spitze der Unternehmen steht heute immer häufiger der alerte Vorstandsvorsitzende mit sportlich-schlankem Auftritt; seine Agenda lässt kaum Platz für ausschweifende Zigarrenrunden am Mittag.

Rückzugsorte in der Nachbarschaft

Inseln der Tradition behaupten sich gleichwohl gerade im Rheinland, wo man gern und mit Stolz auf Bewährtes zurückgreift. So sind schwarze Jacketts für Oberkellner und Ochsenbrust vom Wagen für die Kölner Gesellschaft in der Hanse Stube weiterhin selbstverständlich; und auch in Essen wird klassische Gastlichkeit bis zur Perfektion gepflegt.

Rückzugsorte bieten sich in Fülle. Wer den eigenen Wohnort bei Geschäftsessen lieber meidet, ist binnen einer Stunde durch mehrere andere Städte hindurchgefahren und plötzlich in einem ganz anderen Umfeld zu Gast.

Den Chefs von Bayer und Lanxess in Leverkusen bleibt, wenn sie nicht gesehen werden wollen, fast nichts anderes übrig, als in die Nachbarstädte auszuweichen – die beste Gastronomie betreibt Bayer im Leverkusener Casino selbst. Die hat zwar neben Ballsaal und Separees auch eine Brauhaus-Wirtschaft mit meterlangen Weinklimaschränken, nur einen Italiener, den gibt es dort nicht.

Das Bellavista Seeblick

Das Bellavista - von dort hat man einen guten Blick auf den Baldeney-See. Quelle: Ingo Rappers für WirtschaftsWoche

Es sieht aus wie ein Hexenhäuschen, das Restaurant Bellavista, hoch über der Ausfallstraße in Essen-Bredeney, mit prächtigem Ausblick auf den Baldeney-See und dem darüber liegenden Krupp-Wald. Die Villa Hügel, das einstige Stammhaus der längst untergegangenen Stahldynastie Krupp, ist nicht weit – aber das ist nicht der eigentliche Grund, warum sich in diesem mit 20 Plätzen eher kleinen Italiener häufig an ganz normalen Abenden in der Woche die eher ältere Wirtschafts-Prominenz trifft, und das auch eher zufällig.

Das Lokal, das mit immerhin weiß eingedeckten Tischen bescheiden so tut, als ob es eine Normalrestauration für Menschen sei, die nur etwas mehr von einem Italiener verlangen als eine gut gemachte Pizza, ist der Familientreffpunkt größerer Industrie-Chargen mit Wohnsitz Bredeney, vorzugsweise dem Terrain an der Villenstraße „Auf der Platte“. Denn dort wohnen sehr viele Manager der in Essen ansässigen Großunternehmen ThyssenKrupp, E.On-Ruhrgas, Hochtief und RWE.

Beitz in Bild und in natura
Das Restaurant, das hinter Fachwerk seit fast 30 Jahren unter immer gleicher italienischer Regie geführt wird, verdankt seinen Promi-Ruf der Tatsache, dass der 98-jährige Krupp-Autokrat Berthold Beitz hier ein paar Mal in der Woche, gern am frühen Abend und auch mittags, seine Mahlzeiten zusammen mit seiner Frau Else einnimmt.

Sie sitzen an einem Vierertisch direkt an der Fensterfront. Über der rustikalen Bank hängt ein Bild von Beitz aus jüngeren Tagen, das ihn zusammen mit einem berühmten Herzchirurgen aus dem gleichfalls in Essen beheimateten Krupp-Krankenhaus zeigt. Nicht alle Gäste sind von der Anwesenheit des großen alten Mannes und Krupp-Stiftungschefs begeistert.

Krupp-Manager der zweiten und dritten Ebene wollen lieber nicht direkt neben ihm platziert werden, sagt der Kellner. Die Nähe zur Wirtschaftsikone ist für viele Kruppmanager, die ein relaxtes, freimütiges Gespräch führen wollen, doch manchmal eine Belastung. Lästereien über die eigene Firma am Nachbartisch darf Beitz nicht hören.

Anders verhält es sich mit dem früheren ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz, der als Traditionalist ebenfalls gern ins Bellavista kommt, sich stets mit offenem Visier hinsetzt, wo Platz ist, sich aber an den Beitz-Tisch auch dann nicht zu setzen wagt, wenn dieser leer ist. ER, also Beitz, könnte ja doch noch kommen, und ein hektisches Wegsetzen wäre nur zu peinlich. Krupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hat sich hier noch nie blicken lassen, dafür aber seine Tochter. Man weiß im Bellavista, wer wer und wer was ist und mit wem verwandt.

Der Liebling des Krupp-Patriarchen

Ehemalige Ruhrgas-Chefs verbringen hier die Sonntagabende mit ihrer Familie, und die Kellner stellen das „Reserviert“-Schild auch ohne Vorbestellung auf ihre Stammplätze. Auch RWE-Vorstände und vor allem die kommunalen Aufsichtsräte essen hier, weil der Ort von nostalgischem Ambiente zeugt. Ein Wandfoto zeigt den jüngeren Boris Becker, der ein Gastspiel im Kruppschen Tennisclub gegeben hatte und sich bei Pasta stärkt.
Das Bellavista lebt heute noch vom Ruf in der Essener Oberschicht, das Lieblingsrestaurant des Krupp-Patriarchen zu sein.

Seit einigen Wochen jedoch, klagt der Patron, lässt sich Beitz die Gerichte hier zwar kochen, aber nach oben in seine Villa am Hang bringen. Das Essen ist auf den Geschmack von Vorständen abgestimmt. Beitz lehne Fisch aus Aquazucht ab, heißt es hier. Daher gebe es die Seezunge nur als Wildfisch. Von solchen puristischen Vorlieben der Industrie-Promis profitieren dann auch die anderen Bredeneyer Normalgäste.

Das Résidence

Eine der besten Adressen Deutschlands: Das Restaurant Résidence liegt im Essener Stadtteil Kettwig. Quelle: PR

Er ist promovierter Linguist, Bundeswirtschaftsminister a. D., ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Evonik, ehemaliger Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn und, nicht zuletzt, Mitglied im Beirat seines Lieblingsclubs Borussia Dortmund.

Doch Werner Müller wäre gern mehr: Chef der 2007 gegründeten RAG-Stiftung als Nachfolger von Wilhelm Bonse-Geuking, der im Juni kommenden Jahres abtritt; die Stiftung ist mit 75 Prozent Anteilen der größte Eigner von Evonik, Müllers altem Arbeitgeber.

Woran sich kaum einer erinnert: Müller ist auch Genießer des Jahres 2002,gekürt vom „Aral Schlemmer Atlas“ in einer Reihe mit Leuten wie Armin Müller-Stahl, Johannes B. Kerner, Iris Berben oder Sky du Mont. Er weiß also, wo es schmeckt.

Makelloser Service, zeitloses Interieur

In der Essener Résidence zum Beispiel, die er sehr schätzt. Am Hang des südlichen Stadtteils Kettwig hat sich die Résidence über Jahre als eine der besten Adressen Deutschlands etabliert, der Service ist makellos, die Einrichtung zeitlos.

Patron Berthold Bühler und sein Küchenchef Henri Bach halten seit Jahren zwei Michelinsterne. Klassische Hochküche, nicht zu modern, nicht zu altbacken. Auch Karl Erivan Haub, Chef von Tengelmann, lobt sie in höchsten Tönen.

Die beliebtesten Restaurants zwischen Ruhr und Rhein
Comedia Wagenhalle Quelle: Pressebild
Oliveto im Hotel Königshof
La Cigale Quelle: PR
Saittavaini
Bellavista
Hanse Stube Quelle: Pressebild
Halbedel’s Quelle: Pressebild

Zwei miteinander verbundene Gasträume der Résidence bieten hinreichend Platz, die Terrasse spendet im Sommer viel Schatten, der Veranstaltungsraum bürgt für Verschwiegenheit.

Doch Stillstand ist Rückschritt, und wer die Résidence kennenlernen möchte, wie sie ist, muss sich sputen, denn im Frühjahr kommenden Jahres startet Patron Bühler nach fast 20 Jahren Seite an Seite mit Henri Bach mit zwei jungen Chefköchen in eine neue Phase. Werner Müller dürfte sich wünschen, dass seine Personalie ebenso still aufgenommen worden wäre, wie diese.

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