So wird 2015 "Deutschland steht vor einer Wohlstandswende"

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Aus "Made in Germany" ein "Created in Germany" machen

Diese Maßnahmen sollen ja gerade die auch von Ihnen angesprochene Kluft zwischen Arm und Reich schließen. Aber was können wir als Bürger im kommenden Jahr tun, wenn wir uns nicht allein auf die Politik verlassen wollen?

Ob es der Politik gefällt oder nicht: Eine neue politische Trias aus Initiativen, Bürgerforen und Volksentscheiden werden die Demokratie beleben und verändern. Weil Politiker fast nur noch auf Zuruf oder mediale Reizthemen reagieren und Zukunftsfragen wie Gesundheitsvorsorge, Rente, Mietpreisbremse und Schutz der Privatsphäre weitgehend ausblenden, müssen die Bürger selbst in die Offensive gehen. Sie stellen die Weichen für eine Bürgergesellschaft neu, die sich als eine – wie ich es nennen würde – Zusammenhaltsgesellschaft versteht. Parteien werden dabei tendenziell in die zweite Reihe zurückgedrängt.

Was sich 2015 ändern wird
MINDESTLOHN: Der allgemeine, flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde greift. Bei einer 40-Stunden-Woche entspricht das 1473 Euro brutto im Monat. Profitieren sollen rund 3,7 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor. Um Langzeitarbeitslosen den Job-Einstieg zu erleichtern, kann bei ihnen in den ersten sechs Monaten vom Mindestlohn abgewichen werden. Für Unter-18-Jährige ohne Berufsabschluss, Auszubildende und Menschen mit Pflichtpraktika oder Praktika unter drei Monaten gilt der Mindestlohn nicht. Quelle: dpa
PFLEGEMINDESTLOHN: Er steigt auf 9,40 Euro pro Stunde im Westen und 8,65 Euro im Osten. Bis 2017 soll er weiter wachsen. Quelle: dpa
NUMMERNSCHILDER: Autobesitzer dürfen ihr Kennzeichen bei Umzügen in ganz Deutschland mitnehmen. Die Pflicht zur „Umkennzeichnung“ für den neuen Zulassungsbezirk entfällt. Innerhalb einiger Länder gilt dies heute schon, flächendeckend greift die Regel dann aber erst ab dem 1. Januar. Der Tarif der Kfz-Versicherung richtet sich aber weiterhin nach dem aktuellen Wohnort. Quelle: dpa
RENTE: Der Rentenbeitragssatz sinkt von aktuell 18,9 Prozent auf 18,7 Prozent. Bis 2018 soll er unverändert bleiben. Quelle: dpa
HARTZ IV: Die Regelsätze für Empfänger von Hartz-IV-Leistungen steigen um gut zwei Prozent. Alleinstehende erhalten somit nun einen Betrag von 399 Euro und damit acht Euro mehr als bisher. Quelle: dpa
BERUFSKRANKHEITEN: Als solche werden nun auch Formen des „weißen Hautkrebses“ und andere Krankheiten anerkannt. Betroffene haben Anspruch auf Behandlung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Quelle: dpa
KRANKENKASSEN: Die gesetzlichen Krankenkassen können wieder über einen Teil der Beiträge selbst bestimmen. Dazu wird der bisherige Beitrag um 0,9 Punkte auf 14,6 Prozent gesenkt. Auf diesem Niveau ist es den Kassen möglich, einen Zusatzbeitrag zu erheben. Der dürfte im ersten Jahr im Durchschnitt 0,9 Prozentpunkte betragen, einzelne Kassen dürften aber deutlich darunter liegen. Erwartet wird allerdings, dass der Beitrag in den Folgejahren steigt. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verspricht sich mehr Wettbewerb unter den Kassen. Quelle: dpa

Kanzlerin Angela Merkel scheint auf eine dritte Amtszeit zu schielen. Bleibt sie wie Kohl 16 Jahre an der Spitze – und ist das gut für die Zukunft?

Dies ist wohl eine Fangfrage, bei deren Beantwortung ich nur verlieren kann. Bisher tat die Kanzlerin Angela Merkel dem Land gut, weil sie in extrem unsicheren Zeiten die Ruhe behielt und die Bürger beruhigte. In zwei, drei Jahren kann alles anders sein, wenn die Bürger die Beruhigungsstrategie der Regierung durchschauen oder keine verlässlichen Antworten auf ihre Sorgen bekommen.

Dann frage ich anders, wobei auch das keine Fangfrage sein soll: Bei welchen Themen hat die Große Koalition Weichen für die Zukunft des Landes gestellt – und wo hat sie das versäumt?

Der Großen Koalition fehlt eine Vision für die nächste Generation. Die GroKo blickt nur auf die Gegenwart und verpasst mit Sicherheit die Zukunft. Die Regierung macht zwar ihre Hausaufgaben aber nur für heute und für die laufende Legislaturperiode. Die politische Programmatik richtet sich allein an der Gegenwart aus, schaut also nur danach, wie Wohlstand, Wettbewerb Wachstum heute gesichert werden. Das kann man nicht als vorausschauende Politik bezeichnen.

Bleibt Deutschland ein reiches Land – trotz Nullzinsen aufs Ersparte?

Deutschland ist reich an Ressourcen und Vermögen, aber noch arm an direkter Demokratie, die von Parteien oft als Störung empfunden wird. Die Bürgerdemokratie ist noch Zukunftsmusik! Die Zukunft beginnt jetzt. Sie wir und muss einer neuen Mitmach- und Zusammenhaltsgesellschaft gehören.

Die Globalisierung schreitet voran. Müssen unsere Kinde alle Chinesisch lernen?

Ohne die Fremdsprache Englisch geht gar nichts im Zeitalter der Globalisierung. Sie müssen nicht chinesisch sprechen können, um mit den Chinesen zu kommunizieren.

Unter welchem Motto sollte 2015 stehen?

Nur ein paar Stichworte: Aufbruch und Fortschritt statt Stillstand oder weiter so. Deutschland im Inneren erneuern, sozial und kulturell, Innovationen wagen. Aus dem alten „Made in Germany“ ein „Created in Germany“ machen.

Wird gemacht. Wagen Sie zum Schluss bitte noch wie im vergangenen Jahr Prognose des Unworts des Jahres. Mit dem Begriff Generation@ haben Sie 1999 ja schon mal das Wort des Jahres geprägt.

Unwort des Jahres? Negativzinsen – für Guthaben.

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