So sicher, wie die Raketen nach Weihnachten in den Läden und am 1. Januar im Rinnstein liegen, so sicher fasst der Durchschnittsdeutsche einen guten Vorsatz fürs neue Jahr. Und fast ebenso sicher wird er damit scheitern.
Die Hitliste der guten Vorsätze ist Jahr für Jahr nahezu identisch. Mehr Familie, weniger Stress - das steht ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze. In einer aktuellen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa gaben 62 Prozent der Befragten an, mehr für ein stressfreies Leben tun zu wollen. 59 Prozent wollen mehr Sport machen, 36 Prozent wollen abnehmen und so weiter. Laut der Studie „Gute Vorsätze 2016“ im Auftrag der Nachhaltigkeitsbank Triodos wollen 85 Prozent der Deutschen im neuen Jahr sowohl ihr eigenes Leben als auch das ihrer Mitmenschen verbessern und sich und anderen Gutes tun.
Diese guten Vorsätze hatten die Deutschen für 2016
Seit Jahren führt der gute Vorsatz "Stress vermeiden oder abbauen" die Liste der guten Vorsätze bei den Deutschen an. 2016 wollten 62 Prozent Stress reduzieren. In den vergangenen Jahren wollten das 60 beziehungsweise 57 Prozent. Offenbar hat es bis dato also nicht so geklappt mit dem Neujahrsvorsatz.
Quelle: Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK
Ebenfalls seit Jahren hoch im Kurs: Im neuen Jahr mehr Zeit mit der Familie beziehungsweise mit Freunden verbringen. Für 2016 hatten sich das 61 Prozent vorgenommen. In den letzten Jahren waren es 55 Prozent (2015) und 54 Prozent (2014).
Der Klassiker: Im nächsten Jahr wird sich endlich mehr bewegt: Statt mit dem Auto geht es mit dem Fahrrad zur Arbeit, im Büro nimmt man die Treppe statt dem Lift und am Wochenende wird gejoggt. Das planten 59 Prozent. Vermutlich war es kurz nach Vertragsabschluss mit dem Fitness-Studio aber auch schon wieder vorbei mit der Euphorie. Schließlich wollten die Deutschen schon die letzten Jahre mehr Sport treiben.
Außerdem sollten im letzten Jahr bei 51 Prozent die eigenen Bedürfnisse stärker beachtet und man selbst mehr in den Vordergrund gerückt werden. Für 2015 hatten das 48 Prozent geplant und auch schon 2014 wollten sich 47 Prozent der Deutschen endlich mehr Zeit für sich selbst nehmen. Hat offenbar nicht geklappt.
Ebenfalls 51 Prozent wollten sich 2016 gesünder ernähren.
Gewicht reduzieren wollten 35 Prozent. Auch das Bedürfnis nach einer schlankeren Taille ist über die Jahre eher noch gestiegen: 2015 war "abnehmen" der Neujahrsvorsätze von 34 Prozent der Deutschen, 2014 wollten nur 31 Prozent abspecken.
31 Prozent wollten im letzten Jahr weniger Geld ausgeben.
18 Prozent hatten sich vorgenommen, öfter mal die Glotze auszulassen.
16 Prozent wollten weniger Zeit mit dem Starren auf irgendwelche Bildschirme und der Nutzung sozialer Netzwerke verbringen.
Das Bierchen zum Feierabend, der Wein zum Abendessen und am Wochenende ein paar Cocktails mit Freunden: 14 Prozent wollten weniger Alkohol trinken.
Noch ein Klassiker zum Schluss: Zehn Prozent wollten 2016 mit dem Rauchen aufhören.
Das klingt vorbildlich, wird aber meist nicht gelingen. Britische Forscher haben schon 2012 nachgewiesen, dass 88 Prozent ihre guten Vorsätze nicht einhalten. Und auch die aktuelle Forsa-Umfrage in Deutschland zeigt: Vorsatz und Umsetzung sind zwei paar Schuhe. 50 Prozent hielten immerhin länger als drei Monate durch, bei den anderen 50 Prozent war schon vorher Schluss mit der Disziplin.
Zu wenig Sport, zu viel Süßes, zu viel Alkohol
Denn die Realität der Deutschen hat - zumindest bei den meisten - wenig mit ihren Vorsätzen gemein. Nach ihren Sünden gefragt gaben die Bundesbürger in einer weiteren Forsa-Untersuchung an, sich zu wenig zu bewegen, zu viel Süßes zu essen, zu gestresst zu sein oder zu viel zu trinken. Beim Ringen um die richtige Lebensweise gewinnt also meist der innere Schweinehund.
Trotzdem glaubt der Homo sapiens offenbar jedes Jahr aufs Neue, seine schlechten Gewohnheiten schlagartig ändern zu können. Das hat zum einen mit dem Wunsch zu tun, das eigene Leben zu kontrollieren, erklärt der Bochumer Professor Jürgen Margraf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. "Wenn wir das Gefühl haben, wir hätten Kontrolle, geht's uns gut. Dann können wir auch sehr viel Stress wegstecken." Für unser persönliches Wohlbefinden reicht schon das Gefühl, etwas verändern zu können. "Ab morgen nehme ich ab" – und schon schmeckt die Sahnetorte gleich doppelt so gut.
Neujahrsvorsätze entstehen durch den Glauben an Wunder
Außerdem glaubt der Mensch eben gerne, dass das Unmögliche möglich ist. Wäre das anders, könnten sämtliche Lotterien sofort dicht machen. "Wir sind unrealistisch optimistisch", sagt Margraf. "Es hilft Ihnen durch den Tag, es macht Sie auch aktiver, weil Sie das Gefühl haben, dass es sich lohnt". Entsprechend steckt natürlich immer auch ein bisschen Aberglaube im Neujahrsvorsatz: Im neuen Jahr wird alles möglich, was uns das vergangene Jahr verwehrt hat.
Für alle, die sich weiter gute Vorsätze nehmen und sie auch umsetzen wollen, besteht aber Hoffnung: Es geht!
Wie man seine Vorsätze durchzieht
Wer sich in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar geschworen hat, jetzt aber wirklich sein Leben zu ändern und alles besser zu machen, kann das schaffen. Er muss nur ein paar Dinge verändern.
Die Krux, an der wir scheitern, ist die Ungenauigkeit unserer Vorsätze. Wer sagt: "Ich will abnehmen", wird vermutlich scheitern. Wer dagegen sagt: "Ich möchte bis zum April vier Kilo abgenommen haben", hat bessere Chancen. Je konkreter, desto einfacher wird es.
Und wer seine Ziele aufschreibt, also einen Vertrag mit sich selber schließt, hat schon die halbe Miete. Aber: "Es ist nicht genug, zu wollen – man muss auch tun", hat schon Goethe gewusst. Am besten hält man also auch gleich fest, wie das Ziel erreicht werden soll. Wer abnehmen möchte, sollte also auch gleich einen Sport- und Ernährungsplan austüfteln.
Wenn-Dann-Pläne aufstellen
"Wir tendieren dazu, die Wirksamkeit von Zielen zu überschätzen und die vom konkreten Planen, wann, wo und wie wir handeln wollen, zu unterschätzen", erläutert der Psychologe Frank Wieber von der Universität Konstanz. Zusammen mit Kollegen zeigte er in einer Metastudie von mehr als 200 Studien aus der Motivationsforschung, dass die sogenannten "Wenn-Dann-Pläne" entscheidend zum Erfolg beitragen. Und zwar auch in stressigen Zeiten, in denen wir sonst allzu schnell in unseren alten Trott verfallen.
Wenn-Dann-Pläne legen fest wann, wo und wie man sich in bestimmten Situationen verhalten soll. Lautet das Ziel: "Ich möchte bis zum April vier Kilo abnehmen", dann könnte ein zugehöriger Wenn-Dann-Plan so aussehen: "Immer wenn ich nachmittags etwas Süßes möchte, esse ich einen Apfel." So kann man sich mental trainieren.
Das sind die Top-Karriereziele der Deutschen für 2016
Mehr als ein Drittel der Deutschen haben sich zum Ziel gesetzt, nach Feierabend besser abzuschalten, um sich ihrem Privatleben widmen zu können. Das ist das Ergebnis der Studie „Karriereziele 2016“ des Personaldienstleisters ManpowerGroup Deutschland.
Mehr Gelassenheit im Job nehmen sich 32 Prozent vor. Sie wollen ihre Arbeit künftig lockerer nehmen.
17 Prozent wollen 2016 effizienter arbeiten.
15 Prozent wollen weniger arbeiten, um mehr Freizeit zu haben. Ebenfalls 15 Prozent gaben an, im kommenden Jahr den Arbeitgeber wechseln zu wollen.
Jeweils zwölf Prozent gaben an, die Zusammenarbeit mit den Kollegen verbessern zu wollen und ihre eigenen Kompetenzen selbstbewusster präsentieren zu wollen.
Elf Prozent wollen sich 2016 im Job stärker engagieren.
Jeweils zehn Prozent gaben an, im kommenden Jahr mehr Zeit in ihre Karriere investieren zu wollen beziehungsweise ein Studium oder eine Ausbildung beginnen/fortzuführen zu wollen.
Jeweils neun Prozent wollen mehr netzwerken beziehungsweise sich neben dem Job weiterbilden.
Sieben Prozent wollen sich um eine Beförderung bemühen.
Jeweils fünf Prozent wollen im kommenden Jahr innerhalb ihres Unternehmens die Position wechseln beziehungsweise eine berufliche Auszeit nehmen.
Außerdem muss das Ziel realistisch sein. Denn nichts ist so demotivierend wie eine Herausforderung, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Der Vorsatz: "Ich will bis Februar 40 Kilo abnehmen" ist kein Ansporn, sondern sorgt nur für Frust und Ärger – und somit vermutlich für mehr Trost-Schokolade. "Lieber weniger, dafür realistische Ziele setzen und diese auch erreichen, als zu viele utopische Vorhaben verfolgen", empfiehlt auch DAK-Medizinerin Elisabeth Thomas. "Das motiviert und erhöht die Chancen erheblich, auf längere Sicht dranzubleiben." Und wenn das Gesamtziel sehr groß ist, dann muss es eben in machbare kleine Teiletappen zerlegt werden. Aus: "Ich will die Kilo abnehmen" wird dann
1. Ich will bis April vier Kilo abnehmen
2.Von April bis Juni nehme ich nochmal zwei Kilo ab
3. Bis zum August sind weitere drei Kilo runter, und so weiter und so fort.
So wird aus dem Mammutprojekt ein machbarer Plan.
Dessen Umsetzung stehen dann leider noch fehlende Ausdauer und geringe Selbstdisziplin im Wege. Denn bei allem, was man sich vornimmt, muss einem klar sein, dass es Hindernisse geben wird. Außerdem kommt der Erfolg – unabhängig vom Vorsatz – nicht von jetzt auf gleich. Nur weil man heute die Pommes weggelassen und stattdessen Salat gegessen hat, ist man morgen keine fünf Kilo leichter. Und auch übermorgen wird das noch nicht der Fall sein.
Wenn wir bei dem Beispiel abnehmen bleiben, muss außerdem jedem klar sein, dass es nicht nur dauert, bis das Ziel erreicht ist, sondern auch täglich Zeit kostet. Zeit für Sport, einkaufen und kochen. Diese Zeit muss man sich nehmen. Und genau hier gilt es den guten alten Schweinehund zu überlisten, der viel lieber auf die Couch möchte. Wer das alleine nicht schafft, nimmt sich am besten Verbündete, mit denen er gemeinsam abnimmt.
"Setzen Sie sich spezifische Ziele, die persönlich erstrebenswert sind und machbar erscheinen. Planen Sie, wie Sie die kritischsten Hindernisse bei der Umsetzung im Alltag überwinden können. Dann haben Sie gute Chancen, Ihre Vorsätze zu verwirklichen und so auch Ihre generellen Fähigkeiten als effektiver Verhaltensmanager zu trainieren", fasst Wieber zusammen.
Alternativ bietet sich für alle Abbrecher, Schweinehundstreichler und Ausredenverfechter ein besonders schöner Neujahrsvorsatz an: Im nächsten Jahr einfach mal keine guten Vorsätze machen. Das hält jeder ganz locker durch.