Bei Vollmond kommen viel mehr Kinder zur Welt als in anderen Nächten – sagen zumindest viele Hebammen. An Neumond sollen Geburten wiederum sehr selten sein. Obwohl Studien zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Mondphasen und Geburtenraten gibt, halten Hebammen an diesem Glauben fest. Schließlich sehen sie jede geburtenreiche Vollmondnacht als Bestätigung der eigentlich haltlosen Hypothese.
Viele solche „Ammenmärchen“ geistern herum. Sie halten sich hartnäckig in den Köpfen der Menschen – weil diese stets auf Ereignisse achten, die sie bestätigen. Die Psychologie bezeichnet dieses Phänomen als „Confirmation Bias“ („Bestätigungsfehler“). Haben Menschen also einmal eine Meinung gebildet, ist es schwer diese zu ändern – obwohl es für unser Zusammenleben immer wieder nötig ist, andere zu überzeugen und auch mal seine eigene Haltung aufzugeben.
Karrierecoach Martina Bandoly weiß aus Erfahrung: „Wenn es um Werthaltungen geht, lassen sich Menschen durch Sachargumente nicht vom Gegenteil überzeugen.“ Doch auch dieses Festhalten an Grundeinstellungen, die unser Handeln bestimmen, hat eine notwendige Funktion: „Wenn wir jede Situation neu analysieren und definieren müssten, dann gäbe es die Menschheit längst nicht mehr.“
Im Berufsleben müssen jedoch meist keine ganzen Weltbilder umgestürzt werden, sondern meist geht es um Kleinigkeiten. „Nehmen wir als Beispiel eine Excel-Tabelle, die man gemacht hat und die dem Chef oder einem Teamkollegen nicht gefällt“, sagt Bandoly. „Man muss herausfinden, was sie genau kritisieren, und nicht gleich, wie ein aufdringlicher Autoverkäufer mit den Vorteilen herausplatzen.“ Denn letztlich bewegen den Gegenüber nur ganz bestimmte Argumente.
„Ein guter Autoverkäufer fragt erst nach, was seinen Kunden wichtig ist. Ob das Auto farblich zu einem Kunden passt oder ob die Frauen darauf fliegen, ist irrelevant, wenn für den Kunden nur zählt, dass es sparsam ist.“ Daher gilt es auch bei anderen Dingen im Leben, erst einfühlsam auf den Gegenüber einzugehen.
Dabei erscheint ein Projekt außerdem unter neuen Gesichtspunkten. So kommen Haken zum Vorschein, die einem vorher nicht aufgefallen sind oder die man als unwichtig erachtet hat. Doch selbst, wenn die Argumente des Gegenübers Quatsch sind, sollte man trotzdem darauf eingehen. Das gilt vor allem, wenn diese Person in einer höheren Position ist. „Man muss in einem empathischen und wertschätzenden Gespräch immer wieder die Meinung des Anderen in neuen Worten wiederholen und darauf eingehen“, sagt Martina Bandoly.
Missionare für den Irrglauben
Das weckt positive Emotionen, die für die Überzeugungskraft von hoher Bedeutung sind. Wenn jemand auf die Kritikpunkte seines Gegenübers eingeht, dann fühlt dieser sich verstanden und wertgeschätzt. Und dieses angenehme Gefühl sorgt für ein Wohlwollen – und ein Entgegenkommen.
Allerdings müssen sich Menschen im Klaren sein, dass Menschen ihre Meinung oder ihr Projekt bei so einem einverständlichen Argumentieren nur mit Abstrichen durchdrücken können. Das ist jedoch besser als es ganz im Papierkorb verschwinden zu lassen – beispielsweise weil man mit dem Kopf durch die Wand wollte. „Hundert Prozent bekomme ich nur durch, wenn ich der Chef bin“, sagt Bandoly. „Doch nur weil meine Untergebenen dann folgen, heißt das nicht, dass sie überzeugt sind.“ Im Gegenteil: Sie sind frustriert.
Manche Menschen lassen sich nie überzeugen – selbst, wenn sie Haus und Hof wegen ihrer Haltung verlieren. Dass Menschen wegen all dem, was sie schon verloren haben, erst recht an ihrem Glaubenssatz festhalten, zeigt ein Beispiel aus den 1950er Jahren. Damals prophezeite die Hausfrau Marion Keech aus Chicago, dass Außerirdische die Menschheit am 20. Dezember 1954 vernichten wollten. Lediglich die Mitglieder ihrer Sekte würden durch ein Raumschiff gerettet.
Am angeblichen Weltuntergangstag kamen allerdings weder Ufo, noch Sintflut – und die Mitglieder wurden ungeduldig. Schließlich verkündete Marion Keech, dass die Außerirdischen wegen des festen Glaubens der Sekte die Erde doch verschonen würden. Die angebliche Prophezeihung hatte sich offensichtlich als Märchen entpuppt.
Jene Anhänger, die an ihrem bürgerlichen Leben festgehalten haben, verließen die Sekte. Jene, die ihre Jobs und ihr Eigentum aufgegeben haben, glaubten nun um so mehr an ihre Anführerin. Und wurden sogar Missionare für den Irrglauben.