SEB-Übernahme Santander kauft sich ein Sorgenkind

Nach einem monatelangen Bietergefecht mit der Hypo-Vereinsbank hat sich die spanische Großbank Santander das SEB-Privatkundengeschäft hierzulande geschnappt. Mit dem Verkauf beenden die Schweden ihren gescheiterten Ausflug in den deutschen Massenmarkt. Santander verdoppelt praktisch über Nacht die Zahl der Filialen und kauft sich ein Sorgenkind für einen stolzen Preis.

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Santander-Chef Emilio Botín schwimmt gegen den Strom. Quelle: Reuters

FRANKFURT/MÜNCHEN/MADRID. Künftig will die SEB sich mit rund 1200 Mitarbeitern auf Firmenkunden, Fonds und die Finanzierung von Gewerbeimmobilien konzentrieren.

Die spanische Santander, die mit 555 Mio. Euro deutlich mehr als den Buchwert der Einheit auf den Tisch legt, ist künftig die viertgrößte Privatkundenbank Deutschlands. Nur die Postbank, Commerzbank und Deutsche Bank können mit mehr Kunden wuchern.

"Die Übernahme des deutschen Privatkundengeschäfts von SEB eröffnet uns allen ganz neue Möglichkeiten", hieß es in einem Mitarbeiterbrief von Santander-Deutschland-Chef Ulrich Leuschner. Die bislang als Konsumenten- und Autofinanzierer bekannte Bank aus Mönchengladbach entwickle sich nun zu einem "richtigen" Filialinstitut. Mit dem Kauf übernimmt Santander rund eine Million Privatkunden, 2400 Mitarbeiter und 173 Filialen, die in den vergangenen Jahren allerdings meist Verluste einfuhren. Das SEB-Geschäft galt als zu klein, um dauerhaft zu überleben. Santander kommt künftig auf sieben Mio. Kunden und rund 350 Filialen.

Nach der Unterschrift unter den Deal rücken nun die anstehenden Verkaufsprozesse in den Vordergrund. So muss sich die Commerzbank bis 2014 von der Eurohypo trennen, die Deutsche Bank will die Frankfurter Tochter BHF-Bank loswerden. Darüber hinaus tritt seit Wochen der Verkauf der WestLB-Tochter West Immo auf der Stelle.

Santander kauft sich ein Sorgenkind

Mit einem Verlust von mehr als 300 Mio. Euro verabschiedet sich damit die schwedische SEB gut zehn Jahre nach dem Kauf der BfG-Bank aus dem deutschen Privatkundenmarkt. Die spanische Großbank Santander verdoppelt mit dem Kauf praktisch über Nacht die Zahl ihrer Filialen auf rund 350. Santander, weltweit auf Expansionskurs, hat damit künftig hierzulande sieben Mio. Kunden. Mit dem 555 Mio. Euro schweren Zukauf ziehen die Spanier, die sich gegen den Mitbewerber Hypo-Vereinsbank (HVB) durchsetzen konnten, bei der Kundenzahl an der ING-Diba vorbei. Hinter Postbank, Commerzbank und Deutscher Bank sind nun sie die Nummer vier im Markt.

"Die Übernahme des deutschen Privatkundengeschäfts von SEB eröffnet uns allen ganz neue Möglichkeiten", schrieb der Chef der deutschen Santander Consumer Bank, Ulrich Leuschner, an seine Mitarbeiter. Das Institut schaffe so den Markteintritt ins Hypotheken- und Wertpapiergeschäft und mausere sich zur "richtigen Retailbank". Konzernchef Emilio Botín ergänzte: "Deutschland ist einer der Kernmärkte für Santander." Die Spanier hatten sich erst 2008 mit dem Kauf der GE Money Bank sowie dem Ratenkreditgeschäft der Royal Bank of Scotland (RBS) verstärkt.

"Stolzer Preis" angesichts chronischer Verluste im Privatkundengeschäft

In Finanzkreisen wurde der Kaufpreis von 555 Mio. Euro als "stolze Summe" bezeichnet. Santander übernimmt dafür 173 defizitäre SEB-Filialen sowie 2400 Beschäftigte. Für sie besteht bis Ende 2011 eine Standort- und Beschäftigungsgarantie. Ob mittelfristig Stellenstreichungen geplant sind, ließ eine Santander-Sprecherin ebenso offen wie Fragen zu Details der neuen Geschäftsstrategie.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürchtet derweil das Schlimmste. "Derzeit ist noch vollkommen unklar, was der Verkauf für die betroffenen Beschäftigten bedeutet", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Uwe Foullong. Santander habe in der Vergangenheit wenig Rücksicht auf die Interessen der Beschäftigten genommen und sich gegen den Tarifvertrag für das Bankengewerbe gestellt. "Das lässt nichts Gutes Ahnen."

SEB will auch nach dem Verkauf in Deutschland aktiv bleiben

Mit rund einer Million Kunden war das SEB-Filialgeschäft zu klein, um Gewinne zu erwirtschaften. Alleine im vergangenen Jahr verlor das Segment hierzulande unter dem Strich 117 Mio. Euro. Die Schweden wollen sich aber trotz des Scheiterns im Privatkundengeschäft keineswegs komplett zurückziehen. "Wir sind seit 35 Jahren in Deutschland", sagte Landeschef Jan Sinclair dem Handelsblatt. "Dieses Land wird auch künftig ein Kernmarkt sein, in dem die SEB wachsen will." Die verbleibenden rund 1200 SEB-Beschäftigten sollen sich auf Firmenkunden, Fondsgeschäft und gewerbliche Immobilien-Finanzierung konzentrieren. Diese Bereiche sind durchaus rentabel. Bereinigt um das Privatkundengeschäft wäre hier 2009 ein Gewinn von rund 116 Mio. Euro angefallen.

Sinclair setzt vor allem große Hoffnung auf das Firmenkundengeschäft. SEB betreue 60 der 100 größten Unternehmen in Deutschland. Insgesamt gebe es etwa 1000 Firmenkunden. "Ich könnte mir vorstellen, dass sich gerade im Mittelstandsbereich diese Zahl mittelfristig um weitere 200 erhöht", sagte er.

Die Abspaltung sorgt vorerst noch einmal für eine massive Ergebnisbelastung

Vorerst belastet der Verkauf die SEB vor allem. Zwar liegt der Preis, den Santander zahlt, 135 Mio. Euro über dem Buchwert. Durch die Abtrennung, Restrukturierungslasten und die Auflösung von Sicherungsgeschäften müssen die Schweden aber gut 450 Mio. Euro an neuen Verlusten hinnehmen. 2011 wird nochmals eine Belastung von 65 Mio. Euro erwartet.

Verlierer ist die HVB, die mit den SEB-Filialen ihr renditeschwaches Privatkundengeschäft voranbringen wollte. Bis zuletzt hatte die Unicredit-Tochter Interesse signalisiert. Allerdings wollte HVB-Chef Theodor Weimer die Offerte, die weit unter dem Santander-Angebot lag, nicht nachbessern. Nun müssen sich die Münchener, die auf einem fetten Kapitalpolster sitzen, nach anderen Möglichkeiten umsehen. HVB-Chef Theodor Weimer hat kürzlich Interesse an der Frankfurter BHF-Bank angedeutet. Laut Finanzkreisen hat hier der Verkaufsprozess aber noch nicht begonnen.

Santander: Ein Puzzlestück in der globalen Strategie

Spaniens Banco Santander schwimmt gerne gegen den Strom. Strömen alle Institute auf einen Markt, wartet Institutschef Emilio Botín, der die Führung bereits Mitte der 80er-Jahre von seinem Vater übernommen hat, erst einmal ab. Als die internationalen Konkurrenten auf das profitträchtige Investment-Banking setzten, blieben die Spanier beim traditionellen Privatkundengeschäft. Als dann aber viele Großbanken mit US-Subprime-Papieren beladen ins Straucheln gerieten, begann Santander seinen globalen Einkaufsbummel erst so richtig.

In den vergangenen Jahren haben die Spanier schon das Konsumentenkreditgeschäft der Royal Bank of Scotland (RBS) und das Deutschland-Geschäft von GE Money übernommen und in die Tochter Santander Consumer Finance integriert. "Santander ist nicht in Deutschland eingestiegen, als alle dorthin strömten, sondern hat sich auf die Nische der Konsumentenkredite beschränkt und ist damit gut gefahren", sagt Analyst Iñigo Vega von Iberian Equities. "So lernten sie den Markt kennen und erreichten eine gewisse kritische Masse - und jetzt, wo andere schon wieder rausgehen, nutzt Santander die Einstiegschance."

Einkäufe in Großbritannien und den USA

Doch der jüngste Zukauf in Deutschland ist nur ein kleines Puzzlestück in einer seit Jahren laufenden globalen Diversifizierungsstrategie, die es der nach Marktkapitalisierung größten Bank der Euro-Zone ermöglicht hat, auch in der Finanzkrise stetig hohe Gewinne einzufahren. In den vergangenen Jahren hat Santander vor allem in Großbritannien zugekauft: Zunächst den Hypothekenfinanzierer Abbey, später die Bank Alliance & Leicester sowie die Filialen und Einlagen der Bank Bradford & Bingley. Derzeit verhandeln die Spanier über die Übernahme der über 300 britischen RBS-Filialen. Damit würde der Marktanteil beim Geschäft mit kleinen und mittelständischen Unternehmen in Großbritannien von drei auf gut acht Prozent steigen.

Ein Schnäppchen in der Finanzkrise war die US-Bank Sovereign, mit der die Spanier seit 17 Monaten im Nordosten der USA präsent sind. Jetzt steht Santander zudem in Verhandlungen über den Kauf der M&T Bank Corp. Mit der kleinen Bank könnten die Spanier nicht nur Größenvorteile erzielen, sondern auch ein ausgezeichnetes Management-Team einkaufen, meint Analyst Vega. "So ähnlich lief es auch in Brasilien, dort hatten sie eine mittelmäßige Bank und kauften dann mit Banco Real ein ausgezeichnetes Management-Team dazu, mit dem sie den ganzen Brasilien-Ableger auf Vordermann brachten."

Im vergangenen Jahr erzielte Santander jeweils rund ein Fünftel des Gewinns in Brasilien, im restlichen Lateinamerika, in Großbritannien und im nicht-spanischen Europa. Der Heimatmarkt Spanien trug noch ein Viertel zum Gewinn bei. Dieses Niveau an Diversifizierung sei eine der größten Stärken der Gruppe, die ihr erlaube, "Gelegenheiten beim Schopf zu ergreifen, ohne das die Ergebnisse durch Ungemach in einem einzelnen Markt beeinträchtigt werden", sagte Botín kürzlich nicht ohne Stolz auf der Hauptversammlung.

Wechselvolle Geschichte

1949 Nach dem Zweiten Weltkrieg gründen Gewerkschaften mehrere sogenannte Gemeinwirtschaftsbanken.

1958 Aus den Gemeinwirtschaftsbanken entsteht durch Fusionen und Zentralisierung die BfG (Bank für Gemeinwirtschaft).

1974 Die Gewerkschaftsholding BGAG hält die Mehrheit an der BfG. Andere (Mit-) Eigentümer folgen, darunter die Aachener und Münchener Beteiligungsgesellschaft sowie die französische Bank Crédit Lyonnais.

1999 Die schwedische Großbank SEB kauft für 1,6 Mrd. Euro die BfG-Bank.

2001 Der Name BfG verschwindet, die Bank firmiert künftig mit SEB unter dem Namen der Konzernmutter.

2006 Nachdem das deutsche Privatkundengeschäft immer wieder enttäuscht, setzen die Schweden der Tochter ein Ultimatum von zwei Jahren.

2008 Über die Investmentbank Morgan Stanley sondiert SEB den Verkauf des deutschen Privatkundengeschäfts. Doch wegen der Finanzkrise werden die Bemühungen zunächst auf Eis gelegt.

2010 Im März wird bekannt, dass SEB die Verkaufsversuche wieder aufgenommen hat. Die Hypo-Vereinsbank und Santander gelten schnell als die heißen Kandidaten.

12. Juli 2010 Santander erhält den Zuschlag für die SEB-Aktivitäten.

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