WirtschaftsWoche: Herr Kienbaum, die Commerzbank präsentiert sich in ihren neuen Werbespots als reuige Sünderin, die aus den Fehlern der vergangenen Jahre ihre Lehren gezogen hat. Hat die Finanzkrise in den vergangenen fünf Jahren wirklich etwas in den Köpfen der Banker verändert?
Kienbaum: Natürlich sind die Banker nicht über Nacht zu anderen Menschen geworden. Aber sie haben ihre Lektionen aus der Krise durchaus gelernt, davon bin ich überzeugt.
Was macht Sie da so sicher?
Wirtschaftsunternehmen können auf Dauer nicht gegen Öffentlichkeit, Gesetzgeber und Verbraucher operieren. Die Gesellschaft muss einer Unternehmung Nützlichkeit zusprechen, ansonsten beginnt sie zu sterben. Die Umbauprozesse in vielen Häusern sind Ausdruck dieser Einsicht.
Ist das verwunderlich? Schließlich gelten die Banken als Hauptschuldige der Krise.
Deshalb verändert sich die Branche. Und zwar von innen und außen – durch einen selbstkritischen Neuanfang einerseits und externe Regulierung andererseits.
Gilt das nur für den Bankensektor?
Nein, das trifft auf sämtliche Branchen zu. Es geht um nachhaltige Ertragskraft in Kombination mit höchster Seriosität und hohem Verantwortungsbewusstsein.
10 Tipps für den perfekten Chef
Jeder Mensch macht Fehler, denn Menschen sind nicht perfekt. Durch diese Eigenschaft werden Menschen überhaupt erst liebenswert. Wichtig ist jedoch, dass wir um unsere Fehler wissen und Wege finden, wie diese Fehler behoben werden können. Fehler, richtig verstanden, führen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens.
Es ist daher verwunderlich, warum immer noch so viele Chefs meinen, dass sie perfekt sind. Eine solch grobe Selbstüberschätzung führt letztlich zu Arroganz und einem Stillstand an Wachstum (sowohl persönlich als auch unternehmerisch).
Darin liegt die Größe eines wirklich „perfekten“ Chefs. Er verwendet die Kenntnis seiner Fehler für die persönliche Weiterentwicklung. Gute Führungspersönlichkeiten meinen nicht, „jemand zu sein“, sondern verstehen sich als „jemand, der wird“ und zwar jeden Tag ein wenig mehr.
Eine wesentliche Eigenschaft von „perfekten“ Chefs ist, dass sie Menschen mögen. Viele so genannte Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Unter solchen Umständen wird Führung nur schwer möglich sein. Um exzellent zu sein, muss man das, was man tut, lieben. Und um exzellent zu führen, muss man Menschen lieben.
Der „perfekte“ Chef sagt und meint „Wir!“ und nicht „Ich!“ Er ist ein Teamspieler. Im 21. Jahrhundert werden nur Teams gewinnen und nicht Einzelspieler. Die Mondlandung beispielsweise war auch nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern das mehrerer tausend Ingenieure, auch wenn die visionäre Kraft eines Wernher von Brauns dahinter stand. Aber er hätte es niemals alleine geschafft.
Der „perfekte“ Chef fordert Menschen heraus. Er will Leistung erleben und regt Menschen an, sie zu erbringen. Dabei orientiert er sich nur ungern am Durchschnitt, sondern an Spitzenleistungen. Der „perfekte“ Chef gibt sich mit dem zweitbesten Ergebnis nicht zufrieden.
Von dem Gedanken, stets der Beste in allen Bereichen sein zu wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten trennen. Der „perfekte“ Chef konzentriert sich auf seine Stärken und seine Hauptaufgaben.
Grundvoraussetzung eines „perfekten“ Chefs sind gelebte Werte, die von allen Mitarbeitern als Führungsgrundsätze empfunden werden. Nur so entsteht das viel geforderte Vertrauen.
Letztlich geht es um das wesentliche: Der „perfekte“ Chef bewirkt, dass Menschen Ziele erreichen. Das Wesen guter Führung ist Wirksamkeit.
Meistens halten wir unsere Meinung für die Wahrheit, basierend auf der Wirklichkeit, wie wir sie empfinden. Häufig entspricht unsere Wirklichkeit jedoch nicht der Realität. Der „perfekte“ Chef setzt sich auf den Stuhl des anderen. Wer durch die Augen anderer sieht, entdeckt eine Fülle von Wirklichkeiten.
Quelle: Perspektive Mittelstand
Suchen die Unternehmen seit der Krise denn auch andere Typen von Führungskräften?
Ja. Heute ist eher der besonnene Unternehmertypus mit Risikogespür gefragt. Die Zeit der Ertragsmaximierer, die immer auf ihren persönlichen Nutzen achten, ist vorbei. Erfahrung ist wichtiger als Ehrgeiz.
Warum?
Gefragt sind Manager, die eine nachhaltige und langfristige Entwicklung garantieren.
Welcher aktuelle CEO passt denn in dieses Bild?
Zum Beispiel Martin Winterkorn als CEO von VW. Er hat es geschafft, die Innovationskraft von VW konsequent zu stärken, Markt- und Zukunftstrends aufzunehmen und gleichzeitig eine möglichst krisensichere Aufstellung des Unternehmens zu gewährleisten, auch in Form von Finanzkraft. Nur mit solchen Eigenschaften können Unternehmen das Vertrauen des Marktes sowie der Öffentlichkeit zurückgewinnen und Leistungsträger dauerhaft binden.
Eine neue Ausgewogenheit
Welche Unternehmen haben diesen Weg eingeschlagen?
Die Deutsche Bank zum Beispiel. Sie baut nicht nur den Konzern selbstkritisch um, sie verändert ebenso die Unternehmenskultur.
Das klingt so, als setzten die Unternehmen wieder auf ältere, erfahrene Kandidaten. Ist der Jugendwahn vorbei?
Ja, zum Glück. Es herrscht eine neue Ausgewogenheit.
Hat der integere Hasenfuß also den hungrigen Wolf verdrängt?
Nein, so eindimensional darf man das nicht betrachten. Risikofeindlichkeit führt ebenso in den Ruin wie Risikoexzesse. Die Unternehmen brauchen auch hier eine gesunde Mischung – auch im Hinblick auf die verschiedenen Altersstufen.
Wer mischt denn in dieser Hinsicht besonders geschickt?
BMW ist einer der Vorreiter. Der Autobauer hat vor einigen Jahren ein Demografieprogramm aufgelegt, das sich mit den Folgen des Alterungsprozesses auseinandersetzt.
Die viel zitierte „Diversity“...
Genau. BMW hat deren Vorteile erkannt. Der Konzern sieht altersgemischte Teams auch als Teil der Personalentwicklung und des Wissenstransfers.
Und wie sieht es bei Mittelständlern und Familienunternehmen aus?
Dort ist der Wunsch nach Kontinuität noch stärker. Das geht sogar so weit, dass sie Top-Managern häufig eine Residenzpflicht vorschreiben.
Was verbirgt sich denn dahinter?
Diesen Arbeitgebern ist es besonders wichtig, dass sich ihr Management mit dem Unternehmen identifiziert, anstatt eine Söldnermentalität an den Tag zu legen. Da ist die Bereitschaft der Manager, den Wohnsitz und damit den Lebensmittelpunkt samt der ganzen Familie an den Firmensitz zu verlagern, ein wichtiges Signal.
Das Privatleben als Indiz für die Führungsstärke?
Genau. Volatile Lebensverhältnisse werfen Fragen auf, in Bezug auf Integrität, Stabilität und soziale Kompetenzen. Deshalb stellen sich die Unternehmen Fragen zur Person. Übernimmt der Manager auch privat Verantwortung? Kann er langfristige soziale Beziehungen aufbauen? Oder ist er eher ein auf Selbstoptimierung ausgerichteter Narzisst?
Finanzvorstände als CEOs
Haben sich die Anforderungen an Manager und Unternehmen in den USA ebenfalls geändert?
Es gab Zeiten, da wollte man dort den aggressiven, erfolgshungrigen, rein profitorientierten Manager, um dem Druck der Kapitalmärkte und den Interessen der Anteilseigner zu entsprechen. Heute hat man auch dort erkannt, dass man Werte nicht im Quartal, sondern über Generationen erschafft. Das ist ein langsamer Prozess, der selbst bei Apple erkennbar ist.
Führungsstile nach der Typologie von Hay Group
Der Vorgesetzte gibt Anweisungen und erwartet, dass der Mitarbeiter sie kommentarlos und uneingeschränkt befolgt.
Der Vorgesetzte entwickelt den Mitarbeiter langfristig und zeigt ihm Perspektiven auf
Der Vorgesetzte legt viel Wert auf ein harmonisches Miteinander.
Der Vorgesetzte legt Wert auf das gemeinsame Entwickeln von Ideen
Der Vorgesetzte erwartet Aufgabenerfüllung auf höchstem Niveau
Der Vorgesetzte legt Wert auf die berufliche Entwicklung der Angestellten
Inwiefern?
Apple-Chef Tim Cook hat auf der Hauptversammlung im Februar betont, dass das Unternehmen auf eine langfristige Entwicklung und die Herstellung der besten Produkte ausgerichtet ist. Er lässt sich durch die starken Kursverluste nicht von seinem Weg abbringen, den ja auch die Aktionäre mitgehen: Sie haben sämtliche acht Aufsichtsräte im Amt bestätigt.
In den vergangenen Monaten haben immer mehr ehemalige Finanzvorstände den CEO-Posten in großen Konzernen übernommen, zum Beispiel Joe Kaeser bei Siemens. Welche Anforderungen erfüllen die Finanzexperten besser?
Sie haben einen ausgeprägten Sinn für verantwortbare Geschäfte. Außerdem müssen sie in Kategorien langfristiger Wertschöpfung denken und für nachhaltiges Unternehmertum stehen.
Eigenschaften, die auch hervorragend zu einem CEO passen.
Genau. Außerdem müssen beide in Szenarien denken und planen. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Rahmenbedingungen über Nacht fundamental anders aussehen können als am Tag zuvor.