Arbeiten im Ausland Home Sweet Home

Ausland - nein, danke! Obwohl ihre Lebensläufe ein anderes Bild malen, wollen immer weniger Uniabsolventen für deutsche Unternehmen ein paar Jahre im Ausland arbeiten.

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Christian Schmitt (Name von der Redaktion geändert) ist der Liebling der Personalchefs. Er steht kurz vor dem Diplom, und sein Lebenslauf passt nahtlos zu den Stellenangeboten, mit denen Unternehmen ihren Führungsnachwuchs rekrutieren: Ingenieurstudium Aachen in neun Semestern, davon zwei Semester in den USA, Praktika bei renommierten Unternehmen, eins davon in Spanien. Schmitt, gerade 25, hat Bestnoten, das Einser-Examen ist ihm so gut wie sicher. Er spricht Englisch verhandlungssicher, Spanisch kann er auch. In seiner Bewerbung wird später stehen, dass er bereit ist, im Ausland zu arbeiten. Flexibel sei er, hoch motiviert, mobil, vor allem mobil – kurz: ein Toptalent, ein Goldkragen, wie Personaler High Potentials nennen. „Aber das mit der Mobilität ist gelogen“, sagt er. Er will nur in Deutschland arbeiten. Ausschließlich. Christian Schmitt ist der Albtraum der Personalchefs. Denn die suchen derzeit händeringend Nachwuchskräfte, die genauso global denken, wie ihre Unternehmen aufgestellt sind: immer internationaler. Leute, die für das Unternehmen ins Ausland gehen, mit Kollegen aus anderen Kulturen klar kommen, sich auf weltweitem Parkett sicher bewegen, Konflikte schneller ausloten und besser darauf reagieren können, die auch mal zuhören, statt mit deutscher Gründlichkeit durch die Wand zu bollern. Das Problem: Die Christian Schmitts werden mehr. Die Bewerbungen, die bei Recruitern auf den Tischen oder im elektronischen Briefkasten landen, zeichnen ein falsches Bild. Zwar haben laut der jüngsten Sozialerhebung des Hochschul-Informations-Systems (HIS) schon rund 13 Prozent der Uniabsolventen im Ausland studiert, 14 Prozent dort ein Praktikum gemacht und sprechen mehrere Fremdsprachen. Doch das sagt nichts aus über ihre Motivation zur Mobilität. Sie haben diese Qualifikationen erworben, weil es die Stellenanzeigen so verlangen, weil es Karriereberater predigen und weil sie so hoffen, ihre Jobchancen zu verbessern. Tatsächlich aber wollen viele gar nicht für deutsche Unternehmen in Shanghai, Bangalore, Budapest oder Warschau arbeiten. Internationale Karriere? Nein, danke! In Deutschland herrscht Heimatverbundenheit wie schon lange nicht mehr. Die Zahlen sind ernüchternd. Beim Absolventenbarometer, einer Umfrage, die das Berliner Trendence Institut jedes Jahr unter rund 13 000 Uniabgängern durchführt, wollten dieses Jahr zwar 60,7 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler später mal im Ausland arbeiten. 2002 waren es aber noch 68,5 Prozent. Noch größer fällt der Schwund bei den Ingenieuren aus: Dieses Jahr interessierten sich nur noch 56,9 Prozent für einen Auslandseinsatz, 2002 waren es 71 Prozent – ein Rückgang um über 14 Prozentpunkte. Fatal vor allem: Der Trend wächst mit jedem Jahr, und selbst die Zahl dieser Auslandswilligen steht im Zweifel. Denn ein nicht geringer Teil der Studenten kreuzt bei solchen Fragebögen Antworten an, von denen sie glauben, dass sie erwünscht sind. „Besonders die durchschnittlichen Studenten sind immobiler geworden“, beobachtet Trendence-Studienexperte Oliver Viel. Der Kölner Recruitingdienstleister Access malt ein ähnlich düsteres Bild der Nachwuchs-Mobilität. Von über 3000 befragten Absolventen und Berufseinsteigern nannten aktuell nur 26 Prozent der Absolventen die Chance, im Ausland zu arbeiten, als wichtigen Punkt bei der Wahl ihres Arbeitgebers; bei den Berufsanfängern waren es nur noch 16 Prozent. Das Ausland verliert selbst relativ an Bedeutung: Bei den Absolventen rangiert das Weltbummeln unter den Faktoren für attraktive Arbeitgeber noch auf Rang 7, bei Berufseinsteigern hingegen nur noch auf Rang 10. Letzteren sind flexible Arbeitszeiten, ein kooperativer Führungsstil und Zeit fürs Private deutlich wichtiger. Die Weltmärkte sind in Bewegung, nur die jungen Deutschen bleiben lieber zu Hause. Beispiel Manja Ledderhos. Die 26-Jährige hat gerade ihr BWL-Studium an der Fachhochschule Kiel beendet und für ihr Doppeldiplomprogramm ein Jahr in Schweden studiert. Schon während ihrer Schulzeit an der internationalen John F. Kennedy Schule in Berlin hat die gebürtige Brandenburgerin, die neben Englisch und Schwedisch auch Russisch spricht, bereits ein Jahr in den USA verbracht. Eine Bildungskarriere wie aus dem Lehrbuch. Doch vom Ausland hat sie nun genug: „Ich bin froh, wieder da zu sein“, sagt die Betriebswirtin. „Die Multikulti-Erfahrungen helfen mir sicher künftig im Job, aber das Kapitel habe ich für mich abgeschlossen.“ Allenfalls noch für kurze Projekte würde sie ins Ausland reisen, arbeiten möchte sie in Deutschland. Vorzugsweise in Berlin, wo sie aufgewachsen ist, wo sie ihre Freunde hat, wo ihre Familie wohnt. Hier kennt sie sich aus, hier ist sie nicht „Teil einer Minderheit, die sich integrieren muss“. Das Leben ist angenehm in Berlin. Jenseits der Grenzen ist es anstrengender. Wie kommt es, dass ausgerechnet in Zeiten einer maladen Binnenökonomie, hoher Arbeitslosigkeit und schwindender Karrierechancen der Nachwuchs sein Heil in der Heimat sucht? Zumal es zahlreiche, attraktive Boomregionen im Ausland mit besten Karriereperspektiven für Deutsche gibt, die die WirtschaftsWoche in einer neuen Serie von der kommenden Woche an vorstellt. Wer sich hier zu Lande von Praktikum zu Praktikum hangelt, so müsste man meinen, der hat den deutschen Arbeitsmarkt bald satt und sucht jenseits der Grenzen eine attraktive Alternative. Fehlanzeige.

Experten vermuten dahinter gleich ein ganzes Ursachenbündel: Angst und Unsicherheit. Während die Nachkriegsgeneration noch mit dem Gefühl aufwuchs, dass man alles erreichen kann, sieht die derzeitige Generation, was man alles verlieren kann. Der Wohlstand, in den sie hineingeboren wurden, ist flüchtig: unsolide Staatsfinanzen, explodierende Gesundheitskosten, weniger Rente. Die größte Sorge der Akademiker in spe ist, nach dem Abschluss ohne Job dazustehen. So streben sie in erster Linie nach Bekanntem, nach Konstanten. Das zeigt sich bei der Wahl der beliebtesten Arbeitgeber: Dort wählen die Studenten regelmäßig hiesige Konzerne an die Spitze (siehe WirtschaftsWoche 33/2005): BMW, DaimlerChrysler, Siemens – immer dieselben Sieger. Motto: Groß ist gut ist sicher. Die Unternehmen, Marken und Märkte kennen sie. Die heutigen Boomregionen dagegen kennen sie nicht so gut. Die liegen neuerdings nicht im Westen, sondern im Osten – in China, in Indien, in Tschechien oder Polen. Diese Länder kennen sie weder aus dem Urlaub noch aus dem Studium. Das Gros der Austauschprogramme deutscher Unis führt nach wie vor zu Hochschulen in Großbritannien oder in die USA (siehe Tabelle am Ende des Textes). Nur Polen schaffte es bei der HIS-Erhebung unter die Top 25 der meistbereisten Studienländer deutscher Kommilitonen – allerdings nur auf Platz 23, zwei Plätze hinter dem Vatikanstaat. Andere Prioritäten. Bei Absolventen steht weniger die Karriere im Vordergrund ihrer Lebensplanung als ein ausbalanciertes Leben, die so genannte Work-Life-Balance. Ein dreijähriger Auslandsaufenthalt beispielsweise würde die Ausgeglichenheit von Leben und Arbeit stören, wäre mehr „work“ als „life“. Wenn im Osten beispielsweise Feierabend ist, wacht Deutschland gerade erst auf. Wer dann noch Kontakt zur Zentrale halten will, der schiebt de facto Doppelschichten, legt sich ins Zeug, ohne dass es in der Zentrale großartig auffällt. Gehen außerdem beide Partner ins Ausland, muss der andere in der Regel seinen Job aufgeben. Ergebnis: eine Karriere stillgelegt, gemeinsames Einkommen halbiert. Oder beide schrauben ihren Lebensstandard herunter, führen zwei Haushalte, einen hier – einen dort, und dazu eine Fernbeziehung. Das heißt: Viel Geld geht für teure Flüge drauf, und ob die Beziehung die Trennung übersteht, ist ungewiss. Die Beziehungen aber zu Partner, Freunden und Familie sind vielen heute wichtiger als das Unternehmen und die Karriere. Loyalität im Job gibt es ohnehin nicht mehr. Auf beiden Seiten: einerseits, weil zwei bis drei Jobwechsel in den ersten zehn Berufsjahren heute gefordert werden, um sein Allroundtalent zu entwickeln und zu beweisen; andererseits, weil sich Unternehmen heute schneller von Personal trennen, um Kosten zu senken. Die Folge: Die sozialen Bindungen außerhalb der Unternehmen beschränken die Mobilität. Wie etwa bei Stefan Jurk. Der 23-jährige Nachrichtentechnik-Ingenieur aus Leipzig würde niemals ohne seine Freundin ins Ausland gehen, die gerade eine Ausbildung begonnen hat. Und bis die fertig ist, „dauert es noch eine Weile“, sagt er. Außerdem müsste sie das Gastland „unbedingt mögen und dort einen Job finden“. Desillusionierung. Der Auslandstrip ist kein Garant mehr für einen Karrierekick, sondern steht zunehmend für einen Karriereknick. Nicht selten werden vor der Abreise Jobs versprochen, die bei der Rückkehr schon besetzt sind oder gestrichen wurden. Viele so genannte Expats beobachten dann, wie die Daheimbleiber aufsteigen, während sie sich selbst in der Ferne abrackern. 45 Prozent der Unternehmen können ihren heimkehrenden Managern keine adäquate Stelle anbieten, hat kürzlich die Personalberatung von Bonin ermittelt. Rund 25 Prozent der Rückkehrer kündigen sogar innerhalb der ersten zwölf Monate aus Frust über den neuen Job in Deutschland, so das Ergebnis einer anderen Studie von PriceWaterhouseCoopers. Nur ein Drittel der Rückkehrer wurde danach befördert, jeder Zehnte sogar herabgestuft. Das Phänomen ist im Westen noch stärker als im Osten Deutschlands. Selbst Toptalente, von denen man anderes erwarten würde, „werden häuslicher“, beobachtet Thomas Sattelberger, Personalvorstand beim Automobilzulieferer Continental. Die Entwicklung ist alarmierend für eine Volkswirtschaft, die am Export hängt und deshalb auf international versierten Nachwuchs angewiesen ist. Nicht umsonst steht heute in fast jeder Stellenofferte, dass Auslandserfahrungen vorausgesetzt werden. „Wir erwarten von unseren Mitarbeitern Mobilität und Neugier auf andere Kulturen, Auslandsaufenthalte werden bei uns gefördert und gefordert“, sagt zum Beispiel Oliver Sonntag, Human Resources Director bei L’Oréal Deutschland. Claus Heinrich, SAP-Vorstand, sieht das genauso: „In einem globalen Unternehmen, mit virtuellen Teams und Projekten, ist interkulturelle Kompetenz unabdingbar. Die lernt man nicht aus Büchern und durch Seminare, sondern am besten vor Ort.“ Entsprechend werden regelmäßig Mitarbeiter aller Ebenen für längere Zeit ins Ausland entsandt. In den ersten acht Monaten dieses Jahres gingen 350 SAPler für mehr als ein Jahr ins Ausland. Bei BMW, wo rund ein Fünftel der Belegschaft im Ausland arbeitet, sind es jedes Jahr rund 700 Mitarbeiter für durchschnittlich dreieinhalb Jahre, sieben Prozent davon sind Führungskräfte. Bei Siemens, dessen 440.000 Mitarbeiter zu zwei Drittel außerhalb Deutschlands angesiedelt sind, gehen jedes Jahr rund 2500 deutsche Nachwuchsführungskräfte für einige Jahre ins Ausland. Auslandserfahrungen sind längst eine unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Karrieren. Siemens-CEO Klaus Kleinfeld zum Beispiel verantwortete vor seiner Berufung zum Vorstandsvorsitzenden bis 2004 das US-Geschäft des Konzerns. DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche leitete knapp fünf Jahre lang die Chrysler Group in Auburn Hills, E.On-Vorstand Wulf Bernotat wiederum war vor seinem Wechsel zum Energiemulti gut sechs Jahre für Shell in Frankreich, Portugal und Großbritannien. Und BASF-Chef Jürgen Hambrecht verantwortete zwei Jahre lang das China-Geschäft seiner Company. Beim Führungsnachwuchs sieht das nicht anders aus: Marc Oliver Sommer, 43, und designierter Karstadt-Vorstand, hat am Institut d’Etudes Politiques in Paris studiert und danach dort mehrere Jahre als Geschäftsführer den französischen Buch- und Medienclub Loisirs geleitet. Oder Jan Hatzius. Der 36-Jährige, der am 1. Dezember neuer Chefvolkswirt bei Goldman Sachs wird, war schon vor sechs Jahren an die Wall Street übergesiedelt. Die Geschäftsführerin Medizinische Gase bei Linde, Carla Kriwet, 34, wiederum war zwei Jahre als Projektmanagerin für ABB Daimler-Benz Transportation in Neu-Delhi und drei Jahre für die Boston Consulting Group in London tätig. „Gut 50 Prozent des Topführungsnachwuchses hat heute signifikante Auslandsstationen hinter sich“, registriert Ulf Püschel, Seniorpartner bei der Personalberatung Egon Zehnder. „Die Bereitschaft dazu, aber auch der Nachweis werden selbst bei Familienunternehmen immer stärker nachgefragt.“

Tatsache ist: Wer für mindestens zwei Jahre nationale Grenzen überschreitet, kehrt mit mehr Ideen und sozialer Kompetenz zurück, ist persönlich gereift und denkt in größeren Maßstäben. Markus Korsten, 35, kam im Juli nach zwei Jahren aus Rumänien wieder. Dort hat der heutige Leiter der weltweiten Lkw-Reifenproduktion bei Continental in Timisoara ein Werk mit 1000 Mitarbeitern mit aufgebaut und die Produktion von 5000 Reifen pro Tag auf 35 000 hochgeschraubt. Als man ihm den Job 2002 anbot, war er zunächst wenig begeistert: „Ich war vorher im wunderschönen Wien, um dort ebenfalls ein Werk aufzubauen, kannte Rumänien von einigen Besuchen und ahnte, dass das ein ziemlicher Kulturschock werden würde.“ Außerdem war seine Frau schwanger. Am Ende aber gab die Aufgabe den Ausschlag. Die Chance, mit einem Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro ein komplett neues Werk zu leiten, noch dazu in einem exotischen Umfeld, „bekommt man nicht allzu oft“, sagt der Ingenieur. Die Timisoara-Erfahrung hilft ihm heute bei seinem neuen Führungsjob: 30 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt Korsten mittlerweile im Ausland, 70 Prozent seiner Korrespondenz, Telefonate oder E-Mails, führt er mit Ausländern. Wenn er die sieben ihm unterstellten Werke besucht, begegnet er den Kollegen vor Ort anders als noch vor ein paar Jahren. Er versteht ihre Probleme besser und fühlt sich auch sicherer im Umgang mit Kulturen, die er noch nicht kennt. „Es gibt einfach weniger Konflikte“, sagt der Conti-Manager. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Die Kollegen akzeptieren seine Entscheidungen schneller. Er genießt hohe Glaubwürdigkeit, weil er eigene Erfahrungen anführen kann. Korsten ist sich sicher: „Hätte ich diese Erfahrungen nicht, säße ein anderer auf meinem Stuhl.“ In der Zukunft könnte das mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Ausländer sein. Denn das Gros der Belegschaften, selbst bei Mittelständlern, wird immer internationaler. Und finden sich keine kompetenten deutschen Bewerber, werden die Stellen mit ausländischen Bewerbern besetzt. „Bei rund 25 Prozent unserer Suchanfragen spielt die Nationalität der Kandidaten bereits keine Rolle mehr“, sagt Egon-Zehnder-Partner Püschel. „Der Trend zur internationalen Besetzung nimmt sogar zu.“ Während sich die Masse der jungen Deutschen in aller Stille von der Globalisierung verabschiedet, orientiert sich die Spitze weiter international. Beobachter rechnen deshalb mit einer noch stärkeren Elitebildung. Die Schere zwischen Toptalenten und dem Durchschnitt „geht weiter auf“, glaubt Thomas Herp, Europa-Chef der Unternehmensberatung Monitor Group und prophezeit: „Die sozialen Unterschiede werden wachsen – zwischen denen, die global erfahren und interessiert sind und deshalb internationale Managementposten besetzen – und denen, die allenfalls nationale Verwaltungsarbeiten ausführen.“ Die künftig weniger gebraucht werden, weil sich viele dieser Jobs in Niedriglohnländer auslagern oder durch Technik ersetzen lassen. Die Arbeitslosigkeit unter dem Immobilen wird also steigen. Und wer noch Arbeit hat, muss sich mit weniger Gehalt oder zumindest geringeren Gehaltszuwächsen zufrieden geben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Saläre der mobilen Globaldenker dagegen steigen. Die Analyse von Karrieren zeigt: Wer es ernst meint mit der Globalisierung und » schon früh bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen und sich auf neue Menschen, neue Kulturen einzulassen, der setzt dies meist im weiteren Lebenslauf fort. Diese Leute bewerben sich dann häufig bei den Unternehmen, die ihnen weltweite Projekte, internationale Teams, Markt- und Innovationsführerschaft bieten. „Das Interesse an Auslandseinsätzen ist bei uns ungebrochen“, konstatiert Just Schürmann, Partner und Recruitingchef bei der Boston Consulting Group. „Was uns zu Gute kommt, weil auch unsere Kunden immer internationaler tätig sind und das auch von uns erwarten.“ Eine Spitzenkarriere muss nicht einmal das primäre Ziel sein. Die Unternehmen brauchen „nicht nur globale Häuptlinge, sondern viel mehr noch welterfahrene Indianer“, sagt Conti-Personalchef Sattelberger. „Ein Auslandseinsatz zieht nicht zwingend eine Beförderung nach sich – sondern er befähigt die Leute künftig überhaupt erst dazu, Karriere zu machen“, sagt auch Monitor-Chef Herp. Wer mobil bleibt, der tut vor allem etwas für sich selbst, für seine Persönlichkeit, für sein künftiges Handwerkszeug, für seine Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt, für seinen Marktwert. Mobilität hat allerdings zeitliche Grenzen. Für Auslandseinsätze kommen in der Regel nur bestimmte Lebensabschnitte infrage: vor oder während der Ausbildung, beim Jobeinstieg, vor den ersten Kindern. Mit Mitte 30 werden die meisten Mitarbeiter immobiler, bekommen Kinder, kaufen Häuser, die Kinder kommen in die Schule, studieren. Das hemmt, und das wissen auch die Personaler. Erst wenn ihre Kinder flügge geworden sind, kann man von den Leuten wieder erwarten, dass sie nochmal ausschwärmen und ihren Erfahrungsschatz auffrischen. Dann sind sie in der Regel schon um die 50. Das heißt aber auch: Wer ungebunden ist, hat kaum Ausreden. Wer den Drang in die Fremde als ein Kapitel betrachtet, das man mit 25 abgeschlossen hat, senkt seine Ein- und Aufstiegschancen dramatisch. Wie mobil jemand ist, prüfen viele Recruiter bereits beim Vorstellungsgespräch mit Fragen wie: „Wir würden Sie gerne in einem halben Jahr zum Aufbau unserer Geschäftsstelle in Shanghai einsetzen. Das wird ungefähr drei Jahre dauern. Wären Sie dazu bereit?“ Wer dabei zaudert, über die schon lange andauernde Wochenendbeziehung mit seiner Freundin klagt oder auf das nächste Jahr verweist, verliert doppelt. Entweder den Job heute – oder den Job in zehn Jahren.

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