Meine Freundin ist besorgt. Seit einigen Monaten wird sie nachts manchmal wach, weil sie glaubt, dass mein Atem im Schlaf aussetzt. Schlafapnoe lautet der medizinische Fachbegriff dafür – kurzzeitige, aber regelmäßige Atemstillstände, die in besonders schweren Fällen mehr als 140 Sekunden andauern können. Die Ursache ist meist eine Verengung der oberen Atemwege. Die Folgen: Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwächen, Gedächtnisstörungen. Alles schon mal vorgekommen, zugegeben.
Aber, sagen Fachleute, es könne sogar noch viel schlimmer kommen: Herzinfarkt, Schlaganfall, Depressionen, Magengeschwüre, Hörstürze und eine verkürzte Lebenserwartung – alles mögliche Symptome einer Apnoe.
Der Standardratschlag für Betroffene lautet, sich für den Nachtschlaf unbedingt eine Atemmaske zu besorgen. Schätzungen zufolge sollen etwa vier Millionen Deutsche unter Schlafapnoe leiden, die Dunkelziffer ist hoch, Männer sind öfters betroffen als Frauen. Ach herrje. Da bleibt nur eine Lösung: ab ins Schlaflabor.
Das WiWo-Schlafexperiment
Das Wort klingt nach einer ungemütlichen Atmosphäre, nach fensterlosen Zimmern, grellen Lampen, harten Matratzen und surrenden Geräten. Die Räume des Schlaflabors Intersom im Kölner Mediapark erinnern an eine schicke Privatklinik: helles Parkett auf den Fluren, bodentiefe Fenster in geräumigen Einzelzimmern, Marmorfliesen in Bad und Dusche, Flachbildschirme an den Wänden.
Seit Juni 2011 leiten die Somnologen Jaroslaw Janicki und Lennart Knaack das Zentrum für Schlafmedizin & Schlafforschung. Zwischen 550 und 800 Euro berechnen sie für eine Nacht im Labor, je nach Messung. Die Kosten werden meistens von den Krankenkassen übernommen.
Sechs Festangestellte hat Intersom, und eine von ihnen macht mich abends gegen 21 Uhr, nun ja: bettfertig. Als sie den Raum betritt, hat sie in der einen Hand ein Blutdruckmessgerät, in der anderen eine Waage. Eine Dose mit bunten Kabeln, Steckern, Klebeband und Salbe kramt sie unter dem Bett hervor. Fürs Protokoll: Mein Blutdruck liegt bei 120 zu 80, was ziemlich optimal ist. Mein Gewicht bei ...ach, lassen wir das.
Ruhiger Schlaf
In den nächsten 45 Minuten verkabelt sie mich von Kopf bis Fuß – danach hatte ich Elektroden am Schädel, hinter dem Ohr, auf der Stirn und am Kinn. In meiner Nase steckt ein dünner Schlauch, auf meiner Brust ein tragbares EKG, eine Elektrode am Zeigefinger misst Druck und Sauerstoffgehalt meines Bluts im Schlaf. Sensoren an der Hüfte und Elektroden an beiden Schienbeinen sollen meine Bewegungen nachvollziehen. Und nicht zu vergessen die Infrarotkamera an der Zimmerdecke, die meinen Schlaf aufzeichnen wird. Als die Helferin fertig ist, hinterlässt sie mir eine letzte Anweisung: Ich solle Bescheid sagen, wenn ich das Licht ausmache, dann würde die Aufzeichnung beginnen.
Ob ich wohl gut einschlafen kann, mit Elektroden auf und einer Kamera über mir? Zumindest besser als gedacht. Es muss wohl so gegen halb eins gewesen sein, kurz nachdem die Nachtschwester die Aufzeichnungen gestartet hatte.
Geweckt werde ich um 6.30 Uhr, ein Klopfen an der Tür beendet die Nacht – und meine sogenannte REM-Phase. In dieser Schlafperiode sind die Muskeln sehr entspannt, bewegen sich die Augen rasch, und man atmet im Wechsel mal schnell, mal langsam.
Das jedenfalls erklärt mir Lennart Knaack, als er mir die Daten zeigt. Ich sehe Kurven, Linien, Graphen, die an einen Seismografen erinnern: Herzschlag und Blutdruck, Atmung und Bewegungen. Das Abspulen meines Schlafvideos im Schnelldurchlauf macht mich kurzzeitig nervös: War da eine unnatürliche Bewegung zu erkennen, dort ein ungewöhnlicher Laut zu vernehmen?
„Ihre Schlafstruktur ist völlig normal“, sagt Somnologe Knaack. „Sie schnarchen nicht, bewegen die Beine kaum und atmen ruhig.“ Also keine Schlafapnoe? „Nur eine kurze, gegen 4.41 Uhr.“ Grund zur Beunruhigung? Nein. Erstens sei eine solche Apnoe typisch für die REM-Phase. Zweitens müsste der Atem selbst für ein leichtes Schlafapnoe-Symptom zwischen 5 und 15 Mal pro Stunde aussetzen – erst darüber hinaus müsse es behandelt werden. Also Entwarnung? Ja, sagte Knaack: „Ihre Freundin kann wieder ruhig schlafen.“ Und ich sowieso.