Chinesische Aktien Kaufen, ganz egal was?

43 Prozent Gewinn mit Aktien – ohne zu wissen, was man kauft? Einige Investoren in China zeichnen blind Aktien von Börsenneulingen, vertrauen auf den Erfolg in den Tagen nach dem Börsenstart. Doch gibt es auch Risiken.

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Es wird Yuan regnen: Viele Anleger investieren blind in chinesische Aktien – Gewinne scheinen ihnen sicher. Experten warnen vor übereilter Euphorie. Quelle: dpa

Shanghai Neun chinesischen Unternehmen sind im vergangenen Monat an die Börse gingen. Anlegerin Zhang Xiuli hat sich bei allen auf die Liste setzen lassen. Was die Firmen genau machen? Das weiß Zhang auch nicht so genau. Aber es ist ihr auch nicht so wichtig. Denn: Zhang ist sich sicher, dass es nach dem Börsengang erst einmal nur in eine Richtung geht: nach oben.

Tatsächlich sind Investoren, die in chinesische Neuemittenten investiert hatten, in diesem Jahr im Durchschnitt mit einem Kursstieg von rund 43 Prozent am ersten Handelstag belohnt worden. Zhangs Kaufaufträge gehörten zu den 655 Milliarden Yuan (80 Milliarden Euro) an Geboten für 3,2 Milliarden Yuan an neuen Aktien. Damit waren die Titel in etwa 28 Mal so stark überzeichnet wie jene von der Agricultural Bank of China. Das Finanzinstitut hatte im Jahr 2010 den Gang an die Börse gewagt – auf dem Höhepunkt des chinesischen IPO-Booms.

Neue Aktien haben in China ihren Ruf zurückgewonnen, dass sich mit ihnen keine Verluste erzielen lassen. Diese Entwicklung erfolgt nur vier Jahre nach dem letzten Kaufrausch, der für viele der Anleger schlecht endete – die Mehrheit der Börsengänge aus der zweiten Hälfte 2010 brachte innerhalb eines Jahres ihren Käufern Verluste ein.

Die Bemühungen der Aufsicht, sicherzustellen, dass es bei Börsengängen nicht zu Überwertungen kommt, haben letztlich Spekulanten dazu veranlasst, ihre Wetten mit geliehenem Geld auszubauen. Das sagt Ding Yuan, Professor an der China Europe International Business School. Damit werden seiner Meinung nach Pläne untergraben, dass der Markt und nicht die Regierung die Preise bestimmt. „Der Zusammenhang zwischen Nachfrage und Angebot ist verzerrt”, erklärt Ding in einem Interview mit Bloomberg News. „Fundamentale Analysen haben keinerlei Bedeutung, weil die Preise so niedrig gehalten werden.“

Bei allen neun Unternehmen, die in den vergangenen Monaten ein IPO hatten, lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis unterhalb des Branchendurchschnitts. Das geht aus Daten von Bloomberg News hervor. Die Aufsicht in China verlangt von Firmen, die ihre Titel oberhalb des Niveaus von Konkurrenten auspreisen, eine Verschiebung der Aktienplatzierung um drei Wochen und zudem die Versendung einer Risikowarnung an Investoren.


Geringes Interesse lokaler Investoren

Guangdong Taicheng Pharmaceutical, Hersteller von traditioneller chinesischer Medizin, zog bei seinem Börsengang 337 Mal so viele Gebote an wie die 350 Millionen Yuan (rund 43 Millionen Euro) an Titeln, die zur Verfügung standen. Die Aktien wurden zum 17,5-fachen der Gewinne ausgepreist, was im Durchschnitt etwa der Hälfe von börsennotierten Konkurrenten entsprach. Seit dem Handelsstart am 31. Juli hat sich der Kurs mehr als verdoppelt.

Zurückhaltend äußert sich auch Lin Jin von Shenyin & Wanguo Securities in Shanghai. Die Wahrnehmung, dass es bei Börsengängen kaum ein Risiko gebe, habe einige Investoren dazu gebracht, geliehenes Geld einzusetzen. Doch das könne ihre Verluste nur noch vergrößern, sobald die Kurse nicht mehr steigen würden. „Das Haupt-Risiko ist, ob die Kreditkosten abgedeckt werden können“, sagt Lin. „Weil Börsendebüts zur Normalität wird, werden die Effekte abnehmen und die Erträge sinken.“

Aktien aus chinesischen Börsengängen sind im Vergleich zu ihrem Ausgabepreis in diesem Jahr im Durchschnitt um rund 94 Prozent geklettert. Die starke Nachfrage steht im Gegensatz zum geringen Interesse lokaler Investoren am breiteren Aktienmarkt. Händler haben auf dem chinesischen Festland seit Ende März rund 1,3 Millionen Wertpapier-Depots liquidiert. Damit liegt die Anzahl der mit Geld unterlegten Depots bei 52,55 Millionen, was einem Vier-Jahres-Tief entspricht.

Investorin Zhang, die gleich bei neun Börsengängen versucht hatte, zum Zuge zu kommen, will sich allem Anschein nach nicht in Kaufzurückhaltung üben. Sie erzielte etwa 10.000 Yuan (rund 1200 Euro) an Gewinnen, obwohl ihr bei nur einem der Börsengänge Aktien zugeteilt worden waren. Es lohnt sich absolut, da mitzumachen', sagt Zhang, die in der südchinesischen Stadt Chongqing in der Finanzabteilung eines Herstellers von Autoteilen arbeitet. „Man sollte kaufen, wenn man es kann.“

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