Auf jeder Karrieremesse und von jedem Coach hören Fach- und Führungskräfte, dass nichts so wichtig ist wie ein funktionierendes Netzwerk. Nur bei den Unternehmen selber scheint das noch nicht angekommen zu sein. Das belegen verschiedene Studien. Eine Untersuchung zum Thema Führungskräfteentwicklung unter der Leitung von Herminia Ibarra, Professorin für Organisationsverhalten, Führung und Lernen an der INSEAD Business School, deckte große Lücken im Bereich Netzwerken bei Führungskräften auf. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Managementberatung für digitale Transformation Doubleyuu stellt fest, dass die digitalen Business-Netzwerke von Unternehmen und nicht genutzt werden. Auch der "European Communication Manager 2014", die europaweit größte Studie zum Thema Unternehmenskommunikation, zeigt, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in Europa bei der Nutzung von Social Media hinterherhinkt.
Die Folgen des Ignorierens dieses Erfolgsfaktors können erheblich sein. So werden die positiven Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis unterschätzt. Im Gegenteil, es ist sogar so, dass durch fehlende Strategien und Standards in diesem Bereich der Unternehmensruf beschädigt werden kann.
Fehlende Netzwerkkompetenz bei Führungskräften
Angefangen bei den Führungskräften. Herminia Ibarra hat untersucht, wie Führungskräfte im Unternehmen weiterentwickelt werden. Dabei liege der Schwerpunkt vor allem auf interner Arbeit: Verhaltensweisen reflektieren, 360-Grad-Feedback einholen und analysieren, Diagnosen des Führungsstils erstellen und so weiter. Das führt dazu, dass Unternehmen sich zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigen und so ihre blinden Flecken verstärken.
Interne Konkurrenzkämpfe könnten so sogar intensiviert werden und Arbeitsprozesse sich noch mehr verlangsamen. „Die Zeiten sind vorbei, dass Führungskräfte ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg auf das eigene Abteilungssilo beschränken. Manager aller Ebenen müssen ihre Fähigkeiten verbessern um Veränderungen vorhersehen und führen zu können“, so Ibarra in ihrer Studie.
Wie Sie erfolgreich netzwerken
Wenn Sie absehen können, dass Sie eine bestimmte Person auf einer Veranstaltung treffen, recherchieren Sie im Vorfeld einige Fakten. So ist es einfacher, einen kreativen Aufhänger für den Gesprächsstart zu finden.
Es ist ein Fehler, erst ein Netzwerk aufzubauen, wenn Sie ein Problem haben. Denn dann ist es häufig zu spät. Ein strategisches Netzwerk zu schaffen ist zeitaufwendig.
Natürlich können Sie nicht ständig in regem Austausch mit all Ihren Kontakten stehen, aber versuchen Sie dennoch, die Verbindung zu halten. Eine Weihnachtskarte oder ein Gruß zum Geburtstag reichen manchmal schon.
Bieten Sie Ihrem Gegenüber Ihre Hilfe an. Wenn Sie zuerst Informationen oder Kontakte preisgeben, erhalten Sie einen Vertrauensvorschuss.
Eine Beziehung, von der nur einer der beiden Partner profitiert, ist meist nicht von langer Dauer. Schaffen Sie eine gesunde Balance aus Geben und Nehmen.
Ein Mensch kann laut wissenschaftlichen Untersuchungen maximal den Umgang mit 150 Personen intensiv pflegen - und genau darauf kommt es an.
Digitale Potenziale bleiben ungenutzt
Im digitalen Bereich sieht es nicht besser aus. Unternehmen scheinen ihre Botschaften nach wie vor lieber in Steintafeln zu meißeln oder per Rauchzeichen zu übermitteln. Sie haben die neue Kultur und die neuen Kommunikationsstrukturen und deren Vorzüge noch nicht verstanden. Laut der Studie von Doubleyuu werden Business Netzwerke viel zu selten und ohne erkennbare Strategie genutzt. Wenn die Unternehmen auf Plattformen aktiv sind, geschieht das größtenteils rein operativ und unabgestimmt zwischen den unterschiedlichen Abteilungen.
Die meisten Unternehmen verzichten laut der Studie auf Standards oder Richtlinien, um den Unternehmensauftritt zu vereinheitlichen und negative Eindrücke durch beispielsweise unpassende Bilder oder Rechtschreibfehler zu vermeiden. Gerade mal elf Prozent der untersuchten Stichprobe bewegen sich geschickt und sicher in den Netzwerken. Demgegenüber stehen mit 46 Prozent die Karteileichen-Profile, die einmal angelegt und nie wieder genutzt wurden.
Netzwerken gegen den Fachkräftemangel
Früher wurden die Führungskräfte, die ihr Netzwerk aufbauten, noch scherzhaft als Frühstücksdirektoren bezeichnet. Das waren diejenigen, die sich lieber auf Veranstaltungen vergnügten, statt sich um die richtige Arbeit zu kümmern. Und nun soll das auf einmal ein wesentlicher Kern des Führungsalltags sein?
Einer der zentralen Gründe ist sicherlich die komplett veränderte Kommunikationskultur in der Gesellschaft. Man kommuniziert rund um die Uhr mit Smartphones und Tablets in alle Richtungen und erwartet eine persönlichere und direktere Ansprache. Allerdings überwiegt bisher die Angst, da sich die digitale Kommunikation nicht mehr so gut kontrollieren und steuern lässt und sich das Netz verselbstständigt. Ein Trugschluss - denn die Netzwerke kommunizieren und sprechen über die Firma - so oder so. Nichtbeteiligung heißt also, die Kontrolle komplett abzugeben.
Das ist verwunderlich, gerade wenn man die permanenten Wehklagen der Unternehmen über den Fachkräftemangel und Nachwuchsprobleme hört. Wer alles richtig macht, wird von potenziellen Kunden und Mitarbeitern im Anschluss an Kongresse, Experten-Roundtables oder abendlichen Get-Togethers über die entsprechenden Plattformen kontaktiert und der direkte Austausch wird möglich. Streuverluste können sich so reduzieren.
Der erfolgreiche Sprung ins Netzwerkzeitalter
Durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Firmen und Experten können neue Ideen und Produktansätze entstehen. Möglich, dass die Produktentwicklung durch die Experten- oder Nutzercommunity mit beeinflusst oder sogar mitgestaltet wird. Ein Positiv-Beispiel: Microsoft hat diesen Schritt bei Windows 10 gewagt und mehr als vier Millionen Windows-Nutzer in die Softwareentwicklung eingebunden, um das Produkt so nutzerfreundlich wie möglich zu machen.
Um den Sprung erfolgreich zu meistern, sind sicherlich die Führungskräfte und deren veränderte Einstellung zum Thema Netzwerken ein zentraler Ansatzpunkt. “Einer der wichtigsten Gründe dafür, dass sich Menschen so schwer tun strategisch zu denken und zu arbeiten ist die Tatsache, dass sie ihre Informationen und Unterstützung aus dem immer gleichen Kreis der üblichen Verdächtigen bekommen“ sagt Ibarra.
Sie ist überzeugt, dass es mehr Außensicht in der Führungskräfteentwicklung benötigt.