Jahreswechsel Warum unsere guten Vorsätze scheitern

Mehr Sport, weniger Stress, keine Zigaretten: Eigentlich ist uns klar, dass wir mit unseren guten Vorsätzen scheitern werden. Warum das so ist und wie Sie endlich mal durchhalten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

So sicher, wie die Raketen nach Weihnachten in den Läden und am 1. Januar im Rinnstein liegen, so sicher fasst der Durchschnittsdeutsche einen guten Vorsatz fürs neue Jahr. Und fast ebenso sicher wird er damit scheitern.

Die Hitliste der guten Vorsätze ist Jahr für Jahr nahezu identisch. Mehr Familie, weniger Stress - das steht ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze. In einer aktuellen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa gaben 62 Prozent der Befragten an, mehr für ein stressfreies Leben tun zu wollen. 59 Prozent wollen mehr Sport machen, 36 Prozent wollen abnehmen und so weiter. Laut der Studie „Gute Vorsätze 2016“ im Auftrag der Nachhaltigkeitsbank Triodos wollen 85 Prozent der Deutschen im neuen Jahr sowohl ihr eigenes Leben als auch das ihrer Mitmenschen verbessern und sich und anderen Gutes tun.

Diese guten Vorsätze hatten die Deutschen für 2016

Das klingt vorbildlich, wird aber meist nicht gelingen. Britische Forscher haben schon 2012 nachgewiesen, dass 88 Prozent ihre guten Vorsätze nicht einhalten. Und auch die aktuelle Forsa-Umfrage in Deutschland zeigt: Vorsatz und Umsetzung sind zwei paar Schuhe. 50 Prozent hielten immerhin länger als drei Monate durch, bei den anderen 50 Prozent war schon vorher Schluss mit der Disziplin.

Zu wenig Sport, zu viel Süßes, zu viel Alkohol

Denn die Realität der Deutschen hat - zumindest bei den meisten - wenig mit ihren Vorsätzen gemein. Nach ihren Sünden gefragt gaben die Bundesbürger in einer weiteren Forsa-Untersuchung an, sich zu wenig zu bewegen, zu viel Süßes zu essen, zu gestresst zu sein oder zu viel zu trinken. Beim Ringen um die richtige Lebensweise gewinnt also meist der innere Schweinehund.

Trotzdem glaubt der Homo sapiens offenbar jedes Jahr aufs Neue, seine schlechten Gewohnheiten schlagartig ändern zu können. Das hat zum einen mit dem Wunsch zu tun, das eigene Leben zu kontrollieren, erklärt der Bochumer Professor Jürgen Margraf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. "Wenn wir das Gefühl haben, wir hätten Kontrolle, geht's uns gut. Dann können wir auch sehr viel Stress wegstecken." Für unser persönliches Wohlbefinden reicht schon das Gefühl, etwas verändern zu können. "Ab morgen nehme ich ab" – und schon schmeckt die Sahnetorte gleich doppelt so gut.

Neujahrsvorsätze entstehen durch den Glauben an Wunder

Außerdem glaubt der Mensch eben gerne, dass das Unmögliche möglich ist. Wäre das anders, könnten sämtliche Lotterien sofort dicht machen. "Wir sind unrealistisch optimistisch", sagt Margraf. "Es hilft Ihnen durch den Tag, es macht Sie auch aktiver, weil Sie das Gefühl haben, dass es sich lohnt". Entsprechend steckt natürlich immer auch ein bisschen Aberglaube im Neujahrsvorsatz: Im neuen Jahr wird alles möglich, was uns das vergangene Jahr verwehrt hat.

Für alle, die sich weiter gute Vorsätze nehmen und sie auch umsetzen wollen, besteht aber Hoffnung: Es geht!

Wie man seine Vorsätze durchzieht

Wer sich in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar geschworen hat, jetzt aber wirklich sein Leben zu ändern und alles besser zu machen, kann das schaffen. Er muss nur ein paar Dinge verändern.

Die Krux, an der wir scheitern, ist die Ungenauigkeit unserer Vorsätze. Wer sagt: "Ich will abnehmen", wird vermutlich scheitern. Wer dagegen sagt: "Ich möchte bis zum April vier Kilo abgenommen haben", hat bessere Chancen. Je konkreter, desto einfacher wird es.

Und wer seine Ziele aufschreibt, also einen Vertrag mit sich selber schließt, hat schon die halbe Miete. Aber: "Es ist nicht genug, zu wollen – man muss auch tun", hat schon Goethe gewusst. Am besten hält man also auch gleich fest, wie das Ziel erreicht werden soll. Wer abnehmen möchte, sollte also auch gleich einen Sport- und Ernährungsplan austüfteln.

Wenn-Dann-Pläne aufstellen

"Wir tendieren dazu, die Wirksamkeit von Zielen zu überschätzen und die vom konkreten Planen, wann, wo und wie wir handeln wollen, zu unterschätzen", erläutert der Psychologe Frank Wieber von der Universität Konstanz. Zusammen mit Kollegen zeigte er in einer Metastudie von mehr als 200 Studien aus der Motivationsforschung, dass die sogenannten "Wenn-Dann-Pläne" entscheidend zum Erfolg beitragen. Und zwar auch in stressigen Zeiten, in denen wir sonst allzu schnell in unseren alten Trott verfallen.

Wenn-Dann-Pläne legen fest wann, wo und wie man sich in bestimmten Situationen verhalten soll. Lautet das Ziel: "Ich möchte bis zum April vier Kilo abnehmen", dann könnte ein zugehöriger Wenn-Dann-Plan so aussehen: "Immer wenn ich nachmittags etwas Süßes möchte, esse ich einen Apfel." So kann man sich mental trainieren.

Das sind die Top-Karriereziele der Deutschen für 2016

Außerdem muss das Ziel realistisch sein. Denn nichts ist so demotivierend wie eine Herausforderung, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Der Vorsatz: "Ich will bis Februar 40 Kilo abnehmen" ist kein Ansporn, sondern sorgt nur für Frust und Ärger – und somit vermutlich für mehr Trost-Schokolade. "Lieber weniger, dafür realistische Ziele setzen und diese auch erreichen, als zu viele utopische Vorhaben verfolgen", empfiehlt auch DAK-Medizinerin Elisabeth Thomas. "Das motiviert und erhöht die Chancen erheblich, auf längere Sicht dranzubleiben." Und wenn das Gesamtziel sehr groß ist, dann muss es eben in machbare kleine Teiletappen zerlegt werden. Aus: "Ich will die Kilo abnehmen" wird dann

1. Ich will bis April vier Kilo abnehmen

2.Von April bis Juni nehme ich nochmal zwei Kilo ab

3. Bis zum August sind weitere drei Kilo runter, und so weiter und so fort.

So wird aus dem Mammutprojekt ein machbarer Plan.

Dessen Umsetzung stehen dann leider noch fehlende Ausdauer und geringe Selbstdisziplin im Wege. Denn bei allem, was man sich vornimmt, muss einem klar sein, dass es Hindernisse geben wird. Außerdem kommt der Erfolg – unabhängig vom Vorsatz – nicht von jetzt auf gleich. Nur weil man heute die Pommes weggelassen und stattdessen Salat gegessen hat, ist man morgen keine fünf Kilo leichter. Und auch übermorgen wird das noch nicht der Fall sein.

Wenn wir bei dem Beispiel abnehmen bleiben, muss außerdem jedem klar sein, dass es nicht nur dauert, bis das Ziel erreicht ist, sondern auch täglich Zeit kostet. Zeit für Sport, einkaufen und kochen. Diese Zeit muss man sich nehmen. Und genau hier gilt es den guten alten Schweinehund zu überlisten, der viel lieber auf die Couch möchte. Wer das alleine nicht schafft, nimmt sich am besten Verbündete, mit denen er gemeinsam abnimmt.

"Setzen Sie sich spezifische Ziele, die persönlich erstrebenswert sind und machbar erscheinen. Planen Sie, wie Sie die kritischsten Hindernisse bei der Umsetzung im Alltag überwinden können. Dann haben Sie gute Chancen, Ihre Vorsätze zu verwirklichen und so auch Ihre generellen Fähigkeiten als effektiver Verhaltensmanager zu trainieren", fasst Wieber zusammen.

Alternativ bietet sich für alle Abbrecher, Schweinehundstreichler und Ausredenverfechter ein besonders schöner Neujahrsvorsatz an: Im nächsten Jahr einfach mal keine guten Vorsätze machen. Das hält jeder ganz locker durch.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%